Empörung nach zu viel Heimvorteil
Die russische Freude kannte keine Grenzen. Standing Ovations in der Eishalle, Gratulationen vom Kollegen und Eiskönig Jewgeni Pluschenko und offizielles Lob von Präsident Putin. "Ganz Russland ist stolz auf dich", sagte das Staatsoberhaupt nach der Goldmedaille von Adelina Sotnikowa am Donnerstagabend.
Die 17-Jährige hatte den Gastgebern das erste Damen-Gold beschert, die dritte Medaille in der für Russland so wichtigen Traditionssportart. Nach der verletzungsbedingten Aufgabe von Jewgenij Pluschenko und dem frühen Ausscheiden des Eishockey-Teams gegen Finnland schien das Olympia-Märchen doch noch Richtung Happy End zu steuern.
Wären da nicht die lautstarken kritischen Stimmen, die die russische Euphorie stören würden.
Überbewertet
Sotnikowas Kür war von den Preisrichtern auffällig gut bewertet worden. Mit 224,59 Punkten siegte sie vor der fehlerfreien Titelverteidigerin Kim Yu-Na (219,11) aus Südkorea, die viele Experten vorne gesehen hatten.
Auch Katarina Witt, die ihrem Ärger freien Lauf ließ: "Ich war komplett fassungslos und sauer auf unseren Sport, da muss man sich nicht wundern, wenn die Leute abdrehen", sagte die vierfache Weltmeisterin und Olympiasiegerin von 1984 und 1988 aus Deutschland. "Skandal – die Punktrichter haben Russland das erste Einzelgold geschenkt", schreibt die französische Sportzeitung L’Équipe.
Besonders groß war die Empörung in Südkorea, der Heimat der Zweitplatzierten Kim. Eine Petition, in der die Preisrichter aufgefordert werden, die Benotung zu korrigieren, wurde innerhalb von sechs Stunden mehr als 700.000 Mal unterzeichnet. Wie viele Kollegen fordert Witt nun die Anonymität der Jury aufzuheben, die nach dem Paarlauf-Skandal von Salt Lake City 2002 eingeführt worden war, um die Entscheidungsträger zu schützen. Damals hatte es nach versuchten Absprachen zwei Olympiasieger gegeben.
An der Entscheidung wird sich aber nichts mehr ändern: "Die Wertung ist unantastbar, sie ist wie eine Tatsachenentscheidung nicht anfechtbar", sagte ISU-Eventmanager Peter Krick. Intern werden zwei Preisrichter die Wertung der Jury analysieren und einen Bericht abliefern. Das wird die entthronte Olympiasiegerin Kim und die erboste Eiskunstlauf-Welt wohl wenig trösten.
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