Aufstieg und Fall der Familie Essl

Bitteres Ende einer Erfolgsgeschichte: Familienoberhaupt Karlheinz Essl, Frau Agnes, Sohn Martin.
Wie Karlheinz Essl einen Konzern aufbaute und warum er fast alles wieder verlor.

Natürlich geht es der Familie Essl derzeit nicht gut. Der bauMax-Konzern zerschlagen, die Mehrheit an der Kunstsammlung weg, die Zukunft des Museums ungewiss, die Reputation beim Teufel. Das kann selbst robuste Charaktere umhauen. Nicht jedoch die Essls und schon gar nicht Familienoberhaupt Karlheinz Essl. Auch wenn er vor den Trümmern seines Lebenswerkes steht – seine tiefe protestantische Gläubigkeit und eine starke Persönlichkeit lassen ihn nicht verbittert resignieren. "Das Leben muss weitergehen, wir müssen nach vorne schauen", signalisiert der 73-Jährige seiner Umgebung.

Demnächst wird das rot-gelbe bauMax-Logo von den Märkten abmontiert. Damit endet ein Kapitel österreichischer Wirtschaftsgeschichte. Geschrieben von einem Ausnahme-Unternehmer, der in atemberaubendem Tempo aus dem Baustoffhandel seines Schwiegervaters in Klosterneuburg bei Wien einen internationalen Konzern mit 9000 Mitarbeitern und 160 Filialen baute. Der mit seiner Frau Agnes die bedeutendste Sammlung zeitgenössischer Kunst in Österreich aufbaute und dem Engagement für die Schwachen der Gesellschaft ein ehrliches Anliegen ist.

Warum aber schaffte es Essl nicht, die Unternehmensgruppe zu halten? Warum musste die Erfolgsstory so traurig enden?

Darauf gibt es mehrere Antworten. Essl hatte das Pech, dass ihn mitten in einer zu ehrgeizigen, zu rasanten Expansion mit viel zu wenig Eigenkapital ab 2009 die Wirtschaftskrise voll erwischte.

In Österreich verdiente bauMax schon längst kein Geld mehr. Doch im Osten waren Gewinne zu holen. bauMax war eines der ersten westlichen Handelsunternehmen, das sich Richtung Osten wagte. Als sogenannter "first mover". "So lange man in einem Land die einzige Baumarkt-Kette war, verdiente man gut und konnte damit die anderen Länder mittragen. Aber sobald die Konkurrenz kam, war’s mit den Gewinnen vorbei", analysiert ein Brancheninsider.

Weil Konkurrenten wie Hornbach und Obi wesentlich produktiver arbeiteten. bauMax nutzte den Skaleneffekt zu wenig. Ab einer gewissen Größe im Handel muss möglichst viel standardisiert sein, vom Sortiment bis zur Dienstleistung. Das bringt enorme Vorteile bei Beschaffung, Kosten und Organisation. "Stattdessen war bei uns jeder Standort ein Einzelkunstwerk", erinnert sich ein Manager. Außerdem war das Sortiment zu klein. Zuletzt wagte sich bauMax auch noch in die Türkei.

Der Bekanntheitsgrad von bauMax war mit 90 Prozent freilich sensationell hoch. Nur, die Marke war nach außen ungleich stärker als das Unternehmen im Inneren.

In einer Krise geht Unternehmen mit dünner Kapitaldecke ganz schnell die Luft aus. Im Vorjahr stand die Gruppe schließlich bei insgesamt 42 Banken mit einer runden Milliarde Euro in der Kreide. Der Börsegang in den 1990er- Jahren, um frisches Geld für das ambitionierte Wachstum zu holen, war für die Aktionäre übrigens keine Erfolgsstory.

Eine der Antworten, warum bauMax von der Bildfläche verschwindet, liegt wohl auch in der Persönlichkeit des Gründers. "Solche Unternehmer können einen Konzern aufbauen, sie können ihn aber auch wieder ruinieren", meint ein ehemaliger Geschäftspartner. "Herr Professor Essl hat als Aufsichtsratsvorsitzender mit seinem Vorstand den Konzern gemanagt wie der Geschäftsführer einer GmbH mit Abteilungsleitern", erinnert sich ein Manager. Der Boss habe sich bis in die dritte und vierte Ebene hinunter eingemischt. Stundenlang sei über Regale und Schrauben diskutiert worden, aber ein Risikomanagement gab es nicht.Widerspruch duldete der Senior nicht. "Wenn ihm Zahlen nicht passten, dann haben sie halt nicht gestimmt. Dass die Mitbewerber besser waren, wollte er nie hören", erzählen Insider. Gingen die Emotionen hoch, konnte der Boss schon einmal recht laut werden und seine Mitarbeiter rüde abkanzeln.Im Verhandeln war Essl beinhart, bei Lieferanten ebenso wie gegenüber Galerien und Künstlern. Hätten Lieferanten und Partner abgesagt, wenn beispielsweise bei Veranstaltungen im Museum Tische zu kaufen waren, wäre das als zumindest "sehr unhöflich" angekommen. Als Sohn Martin 1999 den Vorstandsvorsitz übernahm, zog sich der Vater zwar an die Spitze des Aufsichtsrates zurück. Regierte aber trotzdem weiter. "Vati" schaffte am Wochenende an und der Junior musste umsetzen, auch wenn er manchmal anderer Meinung war. Typisch für starke Väter, die nicht loslassen können. Klar, dass der Sohn unter Druck stand. Bruder Karlheinz jun. ist Komponist, die drei Schwestern leben abseits der Öffentlichkeit.

