Auto-Unfälle sind eine Frage der Zeit

Auto-Unfälle sind eine Frage der  Zeit
Autos, die Müdigkeit oder Alkoholatem des Fahrers erkennen und warnen: Die EU einigt sich auf 30 Maßnahmen für mehr Sicherheit. Ab 2022 sind sie für alle neuen Autos Pflicht.

Ihr Navigationsgerät ermahnt Sie, dass Sie zu schnell fahren? Dann könnten Sie den Hinweis ignorieren. In spätestens drei Jahren wird das nicht mehr so einfach sein: Dann nämlich wird ein „Intelligenter Geschwindigkeitsassistent“, der serienmäßig in allen Neuwagen eingebaut sein muss, den Fahrer über das Gaspedal spüren lassen, dass er die Geschwindigkeitsbeschränkung erreicht oder überschritten hat.

Dann werden Autos auch Schnittstellen für die rasche Installation von Alko-Locks haben müssen, die den Alkohol-Atem eines Fahrers erkennen – und im Fall einer Alkoholisierung nicht mehr anspringen. Und dann wird ein Fahrzeug auch kontrollieren, ob sich ein Fahrer vom Mobiltelefon oder sonst irgendetwas ablenken lässt – oder einfach müde ist.

Neun von zehn Unfällen auf Europas Straßen sind auf menschliche Fehler zurückzuführen. Also versucht die EU-Kommission, den menschlichen Faktor besser zu kontrollieren, indem sie an die 30 neuen Sicherheitsregeln auf den Weg brachte. Diese Hightech-Fahrhilfen müssen ab 2022 in alle neu entworfenen Fahrzeugtypen integriert, ab 2024 müssen alle Neuwagen damit ausgestattet werden. Darauf haben sich diese Woche die Unterhändler des EU-Parlaments und der EU-Staaten geeinigt.

Auto-Unfälle sind eine Frage der  Zeit

Blackbox für Kfz

Zu diesen obligatorischen Sicherheitssystemen zählen auch Datenrekorder für Unfälle (also eine Blackbox für Autos), Sensoren zu Rückwärtsfahren, Kameras, Spurhalte- und Notbremsassistenten und eine Fahrermüdigkeitserkennung.

Als besonders wichtige Maßnahme streicht Samuel Kenny neben dem künftig obligatorischen Abbiegeassistenten die „Direkte-Sicht-Vorgabe“ für Lkw hervor. „Fahrerkabinen müssen so gebaut werden, dass der Fahrer keinen toten Winkel mehr hat“, schildert der Sicherheitsexperte bei der Organisation „Transport & Environment“ in Brüssel dem KURIER. „Denn bei allem, was der Fahrer direkt, und nicht aus einem Spiegel, sieht, reagiert er um 0,7 Sekunden schneller. Das kann je nach Geschwindigkeit bis zu fünf Meter mehr Bremsweg sein. Und das macht oft den Unterschied, ob ein Radfahrer oder Fußgänger stirbt oder nicht.“

4000 Menschen sterben jährlich in der EU bei Unfällen mit Lkw – ein Viertel davon sind Radfahrer oder Fußgänger. Diese neuen Sicherheitssysteme, meint Kenny, „sind sehr gut. Sie können viele Leben retten.“

Friedrich Eppel, Technikexperte beim Verkehrsklub ÖAMTC, meint, dass nun zur Regel wird, was in vielen Fahrzeugen längst eingebaut ist – auch wenn das manche Autobesitzer nicht wissen (oder bedienen können). „Wir haben gemeinsam mit dem ADAC die ’Intelligenten Geschwindigkeitsassistenten’ im vergangenen Jahr getestet. Diese können einerseits über Satellit feststellen, auf welcher Straße ich mich befinde und welche Höchstgeschwindigkeit gilt, anderseits können sie auch Verkehrsschilder erkennen, etwa Limits bei Baustellen. Wir hatten allerdings eine durchschnittliche Fehlerquote von zehn Prozent, was eindeutig zu hoch ist“, erklärt Eppel. Grundsätzlich sei die Pflicht für all diese Sicherheitssysteme, von den Notbremsassistenten zu den Spurhalteassistenten aber zu begrüßen, sagt Eppel. „Wir gehen davon aus, dass Unfälle verhindert werden und Menschenleben gerettet werden.“

Der Experte gibt aber auch Entwarnung, der „Geschwindigkeitsassistent“ werde nicht grundsätzlich die Kontrolle über unsere Gaspedale übernehmen. „Die Einigung in Brüssel sieht vor, dass er in den ersten Jahren abschaltbar sein soll.“ Ob das einfach per Knopfdruck erledigt werden kann oder mühsamer in einem Untermenü im Bordcomputer, werde man erst sehen. „Aber bei jedem Auto-Neustart müsste er wieder aktiviert sein“, sagt Eppel.

Und wird der Vorschlag der Kommission dazu führen, dass neue Fahrzeuge teurer werden?

Nein, sagt die EU-Kommission: Nach deren Analyse hätte der Vorschlag keine oder nur geringfügige Auswirkungen auf den Preis von Neufahrzeugen. „Dagegen dürften die geretteten Leben und vermiedenen Verletzungen zu einem gesellschaftlichen Nutzen von schätzungsweise 73 Milliarden Euro führen“, rechnen die Beamten vor.

Alle Fragen und Antworten auf der Seite der EU-Kommission finden Sie hier.

Kommentare