"Es wird weiterhin Leuchttürme im ORF geben"

Dieses Sparpaket wird sichtbar“, sagt Kathrin Zechner. „Alles andere zu behaupten, wäre eine Realitätsverweigerung.“ Aber sie sagt auch: „Es wird weiterhin Leuchttürme im ORF geben.“ Die ORF-Fernsehdirektorin im großen KURIER-Interview – am Tag nach dem Stiftungsrat, bei dem es um Budgets und das Fernsehprogramm der Zukunft ging.
KURIER: Sie waren, ehe Sie wieder zum ORF wechselten, als Musical-Intendantin in der Kulturbranche. Diese gilt als besonders intrigant. Nun, nachdem Sie eineinhalb Jahre Fernsehdirektorin sind, drängt sich die Frage auf: Was ist schlimmer? Der ORF oder die Kultur?
Kathrin Zechner: Beide Branchen sind geprägt von starken Persönlichkeiten. Ich habe immer versucht, diesen auch Raum zu geben. Aber Intrige und Perfidie sind das Handwerk des Mittelmaßes und nicht das starker Persönlichkeiten.
Man hat, nach den Horrorszenarien, von denen zuletzt die Rede war, den Eindruck, dass der Stiftungsrat vergleichsweise unblutig ablief. Stimmt das?
Ja. Alle Direktoren waren hoch professionell vorbereitet. Und alle sind ihren Aufgaben nachgegangen, indem sie Leitlinien innerhalb des Finanzrahmens erstellt haben.
Alle ziehen an einem Strang und arbeiten nicht gegeneinander?
Wir haben im ORF ein sehr lebendiges, diskursives Direktoren-Modell, das auch in dieser schwierigen Phase gut funktioniert. Das haben wir schon zuletzt bei unserer Klausur gesehen.
Stichwort schwierige Zeiten: Es geht um ein Sparvolumen von 80 Millionen Euro – wenn es keine Gebührenrefundierung gibt. Wie soll das funktionieren?
Mein Bereich ist das Programm. Und da versuchen wir so wenig wie möglich zu sparen. Wir arbeiten jetzt noch am Fine-Tuning. Das Budget wird ja erst im November beschlossen, dann wird man alles genau wissen. Aber wir hoffen natürlich sehr auf die Gebührenrefundierung. Mir ist ganz wichtig, dass unsere Leuchtturm-Strategie weitergeht. Wir müssen unverwechselbar bleiben, mit Leuchttürmen in vielen Bereichen.

Unbedingt im Bereich der Information. Da berichtet der ORF umfassend, vielseitig und unabhängig. Da wird sicher nicht gespart werden. Dazu gehören auch die Magazine. Dann im Bereich der hochwertigen Dokus, von „Universum“ bis „Oberst Redl“. Da wird es auch viele neue Projekte geben. Im Bereich der österreichisch-koproduzierten Fiction, von „Braunschlag“ über „Copstories“ bis „Vier Frauen und ein Todesfall“, das auch weitergehen wird. Und dazu kommt die Verlässlichkeit im Bereich der Kultur. Da haben wir gerade mit der Staatsoper einen neuen Vierjahresvertrag über den Opernball und die Übertragung von sechs Aufführungen abgeschlossen.
Schon kommenden Donnerstag „Capriccio“ mit Renée Fleming, das fällt aber noch nicht in die neue Kooperation. Nächste Saison zeigen wir die Neuproduktion von Puccinis „La fanciulla del West“ mit Nina Stemme und Jonas Kaufmann. Und auch „Schwanensee“ werden wir übertragen.
Dafür soll die Sonntags-„Matinee“ eingestellt werden. Stimmt das?
Das muss leider sein, falls es nicht mehr Geld gibt. Wir können mit einem reduzierten Budget nicht so tun, als ob alles ginge. Aber wir denken natürlich über andere Formen nach. Und wir bleiben beim wöchentlichen Kulturmagazin am Montag und wollen auch den art.film und den dok.film forcieren.
Große Aufregung gibt es, weil der Bachmann-Preis eingestellt werden soll. Da geht es um 350.000 Euro. Die Literaturszene protestiert heftig.
Das wurde im Landesstudio Kärnten veranstaltet und ist Aufgabe der Landesdirektion. Da mische ich mich nicht ein.
Kulturell nicht ganz so relevant ist die Einstellung der Kochsendung von Andi und Alex. Kochen im TV ist angeblich sehr populär. Ist das nicht ein Fehler?
Kochen wird auch weiterhin im ORF vorkommen. Wir prüfen, in welcher Form.