Was den Eltern die Kunst bedeutet, ist für Martin Essl das soziale Engagement. "Der Junior hat Corporate Social Responsibility ins Unternehmen gebracht und vorbildlich umgesetzt", erzählen Insider. Während sich die meisten Firmen von der Pflicht, Behinderte einzustellen, freikaufen, stellte Martin Essl mehr als 260 gehandicapte Mitarbeiter ein.

Mit seiner Frau Gerda und den vier Kindern gründete er 2007 eine gemeinnützige Stiftung, die benachteiligte Menschen unterstützt. Ein Mal im Jahr wurde der mit einer Million Euro dotierte "Essl Social Prize" vergeben.

Nicht nur Karlheinz und Agnes Essl, die gesamte Familie lebt bescheiden. Keine Jachten, keine Privatjets, keine Luxusvillen, keine protzigen Autos. Die große Leidenschaft der Eltern ist zeitgenössische Kunst,sie begannen 1962 mit dem Aufbau der Sammlung.

Um bauMax zu retten, machten die Essls hohe Summen aus dem Privatvermögen locker. Zuletzt hatten die Banken auch die Hand auf der Kunst. Der Versuch, die Sammlung zum Buchwert von 86 Millionen Euro an die Republik Österreich zu verkaufen, scheiterte. Schließlich stieg der Bau-Industrielle und Kunstmäzen Hans Peter Haselsteiner zu 60 Prozent ein.

Essl senior, der täglich in der Bibel liest, hatte die Sammlung bereits 1995 dem Wiener MuseumsQuartier zur Ausstellung angeboten. Nach heftigen Querelen samt abschätzigen Kommentaren über die Qualität der Sammlung bauten die enttäuschten und gekränkten Essls in Klosterneuburg ihr eigenes Museum. Andere Sammler horten ihre Schätze, den Essls war es immer ein Anliegen, ihre Kunst der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Auch ein Beweis ihrer sozialen Verantwortung.

Fragt sich, wie es mit dem Museum weitergeht. Haselsteiners Privatstiftung will das sanierungsbedürftige Wiener Künstlerhaus finanzieren. Das Museum soll mit Leihgaben kooperieren, aber nicht auf den Karlsplatz übersiedeln, beteuerte Essl. In Klosterneuburg wird eifrig am Ausstellungsprogramm für 2016 gearbeitet.

Bleibt zu hoffen, dass die Familie den Kunstbetrieb halten kann. Von bauMax bleiben ihr nur noch die Zentrale und zwei Immobilien. Doch wie sagte Karlheinz Essl in einem KURIER-Interview? "Jeder muss einmal durch das Tal der Tränen gehen. Dadurch wächst man als Mensch auch wieder."

Aufbau 1959 heirateten Karlheinz Essl und Agnes Schömer. Der Schwiegervater übergab 1975 seinen Baustoffhandel. 1978 wird der erste bauMax eröffnet. 1983 ist bauMax bereits Marktführer in Österreich. 1992 Start in Tschechien und Ungarn. 1999 wird Sohn Martin Vorstandsvorsitzender, der Senior geht in den Aufsichtsrat. 2010 mit mehr als 9000 Mitarbeitern und 160 Standorten in neun Ländern präsent.

Abstieg 2011 hohe Verluste, 2013 knapp 190 Millionen minus. Die Essls schießen 40 Millionen aus ihrem Privatvermögen ein. Eine Milliarde Bankschulden, die Banken schicken Roland Berger für ein Sanierungsprogramm, Martin Essl wird 2014 als Vorstandschef abgelöst. Filialen in Rumänien und Bulgarien werden verkauft, Kroatien meldet Insolvenz an, in der Türkei und Ungarn wird geschlossen.

Zerschlagung Obi, Tochter des deutschen Tengelmann-Konzerns, will 49 der 65 Filialen in Österreich übernehmen und wird Marktführer. Ob andere Mitbewerber die restlichen Filialen übernehmen, ist noch offen. 1100 der 3700 Mitarbeiter in Österreich wurden vorsorglich beim AMS zur Kündigung angemeldet. Rund 500 Jobs hängen derzeit in der Luft. Ein Sozialplan wurde bereits ausgearbeitet.

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