Die neuen Staatsdiener: Warum der Staat immer mehr Personal braucht

Ein schlanker, effizienter Staat? Mitnichten. In den vergangenen zehn Jahren sind in Österreich fast 60.000 zusätzliche Jobs im Bereich "öffentliche Verwaltung, Bundesheer und Sozialversicherung" entstanden, wie aus Daten des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger hervorgeht. Mit Ausnahme des Gesundheitssektors gab es in den vergangenen zehn Jahren nirgendwo sonst so viele Neueinstellungen. Nur die Beschäftigung im Tourismus wuchs personalmäßig noch stärker.
Doch wo sind diese neuen Jobs entstanden und warum braucht der Staat immer mehr Personal, das er immer schwieriger findet? Der KURIER fragte beim obersten Personalchef des Bundes, Sektionschef Christian Kemperle nach.
Wo sind die fast 60.000 zusätzlichen Jobs entstanden?
Sektionschef Kemperle ist mit Zahlen vorsichtig, da in der Statistik "alles Mögliche" hineingerechnet wird - die Wiener Linien würden da ebenso dazugezählt wie der ORF. Rechnet man die gesamte Einflusssphäre im öffentlichen Dienst zusammen, gibt es insgesamt 790.000 Beschäftigungsverhältnisse.
In der öffentlichen Verwaltung im engeren Sinn habe die Beschäftigung eher abgenommen. Auch beim Bundesheer ist der Personalstand in den vergangenen Jahren eher gesunken. "Wir wachsen da nicht riesig".
Wie viele Beschäftigte arbeiten für den Staat?
Die öffentlichen Gebietskörperschaften, also Bundes-, Landes- und Gemeindebedienstete zusammengezählt, sind es rund 365.000. Allein im Bundesdienst liegt der Personalstand bei 135.000 Beschäftigten. Dazu kommen 400 Institutionen mit eigener Rechtspersönlichkeit wie Verbände, Universitäten, Fachhochschulen, Fonds und Verbände.
Durch eine geänderte, EU-weit vereinheitlichte Zählweise werden seit 2014 auch 22 öffentliche Krankenhäuser, die ÖBB, Wiener Linien sowie der ORF zum Sektor Staat dazugezählt. Das sind in Summe noch einmal 120.000 Beschäftigte, darunter 60.000 in den Landeskrankenhäusern.

Ist das jetzt viel oder wenig?
Der Anteil öffentlich Bediensteter an der Erwerbsbevölkerung betrug nach vergleichbarer OECD-Zählung zuletzt 17 Prozent. Damit liegt Österreich im OECD-Vergleich leicht unter dem Durchschnitt von 18,6 Prozent (Zahlen aus 2021). Zum Vergleich: Viel größer ist der öffentliche Sektor in Norwegen, Schweden und Dänemark, viel kleiner hingegen in Deutschland oder in der Schweiz.
Wo gab es die meisten Neuaufnahmen?
In der Bundesverwaltung gab es ein 10-Jahres-Plus von 3.000 Beschäftigten, was vor allem auf neue Schwerpunktsetzungen zurückzuführen sei, erläutert Kemperle, vor allem in punkto Sicherheit.
+ Exekutive: Die ist binnen 10 Jahren um mehr als 4.000 Personen gewachsen, dazu gibt es 300 Richter mehr. Österreich ist von 8 auf 9 Millionen Einwohner gewachsen, das Sicherheitsbedürfnis ist mitgewachsen. "Der Schlüssel ändert sich nicht wahnsinnig, aber es kommen immer wieder neue Berufsfelder dazu, man denke nur an die Bekämpfung der Online-Kriminalität, wo Personal aufgestockt wurde", erläutert der Sektionschef.
+Bundesheer: Hier wurde der Personalstand in den vergangenen Jahren um 3.000 reduziert, aber 2023 im Zuge des Ukraine-Krieges wieder aufgestockt. Im Vorjahr gab es bis Mitte des Jahres rund 1.200 Neuaufnahmen. Auch in den nächsten Jahren sollen jährlich 1.000 weitere hinzukommen, so welche gefunden werden.
In welchen Berufsfeldern entstehen die meisten neuen Jobs?
Eindeutig in der Informationstechnologie (IT). Durch die Digitalisierung in der Verwaltung wird vor allem zusätzliches IT-Personal gebraucht. In diesem Bereich arbeiten in der Bundesverwaltung derzeit 2.000 Beschäftigte, überwiegend mit Sonderverträgen. Der Sektor wird laut Kemperle bald auf 3.000 Beschäftigte wachsen. Das wäre ein Plus von 50 Prozent. In einer ähnlichen Größenordnung kommen noch die Länder hinzu in diesen neuen Berufen.

Welche Berufe sind neu entstanden?
In den letzten 20 Jahren haben sich durch die zunehmende Digitalisierung zahlreiche neue Berufe herausgebildet. Beispiele: 3D-Druck-Expertin bzw. Experte, Art Director Customer Experience Designer, Content Manager, E-Commerce Manager, IT-Security-Manager, Online Fitness Coach, Search Engine Optimization (SEO) und Search Engine Advertising (SEA) Manager oder auch Social Media Manager.
Welche Qualifikationen sind derzeit besonders gefragt?
"Gefragtester Beruf ist derzeit der Datenanalytiker. Alle Statistiken auszuwerten und Analysen durchzuführen sind Zukunftsfelder, die wir verstärkt brauchen werden", erläutert Kemperle. Als weiteres Beispiel nennt er Coaches, die Personal IT-Kompetenzen schult, vor allem im Unterricht, Stichwort Teach the Teacher. Neben dem IT-Bereich wird auch psychologisch-soziologisches Personal benötigt.

Wie viele Neueinstellungen erfolgen pro Jahr?
Allein im Bundesdienst gibt es jährlich 8.000 Neuaufnahmen, davon ca. 1.000 beim Bundesheer und 500 in der Finanzverwaltung. Für die Jobs, die auf der Plattform www.jobboerse.gv.at ausgeschrieben werden, gibt es mehrere Tausend Bewerbungen. Der Bewerbungsprozess soll nun vermehrt digitalisiert werden, ohne auf Rekruter zu verzichten.
Wie groß ist der Teilzeit-Anteil?
Im Bundesdienst ist er mit 17 Prozent viel geringer als in der Privatwirtschaft mit knapp über 30 Prozent. Das heißt, die 135.000 Vollzeitäquivalente entsprechen 145.000 Beschäftigten. 36 Prozent des Verwaltungspersonals sind Beamte.
Werden die Pensionierungen zur großen Herausforderung?
"Wir erwarten bis 2035 mehr als 65.000 Pensionierungen. Die werden schwer nachzubesetzen", so Kemperle. Am schwierigsten werde es bei den Handwerkern, weil dort der Fachkräftemangel besonders groß sei. Im öffentlichen Dienst werden derzeit 1.400 Lehrlinge ausgebildet. Auch hier werde es schwieriger, welche zu finden.
Weitere, detaillierte Informationen zur Beschäftigung im öffentlichen Dienst finden Sie in der Publikation "Das Personal des Bundes 2023"
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