Thomas-Cook-Pleite: Alle Flüge gestrichen, auch Neckermann betroffen
Bis spät in die Nacht verhandelte gestern das Management des britischen Reiseveranstalters Thomas Cook mit Gläubigern und der britischen Regierung über eine Rettung. Doch vergebens. Der britische Reisekonzern stellt sein Geschäft mit sofortiger Wirkung ein, lautete die folgenschwere Meldung, die um drei Uhr morgens über die internationalen Presseagenturen ausgeschickt wurde. Alle Flüge seien gestrichen worden, man starte eine Rückholaktion für Urlauber.
Der älteste Reisekonzern der Welt hatte das ganze Wochenende um eine Abwendung der Insolvenz gerungen, nachdem eine Finanzierung in Höhe von 200 Millionen Pfund (226,7 Mio. Euro) nötig geworden war. Von der Pleite des Konzerns, der im deutschsprachigen Raum mit der Fluglinie Condor und der Marke Neckermann Reisen präsent ist, sind 600.000 Urlauber betroffen.
Die Veranstaltertöchter, zu denen Marken wie Neckermann Reisen, Bucher Last Minute, Öger Tours, Air Marin und Thomas Cook Signature gehören, haben den Verkauf von Reisen nach eigenen Angaben komplett gestoppt. Man könne nicht gewährleisten, dass gebuchte Reisen mit Abreisedatum 23. und 24. September stattfinden, teilte Thomas Cook GmbH in der Früh in Oberursel bei Frankfurt mit. Nicht betroffen ist Aldiana. Auf der Webseite von Neckermann Österreich heißt es: " Die Verhandlungen zur geplanten Rekapitalisierung der Thomas Cook Group plc sind gescheitert. Daher hat die Thomas Cook Austria AG jeglichen Verkauf von Reisen gestoppt und kann die Durchführung von gebuchten Reisen nicht gewährleisten. Bitte kontaktieren Sie für weitere Informationen unseren Abwickler."
Operation "Matterhorn"
Akut müssen 150.000 Briten aus dem Urlaub zurückgeholt werden. Es ist die größte derartige Aktion in der Geschichte des Landes. Die Rückholaktion trägt nach BBC-Angaben den Codenamen "Matterhorn". In der Nacht seien bereits die ersten Flugzeuge zu verschiedenen Zielen gestartet, um britische Urlauber nach Hause zu holen. Der britische Premierminister Boris Johnson hat den gestrandeten Urlaubern die Hilfe seiner Regierung versprochen. "Wir werden unser Bestes tun, um sie nach Hause zu holen. Es wird Pläne dafür geben, wenn es notwendig wird", sagte Johnson.
50.000 Touristen in Griechenland gestrandet
Allein in Griechenland sind nach der Pleite des Reisekonzerns Thomas Cook etwa 50.000 Touristen gestrandet. Das sagte Tourismusminister Charis Theocharis am Montag dem griechischen Fernsehsender Skai. Es liefen bereits Maßnahmen, um die Menschen zurück in die Heimat zu bringen. Dies geschehe unter anderem in Abstimmung mit der britischen Regierung, die eine gewaltige Rückholaktion angekündigt hatte. "In den nächsten Tagen werden voraussichtlich 22.000 Thomas-Cook-Kunden abreisen", sagte Theocharis.
Auf Kreta, wo sich fast die Hälfte der betroffenen Touristen aufhält, wurden Hoteliers informiert, dass die Kunden zu den geplanten Zeiten abfliegen würden. Es sei nicht nötig, dass sich die Menschen panisch zu den Flughäfen aufmachten, berichtete Skai. Stattdessen sollen die Rückflüge zu den gleichen Zeitpunkten stattfinden wie ursprünglich geplant.
Sorgen bereiten den Hoteliers vor allem die noch ausstehenden Zahlungen des Konzerns. "Es wird unvermeidlich zu Ausfällen kommen", sagte Theocharis. Sein Ministerium wolle einen Plan ausarbeiten, damit Griechenland nach dem Zusammenbruch des Unternehmens keine Marktanteile verliere.
Was tun?
