300 Stück "Charlie Hebdo" in Wien bereits vergriffen

Ein Kauf als Akt der Solidarität und Zeichen des Widerstands: Die aktuelle Ausgabe von Charlie Hebdo ist heiß begehrt. War ursprünglich eine Auflage von einer Million für die erste Ausgabe von nach dem Anschlag auf die Redaktion des Satiremagizins von vergangener Woche geplant, wurde die Auflage inzwischen auf fünf Millionen Stück erhöht.
Seit Samstag waren nun 300 Stück der Ausgabe mit dem weinenden Mohammed am Cover auch in Wien erhältlich. Die Hefte lagen in ausgewählten Buchhandlungen und an Bahnhöfen auf, waren jedoch nach nur wenigen Minuten vergriffen.
Reservierungen
Bei der Buchhandlung Morawa auf der Wiener Wollzeile gab es im Vorfeld mehr als 500 Reservierungen, man habe zunächst jedoch nur 70 Exemplare erhalten, sagte Filialleiter Jürgen Müllner am Samstag gegenüber der APA.

Es gebe viele An-und Nachfragen wegen des französischen Satiremagazins, und in der Zeitschriftenabteilung sei " Charlie Hebdo" im Moment "die Hauptsache". Schlangen hätten sich nicht gebildet, es sei eher ein ständiges Kommen und Gehen. "Die Schlange ist eher am Telefon", sagte Müllner. "Wir haben von andere Abteilungen Mitarbeiter in die Zeitschriftenabteilung umbesetzt, weil dauernd Anfragen sind."
"Zu wenige" "Charlie Hebdo"-Hefte waren am Samstag auch bei der Buchhandlung Thalia in der Landstraßer Hauptstraße verfügbar. Man habe maximal 20 Exemplare bekommen, die "drei Minuten nach Geschäftsöffnung" weg gewesen seien, sagte Filialleiterin Michaela Bokon.
Auch auf dem Wiener Hauptbahnhof war das Interesse "sehr, sehr groß", wie Maria Bartl von "Press & Books" erzählte. Alle 30 Exemplare, die man bekommen habe, seien jedoch bereits vorreserviert gewesen. Mittlerweile gebe es eine neue Liste, auf der bis 10.00 Uhr Reservierungen von insgesamt 85 Stück vermerkt worden seien.
Vergriffen
Auch in Deutschland war "Charlie Hebdo" heute erstmals erhältlich. Vor einer Buchhandlung im Berliner Hauptbahnhof warteten gegen 05.00 Uhr etwa 100 Menschen, um ein Heft zu kaufen. Doch lediglich die ersten beiden waren erfolgreich: Das Geschäft hatte nur zwei Exemplare geliefert bekommen.
Die Nachfrage nach der neuen "Charlie Hebdo"-Ausgabe reißt auch in Frankreich, wo das Heft bereits seit Mittwoch erhältlich ist, nicht ab. Vor den Anschlägen von Paris wurden 60.000 "Charlie Hebdo"-Hefte gedruckt.
In den Niederlanden war die Zeitschrift am Freitag nur wenige Minuten nach Öffnung der Geschäfte ausverkauft. Auch in Großbritannien war das Heft heiß begehrt, in London standen in der Nacht auf Freitag bereits ab Mitternacht Kunden an Verkaufsstellen an.
Die neue Ausgabe von Charlie Hebdo macht sich unter anderem über die islamistischen Terroristen lustig, die am vergangenen Mittwoch bei einem Angriff auf die Reaktion zwölf Menschen erschossen hatten.
- Im Leitartikel des Magazins schreibt man über die Vorbereitungen: "Seit einer Woche hat Charlie, eine atheistische Zeitung, mehr Wunder vollbracht, als alle Heiligen und Propheten zusammen".
- In einer anderen Karikatur fragen die von der Polizei getöteten Attentäter im Himmel nach Jungfrauen, die sie von Gott als Belohnung für ihren Terrorangriff erwarten. Die seien alle beim Team von Charlie, wird ihnen aus einer Wolke zugerufen, in der eine wilde Party steigt.
- Im Auslandsteil wird von dem verheerenden Boko-Haram-Massaker in Nigeria von vergangener Woche berichtet. Ein Dschihadist sagt: "2000 potenzielle Charlie-Abonnenten weniger".
- Auch die Solidaritätsbekundungen für die Toten von Charlie Hebdo werden aufs Korn genommen. Ein Bild zeigt die rechte Politikerin Marine Le Pen von der Front National und ihren berüchtigten Vater Jean-Marie Le Pen. Statt "Je suis Charlie" trägt Marine Le Pen ein Schild mit der Aufschrift "Ich bin begeistert". Ihr Vater, der Charlie Hebdo kritisiert hatte, hält hoch: "Ich bin Charlie Martel". Karl Martell, genannt "der Hammer", ist eine historische Figur. Er hatte 732 in der Schlacht von Tours und Poitiers die einfallenden Araber abgewehrt.
- Einer der Attentäter habe bei einem Pariser Entsorgungsbetrieb gearbeitet, steht über einer Zeichnung. Darin steht ein junger Mann vor zwei Mülltonnen. Auf einer steht "gut" auf der anderen: "böse". Er kratzt sich am Kopf und meint: "Das ist zu kompliziert."
Der Mann ähnelt den Kouachi-Brüdern, es wird aber im ganzen Heft vermieden, die Namen der Terroristen zu nennen. Sie wollten den Mördern in ihrem Heft keine Bühne geben, sagte der Karikaturist Luz bei der Pressekonferenz am Dienstag.
Das gesame Heft von "Charlie Hebdo Nr. 1187" ist unter diesem Link abrufbar.
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