Ernst Fehr: Warum der 'Homo Oeconomicus' in der Wirtschaftswissenschaft ausgedient hat

Prof. Ernst Fehr
Die bis in die 1970er- und 80er-Jahre rein theoriegetriebene Volkswirtschaftslehre ist aufgrund neuer experimenteller Methoden – bis hin zur Hirnforschung in der Neuroökonomie – zu einer allgemeinen, wesentlich breiter abgestützten Verhaltenswissenschaft geworden, sagt Ernst Fehr (68).
Der in Vorarlberg geborene und vielfach ausgezeichnete Ökonom, der seit rund 30 Jahren an der Universität Zürich lehrt und forscht, gilt als einer der wichtigsten Impulsgeber der modernen Verhaltensökonomie.
Realitätsnäher
Bei einem Vortrag in Wien an der Akademie der Wissenschaften, schilderte Fehr am Freitag anhand der praktischen Auswirkungen von höheren Mindestlöhnen, wie empirische Erkenntnisse das traditionelle Bild des stets rational handelnden, immer auf Eigennutz bedachten „Homo Oeconomicus“ abgelöst haben.
Die Wirtschaftswissenschaft habe heute ein sehr viel „realitätsnäheres Verständnis menschlichen Verhaltens, das kognitive Begrenzungen, soziale Präferenzen und emotionale Aspekte berücksichtigt“.
So habe das Experiment den Blick auf die Wirtschaft „umgekrempelt“, sagt Fehr. „Wir warten nicht mehr nur auf die Daten des Statistischen Zentralamtes.“
Ergebnisoffen
Damit einhergegangen sei eine „Glaubwürdigkeitsrevolution“ der Wirtschaftswissenschaften, ist Fehr überzeugt. Früher wurden Theorien geglaubt, oder auch nicht. Heutzutage werden ökonomische Thesen immer öfter durch Labor- oder Feldexperimente bestätigt oder eben auch widerlegt. „Wenn heute jemand kommt und sagt, du hast Unrecht, dann muss er das beweisen“, sagt Fehr, der auf die Ergebnisoffenheit seiner Forschung großen Wert legt.
Das Fazit des Wissenschaftlers, der in der Vergangenheit wiederholt für den Wirtschaftsnobelpreis im Gespräch war, lautet: „Eine glaubwürdige, evidenzbasierte Ökonomie hat das Potenzial, ideologische Einflüsse zu überwinden und echten gesellschaftlichen Fortschritt zu fördern.“
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