FILE PHOTO: IATA Director General and CEO de Juniac attends an interview with Reuters in Geneva

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Wirtschaft

Corona-Krise: Airlines bereiten den Neustart vor

IATA erwartet bis Jahresmitte 2021 nur dann Erholung der Ticketnachfrage, wenn Corona-Impfstoffe schnell verteilt werden.

12/01/2020, 01:47 PM

"Wir können nicht auf den Impfstoff warten." Der scheidende Generaldirektor des globalen Airlineverbandes IATA, Alexandre de Juniac, hat noch einmal mÀchtig Druck gemacht, um den Neustart der Luftverkehrsbranche in den kommenden Monaten mit Hilfe massenhafter Corona-Schnelltests zu beschleunigen. Die Pandemie hat die Fluggesellschaften im fast abgelaufenen Jahr zwar mÀchtig mitgenommen, untergegangen sind bisher aber erst wenige.

Die globalen GeschĂ€ftszahlen sind dennoch ernĂŒchternd. Statt 4,5 Milliarden Menschen im Vorjahr waren 2020 nur noch 1,8 Milliarden Menschen mit einem Flugzeug unterwegs. Der Passagierschwund um 60,5 Prozent hat den Umsatz der Airlines laut IATA um mehr als 500 Mrd. Dollar (417,36 Mrd. Euro) auf 328 Mrd. Dollar zusammengeschmolzen. Die Verluste summieren sich auf geschĂ€tzte 118,5 Mrd. US-Dollar. Darin nicht enthalten sind die ebenfalls hart gebeutelte Flugzeugindustrie, die FlughĂ€fen und ihre zahlreichen Dienstleister.

Die deutschen FlughĂ€fen mĂŒssen laut ihrem Verband ADV in den Jahren 2020 und 2021 einen Verlust von rund 3 Mrd. Euro verkraften, so dass rund ein Viertel der 180.000 direkten ArbeitsplĂ€tze gefĂ€hrdet sei. Mit Paderborn-Lippstadt hat sich bereits der erste Betreiber in die eigenverwaltete Insolvenz geflĂŒchtet, weitere könnten bald folgen. Der Bund will zwar wie bei der Flugsicherung helfen, beharrt aber auf einer gleich hohen Beteiligung der LĂ€nder, die meistens zu den EigentĂŒmern der FlughĂ€fen zĂ€hlen.

Nur wenn die kurz vor der Zulassung stehenden Corona-Impfstoffe schnell verteilt werden und zudem deutlich mehr Passagiere mit Hilfe von negativen Schnelltests reisen dĂŒrfen, erwartet die IATA zur Jahresmitte 2021 eine Erholung der Ticketnachfrage. Die UmsĂ€tze sollen im kommenden Jahr der SchĂ€tzung nach 459 Mrd. Dollar erreichen, die Verluste blieben auf knapp 39 Mrd. Dollar beschrĂ€nkt. Rund 12 Mrd. Dollar mĂŒssten die europĂ€ischen Airlines schultern, die wegen der kleinen BinnenmĂ€rkte stĂ€rker auf das internationale GeschĂ€ft angewiesen sind als Amerikaner, Russen oder Chinesen.

Den Experten ist lĂ€ngst klar, dass sich das GeschĂ€ft auf der Mittelstrecke schneller erholen wird als auf der Langstrecke, dass touristische Reisen eher wieder aufgenommen werden als solche aus geschĂ€ftlichen GrĂŒnden. Schließlich hat Corona einen erheblichen Digitalisierungsschub gebracht, der kĂŒnftig viele kostspielige Business-Trips ĂŒberflĂŒssig erscheinen lĂ€sst. Allerdings erwartet der GeschĂ€ftsreiseverband VDR einen betrĂ€chtlichen Nachholbedarf an persönlichen Begegnungen. Der Aufwand pro Reise dĂŒrfte steigen: Rund 80 Prozent der Unternehmen rechnen dem VDR-Barometer zufolge mit komplizierteren Planungen und höheren Kosten. Und 90 Prozent wollen kĂŒnftig genauer prĂŒfen, welche Reisen wirklich notwendig sind.

