Bieterschlacht um Warner Bros. wird zum Politikum

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Die Übernahme von Warner Bros. durch Netflix war schon eingetütet. Nun bringt der US-Präsident vieles durcheinander.

Eigentlich war schon alles angerichtet wie für ein klassisches Finale. Netflix schluckt Warner. Der größte Streaming-Anbieter der Welt übernimmt eines der ältesten Studios des klassischen Hollywood-Kinos für 83 Milliarden Dollar. Ted Sarandos, Chef von Netflix, das dadurch seine Kundenkartei weltweit auf 420 Millionen zahlende Kunden steigern würde, kurz vorm Ziel. Dann platzte in letzter Minute Medienriese Paramount in die Szene. Mit einem höheren Gebot. Dabei war Paramount als Mitbieter schon aus dem Rennen.

Chef David Ellison, Sohn des Oracle-Milliardärs Larry Ellison, der ein intimer „Buddy“ von Donald Trump ist, lockt die Warner-Aktionäre mit 103 Milliarden Dollar. Und mit politischem Rückenwind aus dem Weißen Haus. Da, wo ein Mann als Präsident den Ton angibt, der durch Fernsehen und Film groß geworden ist und vor Reportern kühl fallen ließ: „Ich werde an dieser Entscheidung beteiligt sein.“

Was für sich genommen brisant ist – der Fall ist den Regeln nach allein von den Kartellwächtern zu bewerten –, wird noch schwieriger, wenn man sich bei Paramount die Beteiligten ansieht. Denn an der Finanzierung beteiligt ist Affinity Partners – der Investmentfonds von Jared Kushner, Trumps Schwiegersohn, Ehemann der ältesten Tochter Ivanka. Außerdem sind die Staatsfonds von Saudi-Arabien und Katar im Boot; auch hier gibt es Verbindungen zu Kushner.

Plötzlich sind alle Augen auf Trump gerichtet. Wie wird sich der Mann, der vorgibt, die „großen Tech-Machtblöcke“ kritisch zu sehen, verhalten? Wer bekommt am Ende den Zuschlag bei einer Entscheidung, die nach Ansicht vieler Experten Hollywood revolutionieren und die Zukunft der Nachrichten- und Unterhaltungsindustrie insgesamt bestimmen könnte?

Generationen-Chance

Tatsache ist, dass Trump vor wenigen Tagen Ted Sarandos im Oval Office zu Besuch hatte. Danach lobte er den Netflix-Boss über den grünen Klee als großen Geschäftsmann und Visionär. Sarandos sprach intern von einer Generationen-Chance und tat so, als wäre der Deal schon in trockenen Tüchern. Die Botschaft: „Wir wollen Warner nicht zerschlagen, sondern in die Zukunft führen.“

Aber: Netflix gilt im Trump-Lager als liberal, globalistisch und „woke“. Darum wurde die Szene hellhörig, als sich Paramounts David Ellison mit seinem feindlichen Übernahme-Angebot ins Scheinwerferlicht schob und diesen Satz sagte: „Hollywood braucht Wettbewerb. Keine Daten-Monopole.“ Eine Kampfansage. Sein Unternehmen, zusammengekauft auch mit dem Geld von Papa Larry, pflegt seit Jahren enge Drähte ins republikanische Establishment. Ellison bemüht sich um taktische Zuversicht: „Übrigens haben wir mit dem Präsidenten großartige Gespräche darüber geführt“, sagte er, „aber ich denke, ich möchte in keiner Weise für ihn sprechen.“

Um Äquidistanz zu erlangen, verkündete Trump, weder Netflix noch Paramount seien „Freunde von mir“. Und mit seinem Schwiegersohn Jared habe er über die Angelegenheit kein Wort geredet. Was so gut wie niemand glaubt. Zu dem offensichtlichen Geschmäckle – Jared Kushner würde an einer der größten Medienübernahmen der Geschichte mitverdienen und wieder einmal würden bei Trump die Grenzen zwischen Staatsmacht und Familien-Clan-Vermögen verschwimmen – hat sich der Präsident bisher nicht geäußert.

Ethik-Anwälte in Washington sagen: „Wenn man an einer Business School eine Vorlesung über Interessenkonflikte halten würde, wäre dies ein Paradebeispiel.“ Trump müsse sich aus jeglicher Beteiligung an der Genehmigung des Deals zurückziehen.

Genau das wird er nicht tun. In Regierungskreisen heißt es offen, dass der Präsident die anstehende Kartellprüfung „persönlich begleiten“ wird. Ein Beamter sagt inoffiziell: „Der Präsident sieht hier eine Gelegenheit, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Netflix bremsen – und Freunde stärken.“

All das nährt die Nervosität. Ted Sarandos soll bereits scharf reagiert haben, berichteten Insider. „Wenn politische Loyalitäten entscheiden, wer Hollywood besitzt, haben wir ein anderes Problem als Marktwettbewerb.“ Öffentlich bleibt er vorsichtig: „Wir vertrauen auf ein faires Verfahren.“ 

Paramount argumentiert strategisch. Man wolle ein Gegengewicht zu Netflix schaffen. Ein Studionetzwerk mit Kino, Streaming, Sportrechten und Nachrichten. Gerade bei Letzteren geht es  um die Kontrolle über Geschichten und Bilder. Der liberal ausgerichtete Nachrichtensender CNN, der oft kritisch über Trump berichtet, ist dem Präsidenten ein Dorn im Auge. Sollte Paramount zum Zug kommen, wäre es Trump möglich, über Parteispender Ellison Einfluss auf den Sender zu nehmen, wird gemutmaßt.

Ellison verspricht: „Wir halten das Kino am Leben.“ 

Auch Warner-CEO David Zaslav ist kribbelig. Sein Favorit ist klar Netflix. Paramounts Vorstoß nennt er hinter verschlossenen Türen „destabilisierend“. Zaslav weiß: Je länger der Bieterkrieg dauert, desto größer wird die politische Einflussnahme.Dabei geht es nicht um irgendein Studio. Warner, über 100 Jahre alt, hat Klassiker am laufenden Band produziert („Casablanca“ „Shining“, „Dirty Harry“, „Blade Runner“, „Harry Potter“, „Herr der Ringe“, „Batman“ u. v. m.) und ist in diesem Jahr mit über 25 Prozent Marktanteil bei den US-Kino-Umsätzen Krösus. 

In Hollywood spricht man vom „politischsten Medien-Deal der US-Geschichte“. Am Ende wird formal die Kartellbehörde entscheiden. De facto geht es aber um die Kontrolle über Geschichten und Bilder. Und um die Frage: Wie viel Einfluss darf politische Macht auf wirtschaftliche Macht nehmen? Oder anders gesagt: Wem gehört Hollywood – dem Markt oder dem Präsidenten? Und wer macht sich bei diesem Milliardenpoker die Taschen voll?

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