„Britisches Parlament weiß nur, was es nicht will"

Am Podium diskutierten unter Leitung von Robert Kleedorfer Wifo-Experte Harald Oberhofer, Christian Mandl (WKO), Peter Androsch (BARDO) und der britische Sänger Gary Howard (von links)
Podiumsdiskussion der Jungen Wirtschaft Wien zum Brexit. Kritik an Politik Großbritanniens und wie es nun weitergehen könnte.

Brexit. Der Abschied Großbritanniens aus der EU ist verschoben – wieder einmal. Neues Datum to say goodbye: der 31. Oktober, Halloween. Ob es gruselig wird und tatsächlich zu einem Hard Brexit kommt (ein Ausscheiden ohne Vertrag), ist natürlich noch völlig offen. Allerdings: „Einen Hard Brexit kann man nicht ausschließen, er ist wahrscheinlicher als noch vor drei Jahren“, sagte Harald Oberhofer, Experte beim Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo, bei einer Podiumsdiskussion von Junge Wirtschaft Wien und KURIER.

Denn: „Das britische Parlament weiß nur, was es nicht will. Es sucht den Heiligen Gral.“ Diesen habe man jedoch seit der Abstimmung im Juni 2016 nicht gefunden und das werde auch im nächsten halben Jahr nicht gelingen. Größtes Problem ist die Grenze zwischen Irland und Nordirland: „Ohne Irland hätte man schon längst einen Vertrag.“

Parteiräson

Dem stimmte Christian Mandl, Leiter der Abteilung EU-Kooperation der Wirtschaftskammer, zu. „In Großbritannien geht es nicht um die Sache, sondern um Parteiräson.“ Die EU und London wollen eine harte Grenze mit Kontrollen verhindern.

Nach dem ausgehandelten Austrittsvertrag würde nach dem Brexit in einer Übergangsphase bis maximal Ende 2022 über eine Lösung verhandelt.  Ohne Einigung in der Übergangsphase würde dem Brexit-Vertrag zufolge der sogenannte Backstop folgen. Er sieht vor, dass die Briten bis auf weiteres in einer Zollunion mit der EU bleiben.

Kaum Abkommen bisher

Die Briten konnten erst mit einigen kleineren Ländern Abkommen schließen, darunter Schweiz, Chile und die Färöer Inseln. „Und nicht zu gleichen Bedingungen wie die EU. Denn 60 Millionen Menschen sind weniger als 440 Millionen“, sagte Oberhofer.

Für Österreich ist Großbritannien der neuntwichtigste Exportmarkt, die Hälfte davon im Kfz-Bereich. „Für Österreichs Wirtschaft ist ein Brexit kein Problem“, sagt Oberhofer. „Es wird künftig mehr innerhalb der EU-27 gehandelt.“

Zahlungsverzögerungen

Peter Androsch, Vorstandsmitglied des internationalen Verbands der Kreditversicherungsmakler (BARDO), wies aber darauf hin, dass es schon jetzt vermehrt zu Zahlungs- und Lieferverzögerungen komme. Es werde zu einem Zuwachs bei den Insolvenzen in Großbritannien kommen. Derzeit gebe es aber seitens der heimischen Versicherer noch keine Pläne, die Polizzen zu verteuern. Für einen Hard Brexit gebe es aber sehr wohl Notfallpläne.

Gary Howard, britischer Sänger und Schauspieler (u.a. bekannt als Mitglied der „Flying Pickets“), gab zu, dass die Brexit-Befürworter wie ein ungezogenes Kind viele Probleme bereiten würden. „Aber niemand in der EU will letztendlich dafür Verantwortung tragen, die Briten aus der EU geschmissen zu haben.“ Diese Ansicht teilte Mandl. „Auch wenn die europäischen Staatschefs schon relativ ungeduldig sind: Den Schwarzen Peter wollen sie sich nicht zuschieben lassen.“

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