Ihre Relevanz fĂŒr eine globalisierte Wirtschaft hat die Airline-Industrie in der Krise bei der Luftfracht bewiesen, die zur Verteilung der Corona-Impfstoffe einen weiteren Schub erwartet. Auch wenn fast die HĂ€lfte der Lademöglichkeiten wegen der fehlenden PassagierflĂŒge weggefallen ist, stiegen die Cargo-UmsĂ€tze deutlich auf knapp 118 Mrd. Euro und retteten manche Airline.

Die Passagiere werden im kommenden Jahr nur ein ausgedĂŒnntes Verbindungsangebot vorfinden, denn die Gesellschaften fliegen nur, wenn sie zumindest die direkten Kosten eines Fluges decken können. Auf dem alten Kontinent waren im April nur noch 2.110 StĂ€dtepaare mit DirektflĂŒgen verbunden, berichtet IATA-Experte Rafael Schvartsman. Vor der Krise konnte man aus mehr als 9.000 Destinationen wĂ€hlen. Etliche Ziele werden nur mit einem Zwischenstopp zu erreichen sein, was zunĂ€chst Drehkreuze wie Frankfurt, Paris oder Amsterdam stĂŒtzt.

Die Ticketpreise sind in der Coronakrise in schlecht ausgelasteten Jets eher gesunken und der Billigflieger Ryanair hat fĂŒr den Neustart bereits mit aggressiven Kampfpreisen gedroht. Die Iren können dabei erstmals auch auf besonders kostengĂŒnstige Flugzeuge vom UnglĂŒckstyp Boeing 737 Max zurĂŒckgreifen, der im MĂ€rz 2019 nach zwei AbstĂŒrzen mit insgesamt 346 Toten aus dem Verkehr gezogen worden war. Nach technischen Nachbesserungen steht die Wiederzulassung auch am europĂ€ischen Himmel durch die Luftfahrtaufsicht unmittelbar bevor.

Airlines sterben - wenn ĂŒberhaupt - einen langsamen Tod, denn sie sind meist TrĂ€ger nationalen Prestiges. Rund 173 Mrd. Euro haben die Regierungen im laufenden Jahr bereits in ihre nationalen Airlines gepumpt. Die IATA erwartet weitere Transfers von bis zu 80 Mrd. Euro, wie Juniac erklĂ€rte. Heißer Kandidat fĂŒr neue Milliardenspritzen ist Air France-KLM, dem der französische Staat laut der Zeitung "Le Monde" bereits weitere Zahlungsbereitschaft signalisiert hat.

Die teilverstaatlichte AUA-Mutter Lufthansa besorgt sich hingegen derzeit am privaten Kapitalmarkt erfolgreich frisches Geld - mit dem erklĂ€rten Ziel, die langfristig sehr teure Staatsbeteiligung von 9 Mrd. Euro zurĂŒckzufĂŒhren. Der Konzern hat hunderte Flugzeuge auf den Boden geholt. Großraumjets mit vier Triebwerken und hohem Kerosinverbrauch wie der Airbus A380 oder Ă€ltere Boeing-Jumbos vom Typ 747-400 wurden aus dem Verkehr gezogen und auch die Belegschaft schrumpft.

Weltweit sind noch rund 124.000 Menschen beim Kranich beschĂ€ftigt, der zumindest bei der deutschen Kernmarke noch keine Entlassungen vollzogen hat. Mit den Gewerkschaften der Flugbegleiter und des Bodenpersonals gibt es Vereinbarungen zu Sparmaßnahmen und Abfindungsprogrammen, die betriebsbedingte KĂŒndigungen ĂŒberflĂŒssig machen sollen. Die GesprĂ€che mit den Piloten dauern an.

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