Coronavirus: Notenbankhektik macht Anleger nervös

Eurozone legt vor, Fed zieht nach
Analyst: "Klares Indiz, dass die Märkte nach unten übertreiben". Die Frage ist nur, wann das aufhört

Eine konzertierte Aktion der führenden Notenbanken gegen die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Krise macht die Anleger an den Aktienmärkten offenbar noch nervöser. Nach einer der schwärzesten Wochen der Börsengeschichte zeichnen sich für den deutschen Leitindex DAX und an der Wiener Börse weitere Verluste ab.

Bereits zuletzt waren geldpolitische Lockerungen der US-Notenbank Fed und der Europäischen Zentralbank verpufft. Die Maßnahme könnte eher die Sorgen vor noch Schlimmerem befeuern, anstatt zu beruhigen, hatten Marktbeobachter Anfang März etwa nach einer Zinssenkung durch die Fed gesagt.

Die Fed senkte den Leitzins am Sonntag nun erneut. Zudem wollen weltweit führende Notenbanken die Versorgung des Finanzsystems mit der Weltreservewährung US-Dollar sicherstellen. Zum einen werden die Kosten bereits bestehender gegenseitiger Dollar-Leihgeschäfte (Swaps) verringert. Zum anderen werden zusätzliche Leihgeschäfte mit einer längeren Laufzeit durchgeführt.

All das verpufft aktuell angesichts der sich zuspitzenden Viruskrise: Grenzen sind geschlossen, Fluglinien streichen Routen zusammen, Lieferketten sind in Gefahr, Regale sind leergeräumt, Autos werden zu Ladenhütern und das öffentliche Leben kommt zunehmend zum Erliegen: Die Coronavirus-Krise hat Wirtschaft und Finanzmärkte fest im Griff. Mit umfangreichen Hilfen für Unternehmen wollen viele Länder die Folgen der Pandemie mindern. Ob das dem DAX nach dem Corona-Crash kurzfristig auf die Beine hilft, ist offen.

So ist die aktuelle Entwicklung für den Analysten Markus Reinwand von der Landesbank Helaba zwar "ein klares Indiz dafür, dass die Märkte derzeit nach unten übertreiben". Wann dies ende, sei aber kaum zu sagen - zumal nun auch Deutschland einige Grenzen schließt

Der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) kündigte umfassende Kontrollen und Einreiseverbote an den Grenzen zur Schweiz, zu Frankreich, Österreich, Dänemark und auch Luxemburg an. "Für Reisende ohne triftigen Reisegrund gilt, dass sie nicht mehr einreisen können", sagte Seehofer am Sonntagabend in Berlin. Die Entscheidung werde an diesem Montag ab 08.00 Uhr greifen. Zudem verschärfte sich die Lage über das Wochenende in Europa wie mit dem Alarmzustand in Spanien und der Schließung von Restaurants und Läden in Frankreich weiter.

Der Absturz seit dem Wochenende 22./23. Februar, als die Folgen der rasanten Coronavirus-Ausbreitung mit der Abriegelung von Teilen Norditaliens erstmals deutlich in Europa spürbar wurden, hat historische Dimensionen. Allein in der vergangenen Woche verlor der DAX rund 20 Prozent ein - einen höheren Wochenverlust hatte es bisher nur in der weltweiten Finanzkrise im Herbst 2008 gegeben. In den vergangenen drei Wochen büßte der DAX damit ein Drittel seines Werts ein. Um das Rekordhoch von 13.795 Punkten, das der deutsche Leitindex noch Mitte Februar markiert hatte, zu erreichen, müsste der DAX inzwischen gut 50 Prozent steigen.

Und das Minus könnte noch größer werden. Da hilft es auch nicht, dass US-Präsident Donald Trump vor dem Wochenende wegen der Ausbreitung des Coronavirus einen nationalen Notstand ausgerufen womit viele Milliarden US-Dollar zur Bekämpfung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 freigesetzt werden können. Zudem einigten sich die Demokraten mit der Regierung auf ein Hilfspaket für Familien, die von der Ausbreitung des Coronavirus betroffen sind. Der Broker IG taxierte den Dax zuletzt auf 8.873 Punkte und damit knapp vier Prozent unter dem Schluss vom Freitag.

Experten halten zwar weiterhin eine kurzfristige Erholung der Aktienmärkte für möglich, sehen grundsätzlich aber eher Risiken für weiter Verluste. So nähert sich der DAX laut dem Finanzexperten Andreas Büchler von Index Radar langsam einem günstigen Niveau, allerdings sei zu bezweifeln ob Anleger angesichts der Nervosität am Markt schon wieder dauerhaft investieren wollten. DZ-Bank-Analyst Christian Kahler kommt zu einer ähnlichen Einschätzung. Die absehbare Rezession der Wirtschaft wegen der Coronavirus-Pandemie könnte den DAX zunächst bis auf 8.000 Punkte absacken lassen.

Der DZ-Bank-Analyst gibt sich aber auch zuversichtlich, dass "wirtschaftliche Aktivitäten, privates Leben und Medieninteresse im Frühjahr zur Normalität zurückkehren". Für das zweite Halbjahr rechnet er mit einer deutlichen Belebung der Wirtschaft. Der DAX könnte sich dann zum Jahresende auf 11.500 Punkte erholen. Für Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank, steht und fällt die Stimmung denn auch mit der Zahl der Infizierten. Sie sei die Messlatte für den Kurse am Kapitalmarkt - nicht etwa die klassischen Konjunkturdaten.

Angesichts der aktuellen Viruskrise dürften in der neuen Woche Konjunkturdaten in den Hintergrund rücken. Die aktuellen Erhebungen spiegeln die Zuspitzung der Viruslage ohnehin kaum wider. Das Hauptaugenmerk gilt zur Wochenmitte dann der US-Notenbank Fed. Experten rechnen mit einer weiteren Leitzinssenkung um 0,50 Prozentpunkte. Mehr Geld allein könne das Virusproblem aber nicht beheben, mahnte Analyst Michael Hewson vom Broker CMC Markets. Denn: Aktuell handle es sich nicht bloß um eine Nachfragekrise, sondern auch das Angebot an Waren und Vorprodukten für die Industrie sei teils knapp.

Mit Spannung schauen die Anleger zudem, wie Unternehmen mit der um sich greifenden Verunsicherung umgehen. Und auf welcher Grundlage sie ihre Prognosen formulieren. Ein Aufschlag gibt am Montag der Versicherungskonzern Talanx, Mehrheitseigner der Hannover Rück. Bereits seit Februar ist bekannt, dass der Versicherungskonzern 2019 einen Rekordgewinn einfahren konnte. Ungewiss ist noch, in welchem Umfang er seine Aktionäre beteiligt.

Am Donnerstag legt die AUA-Mutter Lufthansa Zahlen für 2019 vor. Im Fokus stehen werden aber die Einschätzungen des Vorstands zur Coronavirus-Pandemie. Die Fluggesellschaft bekommt wie die gesamte Branche Reiseverbote, Urlaubsstornierungen und den geringeren Welthandel mit voller Wucht zu spüren bekommt. So bricht etwa nach dem von US-Präsident Trump verfügten Einreisestopp für Europäer die wichtige Route über den Nordatlantik fast gänzlich weg.

Die Lufthansa hält das Geld nun zusammen und setzt die Dividende aus, wie das Unternehmen am späten Freitagabend mitteilte. Der Konzern nimmt zudem zusätzliche Kredite auf und stellte die Aktionäre bereits vor dem Wochenende auf einen deutlichen Gewinnrückgang im laufenden Jahr ein.

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