Deutschen Kurzarbeitern droht Milliarden-Steuernachzahlung

Deutschland wird mangelnde Kooperation vorgeworfen
Wundermittel gegen Krise rettet zwar zigtausende Arbeitsplätze - Manchen Beschäftigten droht mit der Steuererklärung aber wegen Progression eine böse Überraschung.

Für viele Unternehmen und Millionen Arbeitnehmer in Deutschland ist Kurzarbeit in der Coronapandemie der rettende Anker. Doch bei der Steuererklärung im Jahr danach droht manchen eine böse Überraschung, stellt sich jetzt heraus: Denn obwohl das Kurzarbeitsgeld selbst steuerfrei ist, könnten Nachzahlungen auf die Beschäftigten zukommen.

Wie die deutsche Regierung auf eine Anfrage der Linken im deutschen Bundestag mitteilte, rechnet der Fiskus für das Steuerjahr 2020 mit rund 1,6 Milliarden Euro durch den sogenannten Progressionsvorbehalt beim Kurzarbeitsgeld.

Dieser Vorbehalt besagt folgendes: Bei den Steuern soll das gesamte Einkommen eines Bürgers berücksichtigt werden. Deshalb werden zur Ermittlung des Steuersatzes Kurzarbeitsgeld und andere staatliche Leistungen zum gewöhnlichen Einkommen addiert. Das ursprünglich steuerfreie Kurzarbeitsgeld kann also dafür sorgen, dass der persönliche Steuersatz steigt, mit dem das restliche Einkommen versteuert wird.

Erst bei der Einkommensteuererklärung wird abschließend geprüft, wie viel Steuern ein Arbeitnehmer für seinen Lohn bezahlen muss. Das wird abgeglichen damit, wie viel Steuern er bereits durch den Lohnsteuerabzug beglichen hat. Wurde weniger abgezogen als gefordert, kann es zu einer Steuer-Nachforderung kommen.

In welchen Fällen dies bei Beschäftigten in Kurzarbeit passiert, ist laut deutschem Finanzministerium sehr schwierig pauschal zu sagen. Das könne etwa der Fall sein, wenn man höhere Nebeneinkünfte oder einen Ehepartner mit gutem Einkommen habe. Es hänge aber auch von Zinseinnahmen, Umfang und Länge der Kurzarbeit sowie Höhe des Kurzarbeitsgeldes ab. Genauso sind demnach aber auch Rückerstattungen möglich, etwa wenn der Arbeitgeber trotz Kurzarbeit noch die gewohnte, dann zu hohe, Lohnsteuer abgezogen hat. "Wird fast ausschließlich steuerfreies, dem Progressionsvorbehalt unterliegendes Kurzarbeitsgeld erhalten, ergibt sich keine festzusetzende Steuer", erklärte das Ministerium.

Gewerkschaftsbund fordert Steuerbremse

Wissenschafter der Universität Stanford haben errechnet, dass einem alleinstehenden Arbeitnehmer mit 4.000 Euro Bruttolohn und halber Kurzarbeit schon nach zwei Monaten Kurzarbeit Nachzahlungen drohen. Bei voller Kurzarbeit dagegen gebe es Geld vom Staat zurück.

Die Linken-Abgeordnete Sabine Zimmermann geht davon aus, dass Kurzarbeitenden Steuernachforderungen in Höhe von mehreren hundert Euro pro Person drohen. Der Progressionsvorbehalt gilt auch für das Arbeitslosengeld. Zu den damit verbundenen Steuermehreinnahmen konnte die Regierung jedoch keine Auskunft geben.

Zimmermann kritisierte: "Wer Kurzarbeitsgeld bezieht, hat schon dadurch erhebliche Einkommenseinbußen erlitten." Dass nun auch noch Steuernachforderungen drohen, sei niemandem zu erklären, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Sie forderte, den Progressionsvorbehalt beim Kurzarbeitsgeld abzuschaffen.

Im vergangenen Jahr war bereits monatelang darüber diskutiert worden, ob die Regelung zumindest für 2020 ausgesetzt werden soll. Dass dies nicht geschah, wurde in der Koalition mit der Gerechtigkeit anderen Arbeitnehmern gegenüber begründet.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund forderte die Bundesregierung zu einer Steuerbremse auf. "Wer mit dem Kurzarbeitsgeld erhebliche Einkommenseinbußen hinzunehmen hat, soll nicht auch noch mit Steuernachzahlungen zu kämpfen haben", sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. "Die Koalition muss jetzt endlich handeln, um weitere Härten für die Beschäftigten in Kurzarbeit zu verhindern."

Gerade für Beschäftigte im Niedriglohnbereich, die keine Aufstockung des Kurzarbeitsgelds durch den Arbeitgeber bekommen, drohen laut DGB untragbare Mehrbelastungen. Das gelte beispielsweise für Teile der Gastronomie, für den Einzelhandel, die Hotellerie aber auch andere eher mittelständisch geprägte Branchen.

Allein zwischen 1. und 24. Februar gingen bei der Bundesagentur Kurzarbeitsanzeigen für 500.000 Personen ein. Im Dezember wurde für 2,39 Mio. Menschen Kurzarbeitsgeld gezahlt. Der Höchststand war im April vorigen Jahres mit knapp 6 Mio. Menschen erreicht worden.

Kurzarbeit dürfte auch an diesem Freitag bei einem gemeinsamen Auftritt des deutschen Arbeitsministers Hubertus Heil (SPD) und dem Vorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit (BfA), Detlef Scheele, mit im Zentrum stehen. Beide wollen eine arbeitsmarktpolitische Bilanz zu "Ein Jahr Corona" ziehen. Nach Einschätzung Scheeles sichert die Kurzarbeit in großem Umfang Beschäftigung und verhindert Arbeitslosigkeit.

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