Funke-Digital-Chef Thurm will das Feld nicht Springer überlassen

atmedia.at: Herr Thurm, Sie sind seit kurzem Digitalchef der Funke-Gruppe. Was ist dort Ihre erste Aufgabe?
Stephan Thurm: Wir sind derzeit dabei, eine Organisation aufzubauen. Es gab in der Funke-Gruppe bislang keine Gruppenorganisation für den Digital-Bereich. Wir werden also eine Plattform aufbauen und haben uns entschieden, dafür in Deutschlands Digital-Hauptstadt nach Berlin zu gehen. Darüber hinaus wollen wir damit signalisieren, dass Funke mehr ist als die gute alte
WAZ aus Essen. Der Springer-Deal hat die Funke-Gruppe in eine andere Umlaufbahn katapultiert. Da wollen wir auch digital einen entsprechenden Footprint hinterlassen. Diese Organisation wird zunächst etwa 20 bis 30 Personen umfassen.
atmedia.at: Was soll diese zentrale Digital-Organisation können?
Thurm: Die Funke-Gruppe besteht ja aus mehreren Verlagshäusern und diese neue Organisation arbeitet eben nicht nur für Essen sondern für alle Verlage der Gruppe. Wir verstehen uns da ganz klar als Dienstleister, aber auch als Motor der Entwicklung. Das Digital-Team wird verschiedenste Bereiche abdecken: Produktentwicklung für Nachrichten-Portale aber auch für den Zeitschriften-Bereich, wir werden den Vertrieb im e-Abo-Bereich unterstützen durch benchmarking, best practices, marketing-tools etcetera. Dann wollen wir im Sales-Bereich punkten - sowohl im Classified-Bereich als auch im Display-Bereich haben wir Aufholbedarf. Auch im regionalen Verkaufsbereich wollen wir die Verlage unterstützen. Als Gruppe können wir uns zudem Spezialisten leisten, die auch international scouten, was ein einzelner Verlag eben nicht könnte. Deren Input wollen wir dann wieder in die Gruppe weitergeben.
atmedia.at: Eine Achilles-Ferse bei der Zentralisierung ist häufig die Technik.
Thurm: Der Technik-Bereich wird sicher der größte sein. Hier ist Funke heterogen aufgestellt, jedes Haus hat sein System. Wir wollen das nicht abschalten, aber wir wollen mittelfristig eine Plattform aufbauen, die es allen ermöglicht, ihre Systeme darauf aufzusetzen. Das ist ein wenig vergleichbar mit der VW-Strategie: Da gibt es eine Plattform, mit der kann man einen Golf bauen, einen Skoda bis hin zum Audi. So ähnlich wollen wir das hier auch machen - also ganz unterschiedliche Produkte mit gleicher Technik unter der Haube.
atmedia.at: Die
WAZ war vor allem ein Print-Haus. Wie gehen Sie als Digitaler damit um?
Thurm: Mein Chef ist Thomas Ziegler, er ist erst seit zwei Jahren in der Medienbranche und sieht dieses Geschäft deshalb nicht durch eine gefärbte Brille, wie es oft bei typischen Medienleuten der Fall ist. Gerade was den Digital-Bereich betrifft, hat er einen sehr frischen Blick, weil er nicht so vorbelastet ist. Unser Credo ist: Wir müssen auf zwei Beinen stehen. Bei Print sind wir der Meinung, dass wir das besser können als alle anderen. Für die Phase der Konsolidierung sind wir als und durch die Gruppe gut vorbereitet.
Die zweite Säule ist Digital. Da sind wir nicht die Weltmeister, wir wollen das Feld aber nicht nur Springer überlassen. Wir verfolgen aber eine andere Strategie: Wir sehen uns vor allem als regionaler Anbieter. Das ist auch meine DNA und mein Background, den ich etwa durch meine Zeit im Vorarlberger Medienhaus (jetzt Russmedia) von Eugen Russ habe. Auch im Zeitschriften-Bereich sehen wir noch ein Feld für uns. Es ist hier aber jedem klar, dass das Geschäft sowohl eine Print- als auch eine digitale Säule hat. Da gibt es gute Vorarbeiten, aber das müssen wir noch weiter entwickeln.
atmedia.at: Ein Stichwort derzeit in allen Verlagshäuser ist New Business. Welche Strategie fährt da Funke?
Thurm: Für New Business gibt es bereits eine Organisation. Grundsätzlich gilt für Funke: Wir versuchen, unsere DNA in allen Bereichen wieder zu finden, in denen wir aktiv sind. Ich kann mir deshalb zum Beispiel nicht vorstellen, dass wir uns etwa im Gaming Bereich stark engagieren würden. Bei e-commerce gibt es hingegen bereits regionale Initiativen und auch im Gesundheitsbereich. Für uns ist darüber hinaus auch denkbar, dass wir in die Google-Vermarktung gehen. In Berlin und Hamburg sind wir überdies mit dem Verkauf von Web-Präsenzen recht erfolgreich. Wenn wir Bereiche entwickeln, dann machen wir das selbst, wir beteiligen uns an Unternehmen und wir kaufen auch Unternehmen in diesem Bereich. Aber diese müssen zu uns passen.
atmedia.at: Sind auch Startups ein Thema bzw. ist Funke im Venture-Capital-Bereich aktiv?
Thurm: Funke hat einen eigenen M&A-Bereich. Wir bekommen auch laufend Proposals auf den Tisch, die analysieren wir und das eine oder andere machen wir dann auch. Insbesondere im Bereich Mobile sehe ich derzeit einiges an interessanten Möglichkeiten.
atmedia.at: Es ist also Spielgeld vorhanden.
