Arbeitszeit: Viele Beschäftigte wollen mehr Freizeit statt mehr Lohn

Arbeitszeit: Viele Beschäftigte wollen mehr Freizeit statt mehr Lohn
Gewerkschaften beschäftigen sich bei Konferenz in Wien mit flexibleren Arbeistzeit-Modellen

Bei der Deutsche Bahn entschieden sich 56 Prozent der Beschäftigten für einen längeren Jahresurlaub statt einer Lohnerhöhung. Bei der Deutschen Post plädierten die Mitarbeiter für 102 Stunden zusätzlicher Freizeit statt drei Prozent mehr Geld und die Mitarbeiter des Schweizer Telekomunternehmens Swisscom verschmähten höhere Gehälter für fünf zusätzliche Weiterbildungstage pro Jahr. Auch in der österreichischen Elektro- und Elektronikindustrie können Vollzeitbeschäftigte die Gehaltserhöhung gegen fünf freie Stunden pro Monat eintauschen.

Die Wahl zwischen Einkommenszuwächsen oder mehr Freizeit ist ein Trend, der die Arbeitszeitpolitik massiv verändert. Die europäischen Dienstleistungsgewerkschaften (Handel, Banken, Post, Telekom, E-Wirtschaft, Tourismus) konferieren deshalb zwei Tage in Wien. Im Mittelpunkt stehen „innovative Arbeitszeitmodelle“.

„Wir wissen, dass Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung auch oft dem Wunsch von Beschäftigten entspricht“, sagt Barbara Teiber von der Gewerkschaft der Privatangestellten ( GPA). „Flexibilität darf aber keine Einbahnstraße allein zugunsten der Arbeitgeber sein.“ So haben die Gewerkschaften eine Studie in Auftrag gegeben.

„Sie zeigt eine Diskrepanz zwischen den Arbeitszeitwünschen und der tatsächlichen Arbeitszeit“, sagt der deutsche Studienautor Roland Schneider. So wollen 57 Prozent der Beschäftigten in der EU, die bis zu 47 Stunden in der Woche arbeiten, ihre Arbeitszeit eigentlich verkürzen. Bei Wochenarbeitszeiten von mehr als 48 Stunden sind es sogar 65 Prozent.

Mehr Autonomie

Im Gegensatz dazu möchten 42 Prozent der Teilzeitkräfte, die bis zu 20 Wochenstunden arbeiten, länger tätig sein. „Arbeitszeit soll nicht vom Arbeitgeber diktiert, sondern von den Sozialpartnern geregelt werden“, sagt Oliver Röthig vom Dachverband der europäischen Dienstleistungsgewerkschaften. Arbeitszeitautonomie heißt das gewerkschaftliche Zauberwort. „Wir werden auch ein Recht auf Konsumation von Freizeit in Blöcken fordern“, sagt Teiber. Indes wird die Einführung des 12-Stunden-Tages bzw. der 60-Stunden-Woche in Österreich ohne Einbindung der Sozialpartner von Röthig & Co. als schweres Foul angesehen. Die Gewerkschafter behaupten, das sei ein „Rückschritt ins 19. Jahrhundert“. Sie wollen nun ein Überschwappen auf andere EU-Länder verhindern.

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