Von Wissensvermittlung bis zur Kinderdisco

Lernhaus Kinder auf Ausflug beim EVN Kraftwerk
Ausflug der begeistert: Die Kinder des Lernhauses Tulln eroberten das EVN-Kraftwerk Theiß.

Am 16. Juni 2025 war es endlich soweit: Acht Kinder des Lernhauses Tulln mit ihren vier Rotkreuz-Betreuerrinnen und Betreuern, zwei Fahrern und zwei Kolleginnen, die derzeit im Roten Kreuz das Freiwillige Sozialjahr absolvieren, unternahmen einen spannenden Ausflug zum EVN-Kraftwerk Theiß in Gedersdorf, NÖ. Ein Erlebnis, das nicht nur Wissen vermittelte, sondern auch für strahlende Augen, viele Fragen und ganz viel Bewegung sorgte. Einige Kinder kannten das Kraftwerk bereits von früheren Führungen bzw. auch von einer Lesenacht mit der Schule, doch das tat der Begeisterung keinen Abbruch – im Gegenteil: Viele freuten sich, erneut in die Welt der Energieerzeugung einzutauchen. Dank zweier geliehener Mannschaftstransporter des Roten Kreuzes konnte die An- und Abreise ohne zusätzliche Kosten, bequem und sicher erfolgen. Gestartet wurde am Nachmittag gegen 14:00 Uhr. Nach einer richtig netten Begrüßung der Kids, erhielten diese eine nicht nur spannende, sondern vor allem kindgerechte Einführung in die Welt des Kraftwerks – unterstützt von beeindruckenden Bildern, die die Funktionsweise der verschiedenen Anlagen verständlich machten. 

Wer Nahrung fürs Hirn bekommt, braucht aber zwischendurch auch eine Stärkung für den Köper. Natürlich war auch dafür vorgesorgt und zwischendurch erwartete die Lernhaus-Kinder eine kleine Jause, bei der die Kinder gemütlich im Grünen sitzen. Das nahegelegene Hasengehege wurde natürlich sofort erspäht und sorgte für ein kleines, aber unerwartetes Highlight für die Tierfreunde unter ihnen. 

Wie entsteht Strom? 

Anschließend ging es in kleinen Gruppen auf einen Rundgang quer durch das Kraftwerk, wo die Kids nicht nur sehen, sondern vor allem kindgerechte Einführung in die Welt des Kraftwerks – untern auch begreifen durften, was denn in so einem Gebäude so alles zu finden ist: Die riesige Turbine mit dem Spitznamen „Cordula“ wurde ebenso bestaunt, wie die beeindruckenden 45 Kilogramm schweren Schrauben, die für die Montage verwendet werden, und die imposanten Schaufelräder, die die Energie in Bewegung versetzen. Auch Sicherheitsaspekte wie das Tragen von Westen wurden den Kindern anschaulich erklärt. 

Ein Mitmach-Highlight: Selbst am Ergometer Strom erzeugen!

Ein Mitmach-Highlight: Selbst am Ergometer Strom erzeugen!

Ein besonderes Erlebnis war mit Sicherheit die Mitmachstation, an der die Kinder mit Hilfe von Ergometern selbst Strom erzeugen durften – da kann man dann so richtig erleben, welche Anstrengung eigentlich dahintersteckt. Strom kommt eben doch nicht einfach nur aus der Steckdose … Dabei galt es, kleine Autos einer Spielautobahn zum Fahren zu bringen. Aber nicht nur die Energie, auch die Neugier der Kids war ungebremst und Fragen wie „Woher kommt das Erdgas?“ oder „Kann die Turbine explodieren?“ wurden mit Geduld und auf Augenhöhe beantwortet.

