Der Streit um Pestizide in der EU wird immer giftiger

Der Streit um Pestizide in der EU wird immer giftiger
Die Pläne der EU den Einsatz von Chemie in der Landwirtschaft zu reduzieren, stoßen auf erbitterten Widerstand – vor allem Österreichs Politik legt sich quer

Bienensterben hier, leere Getreidespeicher und Supermarkt-Regale da: Im Konflikt um den Einsatz von Unkraut- und Schädlingsvernichtern in Europas Landwirtschaft wird nur noch mit groben Mitteln gekämpft. Dabei geht es eigentlich um ein technisches Thema mit sehr vielen Detailfragen, die ohnehin von Experten geklärt werden müssen: Welches Mittel, welche Menge und welche Folgen für die Ernten, aber auch für die Artenvielfalt auf den und rund um die Äcker?

Politisch aufgeheizt

Inzwischen aber ist die Debatte politisch so aufgeheizt, dass den von der EU-Kommission angepeilten Zielen eine Totalblockade droht. Aktueller Schauplatz: Das EU-Parlament, wo im Umweltausschuss am Dienstag über den „Entwurf zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln“, im EU-Latein SUR genannt, abgestimmt wird. Alles deutet auf ein „Nein“ hin, für das sich vor allem die Europäische Volkspartei EPP – also auch die ÖVP – stark macht.

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„Wir sind ja bereit, Pflanzenschutzmittel zu reduzieren“, betont der österreichische EU-Abgeordnete Alexander Bernhuber, „aber die Bauern haben auch eine Verantwortung für die Ernährungssicherheit zu tragen.“ 50 Prozent weniger Pestizideinsatz bis 2030 ist die Vorgabe der EU-Kommission. Diese Marke solle bis 2035 verlängert werden. Außerdem müsse man den einzelnen EU-Mitgliedern viele Entscheidungen selbst überlassen, es brauche also „keinen gesetzlichen Zwang“.

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Auch auf der Gegenseite kämpft eine Österreicherin an vorderster Front. Die grüne EU-Abgeordnete Sarah Wiener war bei dem jetzt abgestimmten Entwurf federführend. Ein mühsames Tauziehen um technische Details. Rund 3.000 Anträge auf Änderungen mussten bearbeitet werden, und bei vielen spießte es sich bis zuletzt.

Zu streng? zu mild?

Denn für die grünen Vertreter sind die Pläne zu halbherzig. Da würden bei der Bewertung der eingesetzten Mittel besonders schädliche Substanzen zu glimpflich davonkommen. Außerdem, so analysiert der Umweltchemiker Helmut Burtscher von der Naturschutzorganisation Global 2000, „werden in der Landwirtschaft ohnehin um rund 20 Prozent zu viel Pestizide eingesetzt“. Oft würden die Bauern nur auf Verdacht und aus Gewohnheit auf die bewährte Chemie setzen: „Da gibt es also enormes Potenzial, um einzusparen.“

Nicht so einfach machbar

Doch so einfach ginge das nicht, ist auch Österreichs Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig überzeugt. 50 Prozent Pestizid-Reduktion, das lasse sich nicht einfach in der gesamten EU anwenden, war aus dem Ministerium zu erfahren, „man muss sich das von Land zu Land anschauen“. Totschnig sieht die Bauern durch die Klimaschutz-Politik der EU überfordert: „Die Landwirtschaft wird auch in Zukunft ihren Teil zur Klimaneutralität beitragen, aber das darf nicht auf Kosten der Versorgungssicherheit gehen.“ Ob es nun um Obstanbau geht, den Wein oder die Erdäpfel, denen gewisse Schädlinge in Zeiten der Trockenheit besonders zusetzen. In vielen Bereichen orten Vertreter der Bauern zahlreiche Probleme mit den geplanten Beschränkungen.

Für den Umweltaktivisten Burtscher sind das allesamt „unsachliche Argumente“. Die Konservativen versuchten lediglich, die überfällige Neuregelung für Pestizide aufzuhalten, „ohne die aber gibt es keine umwelt- und keine klimafreundliche Landwirtschaft“.

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