Arbeitslosigkeit im März um elf Prozent angestiegen

Arbeitslosigkeit im März um elf Prozent angestiegen
AMS-Chef Johannes Kopf sieht eine "besonders schlechte Entwicklung". Größter Jobabbau in der Industrie und am Bau. Kritik von Opposition

Die Zahl der Arbeitslosen ist im März erstmals seit Monaten wieder zweistellig angestiegen. Inklusive Schulungsteilnehmer waren mit Monatsende 369.640 Personen beim Arbeitsmarktservice (AMS) vorgemerkt, um 11 Prozent oder fast 36.000 Personen mehr als vor einem Jahr. 291.468 davon waren direkt vorgemerkt, 78.172 Personen nahmen an AMS-Schulungen teil. 

AMS-Chef Johannes Kopf sieht "eine besonders schlechte Entwicklung, zumal der Stichtag noch dazu heuer auf den an sich für die Beschäftigung günstigen Ostersonntag fiel." 

Österreich noch immer deutlich in der Rezession

Österreich befinde sich offenbar noch immer deutlich in der Rezession, so der Fachmann. "Anders als vor einem Jahr, als uns die Prognosen nur einen kurzen Konjunktureinbruch vorhersagten, glaube ich auch nicht mehr an eine rasche Erholung im Sinn eines baldigen Sinkens der Arbeitslosigkeit in Österreich." Firmen hätten aufgrund der hierzulande hohen Inflation nicht nur Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt, sondern auch noch personelle Überkapazitäten. "Selbst wenn das Wachstum wieder kommt, wird die Arbeitslosigkeit wohl erst verspätet sinken", analysiert Kopf.

Stärkster Anstieg in der Industrie und am Bau

Am stärksten war der Anstieg - ohne Schulungsteilnehmer - am Bau (+21,7 Prozent) sowie in der Industrie (+20,3 Prozent), Männer waren demnach weit stärker betroffen als Frauen, Jüngere stärker als Ältere. 

"Im Vergleich zu den Jahren vor Ausbruch der Covid-Pandemie ist das ein niedriger Wert", kommentierte Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) die neuesten Arbeitsmarktdaten. "Die aktuell etwas höhere Arbeitslosigkeit als im März 2023 ist vor allem ein Resultat des wirtschaftlich herausfordernden Umfelds."

Kocher: Nach wie vor hohe Dynamik am Arbeitsmarkt

Die Arbeitslosenquote lag im Vergleichsmonat 2019, vor Ausbruch der Corona-Pandemie, bei 7,5 Prozent. 2020 waren es 12,3 Prozent, 2021 bei 9,3 Prozent, 2022 6,3 und vor einem Jahr 6,2 Prozent. Es zeige sich aktuell "nach wie vor eine relativ hohe Dynamik in Bereichen des österreichischen Arbeitsmarkts", so Kocher. Bereiche wie der Bau oder der Handel haben diese Dynamik derzeit beispielsweise nicht so sehr.

AK besorgt über Anstieg der Langzeitbeschäftigungslosigkeit

Die Arbeiterkammer (AK) verwies auf eine wieder ansteigende Langzeitbeschäftigungslosigkeit. Menschen mit gesundheitlichen Problemen und Ältere seien hiervon besonders betroffen. Zudem würden finanzielle Schwierigkeiten von Haushalten, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, zunehmen. "Arbeitslosigkeit darf keinesfalls zu Armut führen", so AK-Chefin Renate Anderl. "Das bereits jetzt schlechte Verhältnis zwischen Arbeitslosengeld und vorangegangenem Einkommen, die fehlende Angleichung an die Teuerung und die völlige Entwertung der Familienzuschläge, die seit 2001 nicht mehr angepasst wurden, erhöhen im Falle des Jobverlusts massiv die Armutsgefährdung."

Beim Positiven verwies Kocher hingegen vor allem auf ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab 60 Jahre. In dieser Gruppe habe es zuletzt im Jahresvergleich einen Beschäftigungszuwachs von rund 9 Prozent (oder 14.844 Personen) auf 181.546 Menschen gegeben.

Kritik von Opposition

Die beiden großen Oppositionsparteien SPÖ und FPÖ  übten wegen der überraschend stark gestiegenen Arbeitslosenzahlen massive Kritik an der türkis-grünen Bundesregierung. Aus Sicht der Sozialdemokraten herrsche Untätigkeit, so Sozialsprecher und FSG-Chef Josef Muchitsch. Die Freiheitlichen sehen im zuständigen Arbeits- und Wirtschaftsminister einen "Schwadroneur", so Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch.   "ÖVP-Arbeitsminister Kocher ist lediglich ein neoliberaler Schwadroneur ohne echten und ehrlichen Gestaltungswillen", teilte Belakowitsch aus.

 Muchitsch nahm den Ball einer Aussage von AMS-Chef Johannes Kopf auf, wonach es eine "besonders schlechte Entwicklung" gebe und heimische Unternehmen "aufgrund der hohen Inflation Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt" hätten. Muchitsch: "Den Preis für Untätigkeit der Regierung gegen die Rekordteuerung zahlen jetzt alle doppelt und dreifach in Form von Rekordpreisen, Rezession und Arbeitslosigkeit."

"Irgendetwas stimmt hier nicht", kommentierte auch ÖGB-Geschäftsführerin Ingrid Reischl. "Die Arbeitslosigkeit in Österreich steigt weiter und gleichzeitig verlangt die Wirtschaft nach immer mehr Fachkräften aus Drittstaaten." Etwa im Tourismus brauche es schlicht bessere Arbeitsbedingungen, es werde dort nicht umsonst so oft nach Personal gesucht, verwies sie auch auf kürzliche Kontrollen in Skigebieten, bei denen Verstöße wie etwa illegale Beschäftigung aufgedeckt wurden

Nach wie vor hohe Arbeitskräfte-Nachfrage

Die Zahl der beim AMS gemeldeten sofort verfügbaren offenen Stellen ist im Jahresabstand um 18 Prozent auf 91.000 zurückgegangen. In den Sektoren mit hohen Fachkräftebedarf ist die Nachfrage aber nach wie vor hoch, wie die monatliche Zählung des ÖVP-Wirtschaftsbundes zeigt. Demnach gab es im März 184.811 unbesetzte Jobs. 

Laut dem Fachkräftebarometer des Arbeitsministeriums und des AMS sind etwa im Bereich Elektroinstallation gut 3.200 Stellen offen und gut 2.000 Jobs als Köchin oder Koch. Eine Linderung soll insgesamt und in speziellen Bereichen eine Verstärkung der Arbeitsbewilligungen über Rot-Weiß-Rot-Karten erfolgen.

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