Es wird eine Sendung pro Jahr weniger geben. Aber ein „Stadl“ aus Österreich ist dabei. Und wir planen auch einen „Stadl“ aus Indien.
Die
Schweiz ist bei „Wetten, dass ..?“ schon vor einiger Zeit ausgestiegen. Die Quoten werden immer schlechter. Wird der
ORF an Bord bleiben?
Wir haben mit dieser Sendung 600.000 bis 800.000 Seher im Samstag-Hauptabend. Das ist wunderbar. „Wetten, dass ..?“ ist ein Evergreen, wir bleiben dabei.
Kürzungen soll es beim Kinderprogramm geben. Was wird konkret gestrichen?
In der Früh gar nichts. Aber zu Mittag sind die Kinder in der Schule, oder sie nützen Online-Angebote. Wir wollen die Zusammenarbeit mit dem Kinderkanal forcieren. In ORF eins werden wir künftig zu Mittag junge US-Sitcoms spielen. Und in ORF 2 die ausgeweitete Infoschiene, die mittlerweile sehr gut funktioniert.
Nicht gut funktioniert haben Ihre Mittwochabend-Projekte, von denen einige gleich wieder eingestellt werden. Wird dieses Konzept mit riskanten Innovationen weitergehen?
Manche Dinge gelingen, andere nicht. Ich werde immer für Innovationen sein. Aber unter dem momentanen Sparbudget kann das am Mittwoch nicht so weitergehen. Die Finanzvorgaben liegen in Eigentümerhand.
Sie haben neue hochwertige Dokus erwähnt. Was kommt da?
Etwa eine mehrteilige Doku im Rahmen des Schwerpunktes zum
Ersten Weltkrieg: „Der taumelnde Kontinent“. Die basiert auf Philipp Bloms gleichnamigem Buch und beleuchtet in Zusammenarbeit mit dem ZDF die Jahre 1900 bis 1913. Es wird ein „Universum History“ über „Das Attentat“ in Sarajewo geben. Einen Film von Andreas Prochaska zu diesem Thema. Oder ein „Menschen und Mächte“ über „Die ungleichen Geschwister Deutschland und Österreich“.
Welche weiteren Neuerungen stehen schon fest?
Im Herbst startet die siebenteilige Serie „Janus“ mit Alexander Pschill als forensischem Psychologen und mit Franziska Weisz.
Die Filmwirtschaft hat schon mehrfach vor Kürzungen gewarnt. Ist das realistisch oder überzogen?
Österreich ist ein Filmland. Wir haben in dieser Frage einen Schulterschluss mit der Filmwirtschaft. Wenn wir aber nicht mehr Geld bekommen, werden wir Vorproduziertes abspielen müssen und nicht mehr so viel neu produzieren können.
Manche Produzenten beklagen sich, dass schon jetzt alles auf die lange Bank geschoben wird.
Produzenten, Regisseure und Schauspieler müssen ihre Projekte immer zentral im Visier haben, das liegt in der Natur der Sache. Aber die persönliche Wahrnehmung stimmt nicht immer mit der Realität überein.
Ihr Vertrag läuft bis 2016. Wo soll der
ORF dann stehen?
Ich werde mit meinem Team weiterhin alles daran setzen, ausschließlich Programm- und Publikums-orientiert Fernsehen zu machen. Wir brauchen einen starken, unabhängigen ORF. Und wir stehen im internationalen Vergleich sehr gut da.
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