Rückschlag auf der Gold-Mission

Jewgeni Pluschenko musste aufgeben, von den Eishockeyspielern wird der Olympiasieg erwartet.

Was mag sich am Donnerstag wohl Maxim Kowtun gedacht haben? Jener 18-jährige Eiskunstläufer, der zugunsten des großen Eis-Zaren Jewgeni Pluschenko hatte zurückstecken müssen? Jenes Talent, das trotz gewonnener nationaler Meisterschaft den russischen Quotenplatz nicht bekam? Jener junge Mann, der zusehen musste, wie der Startplatz, der seiner hätte sein können, ungenutzt blieb?

Wahrscheinlich hat Kowtun schon erfreulichere Tage erlebt. Wie die gesamte russische Sportwelt.

Eiskunstlauf-Star Pluschenko sorgte am Donnerstagabend für lange Gesichter, als der Olympiasieger von 2006 vor seinem Kurzprogramm in der ausverkauften Eisberg-Arena zum Richtertisch schlitterte und seinen Rückzug bekannt gab. Nicht nur vom Olympia-Bewerb, sondern gleich vom Profisport. "Gott sagte mir, ich muss aufhören", ließ Pluschenko wissen. Seine Aufgabe hatte aber wohl auch mit dem Sturz beim Aufwärmen und den altbekannten Rückenproblemen zu tun.

Abgesang

"Eine große Karriere endet mit einer wahrlich menschlichen Tragödie", titelte Sowjetski Sport. "Pluschenko hatte keine Chance, sich aus diesem Abenteuer zurückzuziehen. Schließlich wollten wir alle ein weiteres Wunder sehen", beschrieb Sport Express den Druck, der auf dem 31-Jährigen lastete, der von Präsident Putin zu einem der Gesichter der Olympischen Spiele aufgebaut worden war. Persönlich soll ihn der Staatsmann gebeten haben, bei den Heimspielen die Medaillenjagd doch noch ein wenig fortzusetzen.

Und nun trägt der russische Sport-Staat also Trauer. Auch Gold im neuen Teambewerb wird nicht über die Tatsache hinwegtrösten können, dass man erstmals seit 1984 bei Olympia ohne Herren-Medaille bleibt.

Pluschenko ist nicht der einzige prominente Botschafter der Winterspiele in Sotschi: Auch das russische Eishockeyteam kann sich nicht über zu wenig Aufmerksamkeit beklagen. Über zu wenig Druck auch nicht. "Unsere Mission ist es, die Goldmedaille zu gewinnen", gibt Superstar Alexander Owetschkin von den Washington Capitals die Marschrichtung vor.

Alles andere als der Olympiasieg scheint für den amtierenden NHL-Torschützenkönig mit der markanten Zahnlücke und dem schiefen Gesicht keine Option. Auch die Medien fordern von "Zar Alexander und seiner Roten Armee" nicht weniger als den Turniersieg. Für die Sbornaja geht es darum, die Schmach von Vancouver vergessen zu machen. Im Viertelfinale setzte es vor vier Jahren eine bittere 3:7-Niederlage gegen Kanada. Owetschkin, der gerne erzählt, er hätte Putins Privatnummer, nennt das Debakel einen "Schlag gegen ganz Russland".

Mit dem Vorrundenspiel gegen die USA am Samstag (13.30 Uhr MEZ) erreicht die Eishockey-Mania bei den Gastgebern ihren vorläufigen Höhepunkt. Auch dieses brisante Duell steht unter dem Motto "Revanche". Vor einem Jahr setzte es für Owetschkin und Kollegen ein bitteres 3:8 bei der WM. Und dann wäre da ja noch das legendäre Debakel beim "Miracle on Ice", als Russland bei Olympia 1980 gegen eine US-Amateurauswahl verlor.

Nationalstolz

Glanzleistungen fordern die Russen auch von ihren Biathleten. Wenn die Damen und Herren mit den Gewehren laufen, kennt der Jubel keine Grenzen. So geschehen, als Jewgeni Garanitschew Bronze über 20 Kilometer holte.

Der russische Nationalstolz ist dieser Tage allgegenwärtig. Wo immer ein Landsmann am Werk ist, wird stolz Flagge gezeigt. Und sogar wenn keine Russen dabei sind, kann ein "Rossija, Rossija" im Chor nicht schaden. Es passt zurzeit schließlich immer.

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