Boeing: Software-Debakel bei 737 Max wird teuer werden

Boeing: Software-Debakel bei 737 Max wird teuer werden
Je länger sich die Flugverbote hinziehen, desto stärker gerät Boeing in Verzug, was zu Regressforderungen führen kann.

Zwei Unglücke und ein schlimmer Verdacht: Der US-Luftfahrtriese Boeing wird nach den Flugzeugabstürzen in Indonesien und Äthiopien massiv kritisiert und kämpft um seinen Ruf. Heute Mittwoch wird Boeing den ersten Geschäftsbericht seit den weltweiten Startverboten für die Unglücksflieger der Baureihe 737 Max vorlegen.

"Diese vergangenen Wochen waren die herzzerreißendsten meiner Karriere", sagte Konzernchef Dennis Muilenburg jüngst. Boeings Aktionäre wollen vor allem eines wissen: Wie hoch wird die Rechnung für das 737-Max-Debakel ausfallen? Beim Quartalsbericht dürfte die Anleger deshalb besonders der Ausblick mit den Prognosen für das restliche Geschäftsjahr interessieren. Unmittelbar damit verknüpft ist die Frage, wie Boeing bei den Bemühungen um eine Wiederzulassung der 737-Max-Flugzeuge vorankommt. Zuletzt war hier trotz aller Beteuerungen Muilenburgs wenig Bewegung zu sehen.

Nach den Unglücken in Indonesien und Äthiopien, bei denen insgesamt 346 Menschen ums Leben gekommen waren, waren weltweit Startverbote für Boeings bestverkaufte Baureihe 737 Max erlassen worden. Die Flugzeuge können nicht ausgeliefert werden, was Spuren in der Bilanz hinterlassen wird. Die Produktion der Flieger wurde bereits deutlich gedrosselt. Wegen der noch nicht abschließend geklärten Unfallursachen und Probleme mit einer Steuerungssoftware ist unklar, ob und wann die 737-Max-Maschinen von den Aufsichtsbehörden wieder zugelassen werden. Dem Vernehmen nach soll das MAX-Debakel Boeing pro Monat rund zwei Milliarden Dollar kosten.

Für Boeings Geschäft ist die 737-Max-Baureihe von enormer Bedeutung. Laut Analysten der Berenberg Bank steuert die Serie knapp ein Drittel zum Umsatz und einen Großteil des Gewinns bei. Boeing hat zwar zuletzt keine neuen Aufträge für die Maschinen erhalten, sitzt aber nach wie vor auf Tausenden Bestellungen, bisher halten sich die Airlines mit Stornierungen zurück. Das ist auch dem Markt an kleineren Passagierflugzeuge geschuldet, der außer dem Konkurrenzmodell A320 von Airbus - das auf Jahre ausgebucht ist - kaum Alternativen bietet.

Doch auch wenn ein massenhafter Umstieg und eine Stornierungswelle von Fluggesellschaften schon allein aus Mangel an Ausweichmöglichkeiten unwahrscheinlich scheint, wird die Lage für Boeing immer kritischer. Je länger sich die Flugverbote hinziehen, desto stärker gerät der Hersteller gegenüber Kunden in Verzug, was zu Regressforderungen führen kann. Zudem ist es bereits ein logistischer Kraftakt, die vielen Maschinen zu lagern. Brisanter als diese operativen Probleme könnte aber Boeings Rolle bei den Abstürzen sein.

Denn nachdem der Konzern Sicherheitsrisiken der 737 Max anfangs noch beharrlich zurückgewiesen hatte, räumte Boeing nach und nach immer deutlicher Probleme mit der Steuerungssoftware MCAS ein. Die lassen sich mittlerweile auch kaum noch bestreiten: Denn die vorläufigen Ermittlungsberichte zu den beiden Abstürzen deuten ziemlich deutlich darauf hin, dass das System fälschlicherweise aktiviert wurde und die Maschinen Richtung Boden lenkte. Damit erhärtet sich der schlimme Verdacht, dass ein Herstellerfehler für die Unglücke verantwortlich sein könnte.

Für Boeing wäre dies in mehrerer Hinsicht hochbrisant. Die MCAS-Automatik stand schon nach dem Absturz in Indonesien am 29. Oktober stark in der Kritik. Der Konzern versprach damals bereits ein Update, stritt aber energisch ab, dass es Sicherheitsprobleme gebe. Am 10. März kam es dann zum Absturz der baugleichen 737 Max in Äthiopien, der starke Ähnlichkeiten mit dem ersten hatte. Seitdem ist Boeing mit schweren Vorwürfen und großem Misstrauen konfrontiert. Auch rechtlich könnte der Fall Boeing massiv unter Druck bringen.

Es liegen bereits etliche Klagen von Angehörigen der Absturzopfer vor. Sollte sich der Verdacht bestätigen, dass eine hausgemachte fehlerhafte Software der entscheidende Faktor bei den Unglücken war, so würde Boeing eine viel weitreichendere Haftung mit deutlich höherem Schadenersatz drohen. Zudem muss Boeing die staatlichen Strafverfolger fürchten. Der Konzern wird verdächtigt, bei der 737-Max-Zulassung Informationen unterschlagen zu haben, was die Angelegenheit zum Kriminalfall machen könnte.

Die schlechten Nachrichten für Boeing rissen zuletzt nicht ab. Anfang des Monats musste der Konzern zugeben, dass es neben dem MCAS-Programm ein weiteres, möglicherweise sicherheitsrelevantes Softwareproblem bei der 737 Max gibt. Am Freitag kündigte die US-Luftfahrtbehörde FAA dann an, dass das Verfahren zur Wiederzulassung der Unglücksflieger noch mindestens drei Monate dauern dürfte. Und am Sonntag brachte ein Bericht der "New York Times" über angebliche Produktionsmängel beim Langstreckenjet 787 "Dreamliner" Boeing weiter in die Bredouille.

Kommentare