55 Milliarden als Reserve für Bank-Pleiten
Bald müssen Steuerzahler nicht mehr die Rechnung für Bankenkrisen zahelen. Die EU-Finanzminister haben sich auf neue Regeln zur Schließung von Krisenbanken geeinigt. Der Beschluss sieht neben einem Mechanismus zur Abwicklung von Banken auch einen europäischen Abwicklungsfonds vor. Das Europaparlament muss allerdings noch zustimmen (siehe unten).
Sparguthaben bis 100.000 Euro geschützt
55-Milliarden-Euro-Topf
Kernstück der neuen Bankenabwicklung ist ein gemeinsamer Topf, der am Ende bis zu 55 Milliarden Euro umfassen soll. Dieser wird über zehn Jahre hinweg mit Bankengeldern aufgebaut. In der Aufbauphase könne er auch Kredite aufnehmen, falls er klamm sei, so Teilnehmer. Das gepumpte Geld müsse aber letztlich von den Banken nachbezahlt werden. Ob und wie eine Bank abgewickelt wird, entscheidet ein neues Gremium, dem Vertreter der Mitgliedsstaaten angehören. Die EU-Kommission hat ein Veto-Recht.
Das neue System zur Bankenabwicklung wird von 2016 an kommen und ist neben der europäischen Bankenaufsicht die zweite Säule der europäischen Bankenunion. Der Einigung waren monatelange Verhandlungen vorausgegangen, die nun in einer zweitägigen Marathonsitzung endeten.
Worum geht es?
Es geht um die Lehre aus der Finanz- und Schuldenkrise. Künftig sollen Banken nicht mehr ungehindert faule Kredite anhäufen und somit das Finanzsystem ins Wanken bringen können. Künftig sollen zunächst Inhaber, Gläubiger und Großanleger zur Kasse gebeten werden. Die Kosten werden aus einem durch die Banken gespeisten Gemeinschaftsfonds gedeckt.
Wer entscheidet über die
Abwicklung einer Bank?
Dafür wird eine Abwicklungsagentur geschaffen, deren Gremium mit Vertretern der Mitgliedstaaten besetzt wird. Die Agentur soll im Notfall innerhalb eines Wochenendes über die Auflösung einer Bank entscheiden und diese dann überwachen. Die EU-Kommission hat ein Veto-Recht.
Welche Banken werden erfasst?
Die besonders großen und grenzüberschreitend tätigen Institute, also mehrere hundert Banken, sollen direkt unter das neue Regelwerk fallen. Die anderen Banken können im Ernstfall von nationalen Behörden abgewickelt werden, allerdings nach einheitlichen Regeln.
Wie wird der
Fonds aufgebaut?
Einzahlen müssen die Banken selbst, um die Kosten einer Abwicklung zu tragen. Angepeilt sind rund 55 Milliarden Euro innerhalb von zehn Jahren. Anfangs ist der europäische Fonds noch in nationale Kammern aufgeteilt, die jährlich immer stärker miteinander verschmelzen, bis am Ende ein komplett gemeinsamer Notfalltopf entstanden ist.
Und wenn der
Fonds nicht ausreicht?
Dafür werden finanzielle Absicherungen geschaffen. In der zehnjährigen Aufbauphase des Abwicklungsfonds sollen diese aus nationalen Mitteln oder dem Euro-Rettungsfonds ESM kommen. Ist der Abwicklungsfonds nach zehn Jahren aufgebaut, soll er sich auch Geld leihen können. Hier müssen die Einzelheiten aber noch geklärt werden.
Ab wann gilt das Abwicklungsregime?
Vollkommen zur Anwendung kommen sollen die neuen Regeln zu Jahresbeginn 2016. Das ist ein Jahr später als ursprünglich geplant. Dafür kommt zeitgleich die eigentlich erst für 2018 vorgesehene Haftungskaskade, wonach bei Bankenpleiten in der Regel zunächst Inhaber, Gläubiger und reiche Anleger einspringen anstatt wie bisher die Steuerzahler.
Gibt es noch eine Hürde?
Ja. Die ausstehenden Verhandlungen mit dem Europaparlament. Nach einer Positionsbestimmung des Wirtschaftsausschusses des Parlaments sprach der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold am Dienstag von einem "Kollisionskurs" zwischen Parlament und Mitgliedstaaten. Schäuble mahnte die Abgeordneten: "Wir brauchen diese Einigung schnell" (siehe Reaktionen).
Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hat die Einigung der EU-Staaten auf die Regeln zur Abwicklung von Krisenbanken begrüßt: "Das ist ein guter Tag. Damit können wir sagen, wir haben dieses Jahr diese Arbeit getan." Die Minister hatten von den EU-Staats- und Regierungschefs den Auftrag, eine Einigung bis zum Dezember-Gipfel zu erzielen, der heute Nachmittag beginnt. Denn nur so bleibt ausreichend Zeit, bis zur Europawahl im Mai auch noch eine Einigung mit dem EU-Parlament zu erzielen. Schäuble dazu: "Wir brauchen diese Einigung schnell, damit wir den weiteren Schritt zur Stabilisierung der europäischen Währung und zur weiteren Sicherung der Finanzmärkte zustande bringen."
Der zuständige EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier sprach von einer "revolutionären Veränderung" für den europäischen Bankensektor. Steuerzahler würden in Zukunft nicht mehr die Rechnung für Bankenkrisen zahlen müssen. Zudem schaffe die Regelung "langfristige Stabilität" im Finanzsektor, und dies sei auch wichtig für die gesamte Wirtschaft, die auf gesunde Kreditinstitute als Geldgeber angewiesen sei.
Die Einigung habe eine "historische Reichweite", sagte der französische Finanzminister Pierre Moscovici. Sie sei "gut für die Bürger und gut für die Finanzstabilität" und diene dazu, "den Teufelskreis" aus Bankenkrisen und dadurch verursachten staatlichen Schuldenkrisen zu durchbrechen. Für Frankreich sei es "ein entscheidender Punkt" gewesen, dass ein gemeinsamer europäischer Abwicklungsfonds eingerichtet werde.
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