Reisende in Österreich sind grundsätzlich durch die sogenannte Pauschalreiseverordnung, die seit September 2018 in Kraft ist, geschützt. Veranstalter müssen seitdem in eine Versicherung einzahlen, die Kundenansprüche im Insolvenzfall absichert. Damit würden etwaige Zusatzkosten abgegolten.
"Sollte es zu Problemen kommen, kann man sich an den Abwickler wenden", rät Peter Kolba vom Verbraucherschutzverein VSV (Tipps für Betroffene gibt es auf dessen Webseite, unter diesem Link). Im Fall Thomas Cook wäre das die AWP P&C S.A. (Allianz Travel) in Wien.
Was man dort betroffenen Urlaubern rät? Sollen sie Geldforderungen zurückweisen? Oder zahlen? Mit dieser KURIER-Anfrage war der Abwickler gestern überfragt. "Momentan ist leider keiner da, der hundertprozentig weiterhelfen könnte."
Österreichs Regelung sei generell kundenfeindlich, kritisiert Kolba. In Deutschland erhalte der Reisende ein A4-Infoblatt, in Österreich müsse er über das Gewerberegister selbst herausfinden, wer der Abwickler ist.
Die Insolvenzabsicherung gilt nur bei Pauschalreisen oder "verbundenen Reiseleistungen", wenn zwei Inhalte in einem Ablauf und zu einem Preis gebucht wurden – typischerweise Flug und Hotel. Die Absicherung greift nicht, wenn der Urlauber sich die Reise selbst zusammenstellt.
Wichtig ist es, dass der Betroffene seine Ansprüche binnen acht Wochen ab Eintritt der Insolvenz anmeldet.
Koordinationssitzung von Außen- und Verkehrsministerium
Zu den Folgen der Insolvenz des Reiseunternehmens Thomas Cook auf österreichische Reisende findet heute, Montagvormittag, eine Koordinationssitzung von Außen- und Verkehrsministerium mit Reisebürounternehmen statt. Dabei werde die Betroffenheitslage in Österreich analysiert, hieß es aus dem Außenministerium in Wien zur APA.
Beim Bürgerservice gebe es bisher keine Anrufe von betroffenen Österreichern. Zur Vorsorge wurde trotzdem das Bürgerservice verstärkt. "Sollten Anrufe von Betroffenen kommen, kümmern wir uns um die Anliegen", hieß es aus dem Außenministerium zur APA. Das Bürgerservice kann telefonisch unter 0043 (0) 50 1150 44 11 erreicht werden.
60 Mitarbeiter in Österreich
Derzeit sind 600.000 Touristen über Thomas Cook unterwegs. In den sozialen Medien war die Aufregung gestern groß. Zahlreiche Touristen sorgten sich, ob sie noch nach Hause kommen können. Besonders schlimm erwischte es eine Gruppe britischer Touristen in Hammamet (Tunesien): Das Hotel verlangte eine Sonderzahlung; Sicherheitskräfte hielten solange die Ausgänge versperrt, schilderte ein Betroffener im BBC-Radio.
Der 1841 gegründete Reiseveranstalter beschäftigt 21.000 Mitarbeiter in 16 Ländern. In Österreich hat man eine Zweigniederlassung und an die 60 Mitarbeiter. Pro Jahr buchen weltweit rund 19 Millionen Urlauber eine Reise mit Thomas Cook. Die Gründe für die Krise sind vielfältig. Der Konzern war zuletzt durch eine milliardenschwere Abschreibung auf eine britische Tochterfirma ins Schleudern geraten. Thomas Cook leidet zudem stärker als die Konkurrenz unter der mit Brexit und schwächerem Pfund einhergehenden Reiseunlust der Briten.
Dem Unternehmen, zu dem etwa Neckermann Reisen und eben die Fluglinie Condor gehören, sind schon länger die Kosten aus dem Ruder gelaufen. Auf umgerechnet 1,9 Milliarden Euro ist die Nettoverschuldung angewachsen. Heuer blieben die Flug- und Pauschalreisebuchungen hinter dem Vorjahr zurück. Schon vor einigen Wochen erklärten Citi-Analysten die Thomas-Cook-Aktien für "wertlos". Zudem leidet das klassische Reisegeschäft seit Jahren. Der Trend geht nämlich eindeutig zu mehr Individualreise.
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