Börsengänge: Gelungene und verpatzte Premieren

Viele Unternehmen drängen heuer auf den Kapitalmarkt. Doch Anleger greifen nicht überall zu.

19,5 Milliarden Euro. Diese gigantische Summe hat der Börsegang des chinesischen Onlinedienst Alibaba an der New Yorker Börse Mitte September eingebracht. Damit ist Alibaba der bisher größte Börsegang (in der Fachsprache IPO, Initial Public Offering, genannt) gelungen. Für die Käufer der Aktien hat sich die Investition bis dato bezahlt gemacht. Der Kurs ist vom Ausgabepreis bei 68 Dollar auf mehr als 90 Dollar geklettert. Ganz anders entwickelten sich die Kurse der Newcomer Zalando und Rocket Internet an der Börse in Frankfurt. Beide Aktien haben seit ihrem IPO rund 20 Prozent verloren.

Das sind nur drei Beispiele von erfolgreichen bzw. weniger gelungenen IPOs von weltweit 851 Unternehmen, die bis Ende September neu ins Börsen-Rampenlicht drängten. Das ist der höchste Wert seit 2011. Die Konzerne nutzen das relativ günstige Umfeld für Aktien und hoffen, von den Kapitalströmen zu partizipieren. Dies gelingt nicht in jedem Fall, wie bereits eingangs erwähnt.

Wien

Auch der erste Börsegang in Wien seit drei Jahren hat sich vom Kurs her nicht prickelnd entwickelt. Der oberösterreichische Flugzeugzulieferer FACC wurde im Mai zu 9,50 Euro je Aktie zum Kauf angeboten, der Preis von Experten als "fair" bezeichnet. Der Kurs liegt derzeit jedoch nur noch bei 8,20 Euro. Die Analysten bleiben dennoch optimistisch. Langfristig, so heißt es seitens der Schweizer Bank UBS, gebe es für die FACC Wachstum, das auf der guten Partnerschaft mit Airbus und Boeing basiere. UBS gibt daher eine Kaufempfehlung ab. Die Dividendenschätzung beläuft sich auf 0,17 Euro je Aktie. Somit gibt es abseits des mauen Kursverlaufs immerhin eine Ausschüttung.

Drei Männer in schwarzen Zalando-T-Shirts packen Stoffbeutel in Kartons.
Die Zalando-Chefs Robert Gentz, Rubin Ritter und David Schneider anlässlich des Börsengangs im Vorjahr.
Die Hülle und Fülle an Börsengängen in diesem Jahr macht es jedenfalls schwierig, die Übersicht zu behalten und die Spreu vom Weizen zu trennen. "Am stärksten überteuert waren wahrscheinlich Zalando und Rocket Internet", sagt Georg von Wallwitz, Chef der Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement GmbH und Fondsmanager der Phaidros Funds, zum KURIER. "Für Rocket haben wir vor dem Börsengang ein Kursziel von 15 ausgegeben, gekommen ist die Aktie dann bei 42,50."

Dass nicht alle Internetaktien dauerhaft abgehen wie eine Rakete, begründet Franz Gschiegl, Vorstand der Erste Sparinvest, wie folgt: "Die Investoren sehen sich die Unternehmen heute genauer an als früher und greifen nicht überall zu bzw. lassen sich nicht so leicht blenden. Von einem Hype sind wir meilenweit entfernt. Die Situation ist kein Vergleich zur Tech-Bubble im Jahr 2000."

Vorab-Ausschüttung

Unter Börsianern wenig vertrauenserweckend war der Umstand, dass sich die Alt-Eigentümer von Rocket vor dem Börsegang eine Ausschüttung in Höhe von 287 Millionen Euro gönnten. "Das zeigt, dass die Gründer selbst wenig Zutrauen in ihr Unternehmen haben und es lieber mit dem Geld der Aktionäre finanzieren als mit eigenem", analysiert Wallwitz. "Sie sind nicht bereit, das Risiko eines Unternehmers einzugehen. Aber das ist nicht neu in diesem Fall und muss auch niemanden überraschen."

Es passe auch dazu, dass die Aktien von Zalando, der werthaltigsten Beteiligung von Rocket, im Vorjahr in den privaten Fonds der Gründer übertragen worden sind – zu einem Preis, der kaum nachvollziehbar sei. "Das legt den Verdacht nahe, dass hier ein geschulter Blick für gute Investitionen am Werk war – allerdings nicht zum Nutzen der Aktionäre", so Wallwitz.

Vorsicht

Wer jetzt noch Interesse an einer der Neunotierungen hat, sollte Vorsicht walten lassen, meint Monika Rosen-Philipp, Chefanalystin im Private Banking der Bank Austria. Viele Aktien seien sehr gut gelaufen. "Man muss jetzt nicht nachspringen." Die Kurse sind in vielen Fällen schon zu hoch zum Einstieg. Gemessen wird dies am Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), das ausdrückt, wie oft der Gewinn je Aktie im Kurs enthalten ist. Je höher der Wert, desto teurer.

Rosen nennt zwei Beispiele. Go Pro, US-Hersteller von tragbaren Kameras, kam im Juni an die Börse. Das KGV liegt schon bei 77, nachdem der Kurs von 24 auf 85 Dollar gestiegen ist. El Pollo Loco, eine mexikanische Fast-Food-Kette, hat seit Börsestart im Juli von 15 auf 35 Dollar zugelegt. Das KGV liegt bei 64. Zum Vergleich: Der Wiener Leitindex ATX kommt derzeit auf 17,5, beim Frankfurter DAX sind es 14.

Rosen rät, auf künftige IPOs zu warten, z. B. das Bezahlservice Paypal, das von eBay abgespalten werden soll. In der Pipeline stehen u. a. auch der Schuhproduzent Jimmy Choo und 2015 die Parfümeriekette Douglas.

Viele Börsegänge richten sich gezielt an Privatanleger. Ein Beispiel ist Air Berlin, die im Jahr 2007 eine massive Werbekampagne mit Talkmaster Johannes B. Kerner fuhr. Die Aktie der Airline stürzte bald darauf brutal ab. „Laien sollten sich grundsätzlich von IPOs fernhalten“, sagt Experte Georg Graf von Wallwitz. „Bei Börsengängen muss man sich immer klar sein: Das ist ein Vorgang, bei dem die Insider an die Außenseiter verkaufen.“

Wer dennoch von Anfang an dabei sein will, dem geben Anlegerschützer folgende Tipps:

Kenntnis Machen Sie sich mit dem Unternehmen vertraut. Versuchen Sie, das Geschäftsmodell zu verstehen und lesen Sie den Börseprospekt. Ist dieser bei einem deutschen/österreichischen Unternehmen nur auf Englisch (wie im Fall von Rocket Internet), ist dies kritisch zu sehen.

Gerichtsstand Der Ort, an dem die Aktie notiert, muss nicht ident mit dem Gerichtsstand sein. Bei rechtlichen Problemen ist dies wesentlich. Bei Air Berlin etwa ist es London Stansted, dort finden nach wie vor die Hauptversammlungen statt. Bei der früheren Meinl-Gesellschaft Airports International war es die Insel Jersey. Die Anreise wird teuer und mühsam.

Berichtspflichten Notiert ein Unternehmen in einem untergeordneten Segment, muss es keine umfassenden Quartalsberichte ausgeben.

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