Russischer Dünger: Abhängigkeit auch Problem für die EU

Durch die Trockenheit: Hopfenbauer wirbelt Staub auf
Kunstdünger entsteht aus Erdgas. Deutscher Bauernverband warnt vor Ertragsrückgängen von bis zu 40 Prozent.

Auf den Preisschock bei Getreide folgt der Preisschock bei Dünger: Der Krieg in der Ukraine hat auch die Abhängigkeit der europäischen Landwirtschaft deutlich gemacht. Denn Russland exportiert mehr Stickstoffdünger als jedes andere Land der Welt - und die russische Regierung hat die Hersteller bereits angewiesen, die Exporte auszusetzen.

Was ist Kunstdünger und was hat das mit Erdgas zu tun?

Neben organischen Düngemitteln wie Gülle, Jauche oder Kompost werden in der konventionellen Landwirtschaft meist mineralische Dünger eingesetzt. Die große Mehrheit der europäischen Landwirte nutzt sogenannte NPK-Dünger. Das N steht dabei für Stickstoff, das P für Phosphor und das K für Kalium. Stickstoffdünger wird aus Ammoniak hergestellt, der wiederum in einem CO2-intensiven Verfahren gewonnen wird, indem Stickstoff aus der Luft mit Wasserstoff kombiniert wird.

 

Dieser Wasserstoff stammt aus Erdgas. Knapp 80 Prozent der Herstellungskosten von Ammoniak entfallen auf Gas - die hohen Gaspreise wirken sich also direkt auf die Produktionskosten für Dünger aus.

Welche Rolle spielt Russland?

"2021 war die Russische Föderation der größte Exporteur von Stickstoffdünger", schreibt die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) in einem Bericht. Bei Kalium- und Phosphor-Dünger war Russland demnach der zweitgrößte Produzent.

Mehr als elf Millionen Tonnen Stickstoffdünger werden laut einem aktuellen Bericht der Grünen-Fraktion im Europaparlament jährlich auf europäischen Feldern verwendet. Laut Svein Tore Holsether, Vorstandschef des norwegischen Unternehmens Yara, das der weltweit größte Hersteller von mineralischem Stickstoffdünger ist, stammen 25 Prozent der in Europa genutzten NPK-Dünger aus Russland.

Wie ist die Lage am Markt?

Mit den Gaspreisen steigen auch die Preise für Dünger. Die Kosten für Harnstoff, ein wichtiges Düngemittel, haben sich laut der FAO in den vergangenen zwölf Monaten verdreifacht. Der Preisanstieg bei Gas hat die Kosten für eine Tonne Stickstoffdünger, die Ende Oktober noch bei rund 600 Euro lagen, auf 800 Euro steigen lassen.

Mit den steigenden Düngerkosten wachsen auch die Sorgen um die Versorgungssicherheit: In Osteuropa seien die Landwirte zwar noch für die Aussaat im Frühling eingedeckt, sagt Edward de Saint-Denis, Händler bei Plantureux et Associés, einem Handelsunternehmen für Agrarrohstoffe. Doch für das kommende Jahr stehen die Landwirte vor einem Problem. "Trotz der hohen Getreidepreise lohnt es sich einfach nicht, Dünger für 800 Euro pro Tonne zu kaufen", sagt Saint-Denis.

Wie steht es um die Versorgungssicherheit?

Zumindest kurzfristig ist die Versorgung mit Düngemitteln laut dem Deutschen Bauernverband gesichert - allerdings zu "exorbitanten Preisen". "Wenn sich die Situation aber nicht ändert, müssen wir uns für 2023 auf deutlich geringere Ernten einstellen", erklärt der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands (DBV), Bernhard Krüsken. Demnach könnte es 2023 zu Ertragsrückgängen von bis zu 40 Prozent kommen, wenn die Lieferengpässe bei Gas und Dünger auch über 2022 hinaus anhalten - "damit wäre auch die Versorgung von Deutschland mit ausreichend Getreide ernsthaft gefährdet", erklärt der DBV weiter.

Krüsken warnt: "Auch die Düngung ist systemrelevant". Bestehende Importbeschränkungen für Düngemittel müssten deshalb außer Kraft gesetzt werden, bis sich die Lage normalisiert habe.

Welche Alternativen gibt es?

Die EU wird sich, wie bei der Energie, alternative Quellen suchen müssen. 40 Prozent der Kaliumimporte der EU stammen beispielsweise aus Russland und Belarus. Alternativen wären Kanada, Israel oder Jordanien - voraussichtlich jedoch zu deutlich höheren Preisen.

Phosphat könnte zudem aus den Produktionsländern China, Marokko und den USA importiert werden. Dass diese Importe den aus Erdgas gewonnenen Stickstoffdünger ersetzen können, auf dem die hohen europäischen Ernteerträge beruhen, ist jedoch unwahrscheinlich, sagt die Agrar-Analystin der Beraterfirma Agritel, Isaure Perrot.

Laut Perrot werden echte Alternativen wohl erst dann aufgetan, wenn die Krise weiter anhält. Denkbar sei dann auch eine Umorientierung der europäischen Landwirtschaft hin zu Hülsenfrüchten, Sonnenblumen oder Soja - also Pflanzen die weniger Stickstoff benötigen als Weizen oder Mais.

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