"Abrocken“ zum Abschluss

Aber auch Strom zu „produzieren“ konnte die Kinder nicht bremsen. Während im Vortragssaal dann noch eine Kinderdisco vorbereitet wurde, durften die Kids in der Spielecke mit riesigen Bausteinen toben und kreativ sein. Der Abschluss des Tages war dann ebenso energiegeladen wie informativ: Bei Musik wurde getanzt, gelacht und der Bewegungstrieb ausgelebt. Das Fazit? Strahlende, erschöpfte Kinder und Rückmeldungen wie: „Kommen wir nächstes Jahr wieder her?“, „Ich dachte nicht, dass Schrauben so schwer sein können!“ oder „Vielleicht kann die Mama auch so ein Fahrrad kaufen, damit wir daheim Strom machen können!“ sprechen wohl für sich. Ein rundum gelungener Tag – voller Freude, Neugier und wertvoller Eindrücke 

Bildung mit Herz 

Erlebnisse wie dieser Ausflug sind keine Ausnahme, sondern Teil eines einzigartigen Konzepts: Seit 2013 engagiert sich das Rote Kreuz Niederösterreich in Zusammenarbeit mit KURIER Aid Austria mit den Lernhäusern für Kinder, die schulische Unterstützung brauchen, deren Familien sich jedoch keine Nachhilfe leisten können. Das erste Lernhaus wurde in Neunkirchen in Kooperation mit KURIER Aid Austria gegründet. Mittlerweile gibt es sechs Standorte: Neunkirchen, Tulln, Gänserndorf, Bruck, Herzogenburg und Mödling. Einige der Lernhäuser nehmen am Projekt „weiterlernen 2024–2026“ teil, und die dort angebotene Lernbegleitung wird zum Teil vom BMFWF finanziert und der EU kofinanziert. 

Ziel der Lernhäuser ist es, Interesse an Bildung zu wecken, Selbstbewusstsein aufzubauen und Chancengleichheit zu fördern. Es geht aber bei weitem nicht nur darum, Hausübungen oder Lernstoff durchzugehen – es geht vielmehr auch darum, Kinder zu motivieren, zu stärken und ihnen das Werkzeug mitzugeben, ihren Bildungsweg selbstbewusst zu gehen. 
Insgesamt 106 Kinder werden aktuell in Niederösterreich betreut. Die Auswahl der Kinder, die im Lernhaus angemeldet werden, erfolgt in enger Zusammenarbeit mit den örtlichen Schulen. Untergebracht sind die Lernhäuser in entsprechenden Räumlichkeiten der Schulen (Klassenzimmer oder z. B. einer aufgelassenen Schulwartswohnung) oder der Gemeinde. 

Gut sichtbar unterwegs: Die Gruppe erkundet das Kraftwerksgelände.

Gut sichtbar unterwegs: Die Gruppe erkundet das Kraftwerksgelände.

Sozialpädagogisches Erfolgsmodell

 Die Lernhäuser richten sich an Kinder, die schulische Unterstützung benötigen, jedoch keine finanziellen Mittel für professionelle Nachhilfe haben. Die Lernhäuser des Roten Kreuzes verfolgen einen ganzheitlichen sozialpädagogischen Ansatz, bei dem das Kind mit all seinen individuellen Bedürfnissen im Mittelpunkt steht. Ziel ist es, Freude am Lernen zu wecken, Selbstvertrauen aufzubauen und Eigenverantwortung zu fördern. Durch kleine Erfolgserlebnisse – sei es eine gelöste Rechenaufgabe oder ein positives Feedback zur Hausübung – erleben die Kinder ihre eigene Wirksamkeit. Das stärkt nicht nur ihre schulischen Leistungen, sondern wirkt sich positiv auf ihre gesamte Persönlichkeitsentwicklung aus. 

Von 2013- 2024 konnten bereits 1.101 Kinder (inkl. Mehrfachzählungen) durch das kostenlose Lernförderangebot der Lernhäuser in NÖ unterstützt werden. Das Angebot wird in weiten Zügen durch hauptberufliches Rotkreuz-Personal – alle mit pädagogischer Ausbildung – durchgeführt, aber auch die ehrenamtliche Leistung stellt einen wichtigen Anteil dar. So wurden allein in diesem Bereich von 2013-2024 18.412,5 freiwillige Stunden und 66.731 Stunden durch Hauptberufliche – unterstützt von Teilnehmenden des Freiwilligen Sozialjahres – erbracht, um Kinder beim Lernen zu unterstützen.

