Blümel tauscht sich mit Grünen-Kritiker Sinn aus

Deutscher Wirtschaftsexperte Hans-Werner Sinn
Deutscher Wirtschaftsforscher geißelt EU-Klimaschutz-Bemühungen als Mogelpackung

Hans-Werner Sinn (73) ist ein Mann klarer Worte. Der emeritierte Professor, der von 1999 bis 2016 das renommierte Münchner IFO-Institut leitete, ist gern gesehener Gast in deutschen Talk-Shows. Die provokanten Aussagen des streitbaren Wirtschaftsforschers garantieren Quote. Am Mittwoch ist Sinn auf Einladung von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) in Wien – wenn auch nur virtuell, also per Video zugeschaltet.

In der Veranstaltungsreihe „Finanz im Dialog“ will sich Blümel Input unter anderem für die aktuell in Österreich diskutierte ökologische Steuerreform holen.

Interessant für die Wahl des Gastredners ist: Sinn anerkennt zwar die Notwendigkeit, Treibhausgas-Emissionen deutlich zu senken oder mehr grünen Strom aus Wasser, Windkraft oder Sonnenenergie zu erzeugen. Er hält jedoch den bisher eingeschlagenen Weg in Europa für falsch.

Subvention für USA und China

So nennt er beispielsweise E-Autos eine „Mogelpackung“, wo nur der „Auspuff ein bisschen weiter entfernt im Kraftwerk“ liegt. Oder sagt: „Indem wir mit unserer Sparsamkeit die Energiepreise auf dem Weltmarkt drücken, subventionieren wir den Konsum der Amerikaner und Chinesen, die dann noch mehr Spritschleudern fahren und umweltverschmutzende Fabriken hochziehen.“

Sinn ist vor allem ein Fürsprecher für einen florierenden Standort und eine starke Industrie. Überzogener „Grüner Unilateralismus“ ist ihm ein Graus. Er wirbt in Vorträgen, Büchern und Aufsätzen vielmehr für globale Vereinbarungen und wettert gegen EU-Alleingänge.

„Unilaterale Aktionen führen zu einer Selbstkasteiung, die wenig bewirken wird. Ohne bindende internationale Vereinbarungen drohen Deutschland und die EU zu Versuchskaninchen der Welt zu werden, deren Schicksal andere von der Nachahmung abhält“, schrieb Sinn vor kurzem.

Oder, an anderer Stelle: „Bedrohen wir die Ressourcenbesitzer mit einer immer grüner werdenden Politik, die ihnen das zukünftige Geschäft kaputt macht, kommen sie der Bedrohung zuvor und fördern ihre Bodenschätze nur noch schneller. Statt den Klimawandel zu bremsen beschleunigen wir ihn. Das ist das grüne Paradoxon.“

Kein Persilschein

Politisch erstaunlich ist, dass sich Finanzminister Blümel – in aufrechter Koalition mit den Grünen – ausgerechnet den scharfzüngigen Grünen-Kritiker Hans-Werner Sinn als Redner einlädt. „Wir sprechen mit nationalen wie internationalen Experten. Jeder Input ist wertvoll. Deutschland hat beispielsweise schon die -Bepreisung eingeführt. Da ist ein Erfahrungsaustausch sinnvoll, auch um etwaige Fehler nicht zu wiederholen“, heißt es aus Blümels Umfeld.

Der Minister will mit dem deutschen Wirtschaftsexperten freilich nicht nur über die Energiewende und die Öko-Steuerreform reden. Andere Themen sollen die im September anstehende deutsche Bundestagswahl sein, Standortfragen wie die globale Mindeststeuer, die Sinn klar unterstützt, oder etwa die Zukunft der Schuldenpolitik in Europa. Dazu sagt Blümel: „Nach der Krise ist vor Krise. Wer jetzt glaubt, die aktuellen Niedrigzinsen sind ein Persilschein für dauerhafte Schulden, der irrt sich.“Michael Bachner

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