Thurm: Spielgeld würde ich nicht sagen. Aber es ist in jedem Fall genug Kapital vorhanden, um die digitale Säule aufzubauen. Es ist sogar ein besonderer Wunsch der Gesellschafter, hier verstärkt Gas zu geben. Wir wollen uns als Funke Digital öffnen und auch internationaler werden. Das ändert aber nichts daran, dass wir davon überzeugt sind, dass Funke am Printgeschäft noch viel länger Freude haben wird, als manch andere glauben.
atmedia.at: Ein Dauerthema bei allen Verlagen ist der Werbegeld-Abfluss aus Print zu und der Preisverfall bei Digital. Wird Digital jemals das kompensieren können, was in Print verloren geht?
Thurm: Durch organisches Wachstum wird das sehr schwer werden. Damit rechnet auch kein Medienhaus der Welt ernsthaft, dass man das Kerngeschäft eins zu eins ins Digitale migrieren kann. Da aber sein Bestes zu geben, ist die Pflicht. Die Kür daneben ist, etwas Neues aufzubauen.
atmedia.at: Es heißt häufig, dass der Nachrichten-Bereich letztendlich zum Sterben verurteilt ist, weil digital in anderen Bereichen wesentlich mehr verdient werden kann. Wie ist Ihre Sicht?
Thurm: Mein Herz hängt an den News und ich habe schon einiges in diesem Bereich gemacht, was funktioniert und auch neue Zielgruppen erschließt, so auch in Österreich. Das ist im Übrigen das eigentlich Interessante für ein Medienhaus, neue Zielgruppen zu erschließen, sei es durch neue Marken, die man positioniert oder auch aus der bestehenden Marke heraus. Da ist ja auch der Kurier ein schönes Beispiel mit seiner Vertikalisierungsstrategie, die sich in etwa mit freizeit.at, events.at usw. zeigt. Auf diese Art kann man sich auch durchaus zum nationalen Marktführer in bestimmten Bereichen entwickeln.
atmedia.at: Welche Rolle kann das Nachrichten-Geschäft digital noch spielen?
Thurm: Es wird jedenfalls weiterhin eine Rolle spielen. Allerdings wird man die Strukturen, wie man sie von Print gewohnt ist, nicht eins zu eins übertragen können. Man wird sich lösen müssen von den traditionellen Strukturen und von diesem Denken in Büchern und Rubriken. Das wird auch die Produktionsweise und den Umgang mit Ressourcen betreffen. Ich bin aber nach wie vor überzeugt, dass es einen Bedarf geben wird, auch wenn der News-Bereich nicht einfach zu finanzieren sein wird. Aber auch bei der gedruckten Zeitung war es im Grunde bisher nicht so, dass sie sich durch die News refinanziert hat. Da hatten beispielsweise Rubriken eine ganz große Bedeutung. Insofern gibt es durchaus Parallelen zwischen Print und Digital, die man nur sehen muss.
atmedia.at: Viele Zeitungen suchen Ihr Heil in unterschiedlichen Paid-Content-Strategien. Wie geht Funke an diese Sache heran?
Thurm: Paid Content ist natürlich auch ein Thema, mit dem wir uns intensiv beschäftigen. Da werden wir eine sehr differenzierte Strategie fahren, je nach regionaler Marktlage, d. h. wir werden auf einem umkämpften Markt wie jenem in Berlin anders agieren als etwa in Braunschweig. Es gibt vielversprechende Ansätze, wie wir auch bei den bisherigen Springer-Zeitungen sehen können, aber auch da wäre es falsch, ausschließlich darauf zu setzen. Wir glauben nicht, dass Paid Content das Geschäft der Zukunft komplett tragen wird, aber es wird eine Komponente sein. Ich komme ja von der Entwicklung her aus Vorarlberg und dort gibt es seit 15 Jahren eine Paid-Content-Strategie - die Vorarlberger Nachrichten war noch nie eine Minute im Internet gratis. Wir wollen auch bei Funke Inhalte nicht unbeschränkt verschenken, die Abonnenten sollen und müssen Vorteile haben.
atmedia.at: Ist es auf regionaler Ebene leichter, Paid Content umzusetzen? Der Wettbewerb ist geringer, auch ist exklusiver Content einfacher zu schöpfen...
Thurm: Das ist die Richtung, in die wir auch denken. Beispiele weltweit zeigen: Entweder gibt es ganz spezielle Inhalte wie jene der Stiftung Warentest oder des Wallstreet Journal. Oder man hat so eine Masse an Zugriffen wie etwa die Bild. Denen gelingt es zwar, einen nur geringen Anteil für ein Abo zu begeistern, aber bei der Menge reicht das dann auch schon wieder. Regional gibt es gute Chancen, weil wir da uniquen Content haben. Einige setzen auf das Freemium-Modell, das wir auch in Überlegung haben. Wir wollen uns jedenfalls nicht komplett vom Werbemarkt abschotten. Den sehen wir weiterhin als wesentliche Säule, wenngleich die Preise, die zu erzielen sind, gering sind. Klar ist aber: Wir wollen auch digital im Mediengeschäft bleiben.
atmedia.at: Wie wird das Verhältnis Funke Digital zur Mediaprint in Österreich?
Thurm: Ich bin Gast und besuche Wien zum Gedanken-Austausch. Es ist nicht daran gedacht, dass wir hier eine operative Rolle spielen.
atmedia.at: Danke für das Gespräch.
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