Gemeinschaft erleben

Ein Lernhaus ist nicht nur ein Ort der Bildung, sondern auch ein Raum für Begegnung, Spiel und gemeinsames Erleben. Neben der Lernbetreuung gibt es regelmäßige Ausflüge, gemeinsames Eisessen oder Besuche bei Einsatzorganisationen. Dabei werden soziale Kompetenzen geschult, regionale Verbindungen gestärkt und neue Perspektiven eröffnet. Die Betreuerinnen und Betreuer schaffen ein Umfeld, in dem sich jedes Kind individuell entfalten kann – unabhängig von Herkunft, Sprache oder Religion. „Ein typisches Lernhauskind gibt es nicht“, heißt es im Roten Kreuz. Jedes Kind bringt seine eigene Geschichte, seine Stärken und Herausforderungen mit. Genau in dieser individuellen Förderung liegt auch die Stärke des Konzepts.

Erlebnis Lernhaus

Ein strukturierter Ablauf und klare Rituale unterstützen die Kinder dabei, Sicherheit und Orientierung im Lernhaus-Alltag zu gewinnen. Zwischen den Arbeitsphasen gibt es feste Pausen, in denen die Kinder sich erholen, spielen und soziale Kontakte pflegen können. Diese Pausen tragen wesentlich dazu bei, die Konzentrationsfähigkeit zu stärken und eine positive Lernhaltung zu fördern.
Darüber hinaus wird großer Wert auf einen wertschätzenden Umgang miteinander gelegt, sodass die Kinder sich sowohl emotional als auch sozial gut aufgehoben fühlen. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der individuellen Förderung und der Stärkung der Eigenverantwortung der Kinder. Durch die unterschiedlichen Sozialformen in der Lernphase lernen sie, sich selbst einzuschätzen, Verantwortung für ihr Lernen zu übernehmen und mit anderen konstruktiv zusammenzuarbeiten. Die Pädagoginnen und Pädagogen begleiten diesen Prozess gezielt, geben Impulse, unterstützen bei Schwierigkeiten und fördern vor allem auch die Selbstständigkeit der Kinder. So wird jedes Kind entsprechend seiner Fähigkeiten und Bedürfnisse in seiner Lernentwicklung unterstützt.

Strom hautnah: Ein starkes Team vor starker Energie.

Strom hautnah: Ein starkes Team vor starker Energie.

Lernen fürs Leben

Für viele Kinder wird das Lernhaus zu einem wichtigen Ort in ihrem Alltag. Einige sind traurig, wenn sie das Projekt verlassen – etwa beim Übergang in die nächste Schulstufe oder wenn ihre schulischen Leistungen sich so verbessert haben, dass sie keinen Betreuungsplatz mehr benötigen. Doch auch das ist Teil des Erfolgs: Denn manche kehren zurück – als sogenannte „Buddies“, also freiwillige Helferinnen und Helfer, die die Jüngeren nun wieder ihrerseits unterstützen, bei Hausaufgaben helfen, erklären und oft auch beim Überwinden sprachlicher Barrieren zur Seite stehen. Eine schöne Bestätigung für das Konzept – und ein Zeichen für den nachhaltigen Wert dieser Einrichtungen.

Gemeinsam stark

Unternehmen wie die EVN, die gezielt Kinderprogramme anbieten und mit ihrer finanziellen Unterstützung durch den EVN Sozialfonds den Betrieb der Lernhäuser zu einem Teil unterstützen, leisten damit einen Beitrag zu sozialer Gerechtigkeit. Die Lernhäuser des Roten Kreuzes Niederösterreich sind ein Beispiel dafür, wie soziales Engagement, pädagogisches Know-how und gemeinschaftliches Miteinander Hand in Hand gehen können, um Kindern faire Bildungschancen zu ermöglichen. Sie sind Orte, an denen nicht nur gelernt, sondern auch gelebt wird – mit Herz, Verstand und Zukunftsblick.

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