Opernsang und Selbstzweifel: Angelina Jolie im Gespräch über Maria Callas

Opernsang und Selbstzweifel: Angelina Jolie im Gespräch über Maria Callas
Die Hollywood-Schauspielerin schlüpfte in die Rolle von Opernstar Maria Callas – ein Gespräch über die "Primadonna assoluta".

Zusammenfassung

  • Angelina Jolie spricht über ihre Herausforderung und Selbstzweifel bei der Darstellung von Maria Callas in einem Film.
  • Jolie betont die Bedeutung von Regisseur Pablo Larrains Respekt für Callas und die Oper für ihre Entscheidung, die Rolle anzunehmen.
  • Die Recherche über Callas' Sehschwäche überraschte Jolie und beeinflusste ihre Darstellung im Film.

Von Supermodel bis Lara Croft, Spionin bis Märchenfigur, Journalistin bis Meisterdiebin hat Angelina Jolie (49) in ihrer 30-jährigen Karriere so ziemlich alles gespielt. Für ihr Porträt einer Heroinsüchtigen in "Girl, Interrupted" bekam sie den Oscar. 

Dass ihr Privatleben – die berühmten Ehemänner, die Kinder, der nicht unumstrittene Vater Jon Voight – nie ihre berufliche Laufbahn überschattete, ist vor allem ihrem Talent zu verdanken. In "Maria" spielt sie ihre bis dato herausforderndste Rolle unter der Regie von Pablo Larrain: Operndiva und Ikone Maria Callas.

KURIER: Was war Ihre größte Angst vor dieser Rolle?

Angelina Jolie: Dass ich nicht gut genug bin. Der Maßstab für mich waren die Fans von Maria Callas und diejenigen, die Oper lieben. Meine größte Angst war, sie zu enttäuschen. Ich wollte dieser Frau gerecht werden.

Was war Ihre persönliche Verbindung zur Oper vor diesem Film?

Ich war wie viele Amerikaner. Wir hörten Oper, wussten, dass sie uns bewegte. Manchmal war es ein Filmsoundtrack. Ich bin auch in die Oper gegangen – ich wurde als Kind ein paar Mal mitgenommen. Ich habe Oper als Kind nicht verstanden, aber ich habe sie definitiv gefühlt. Ich konnte es nicht erklären, aber ich spürte, dass es etwas anderes und äußerst Mächtiges war. Ich musste älter werden und tiefere Lebenserfahrungen machen, um Oper schätzen zu lernen. Erst wenn man im Leben schwierige Zeiten durchmacht, findet man oft keinen Klang, der diesem Schmerz gerecht wird – bis man Oper hört.

Wie intensiv war die Vorbereitung?

Für mich war das eine echte Bildung. Ich musste viele Kurse belegen, und ich empfehle es jedem. Ich habe vor Kurzem zu jemandem gesagt: "Hast du schon einmal Oper ausprobiert? Du musst Oper ausprobieren."

War Pablo Larrain ein Hauptgrund für Sie, dass Sie das Angebot annahmen?

Auf jeden Fall. Viele Regisseure, die Oper nicht wirklich ernst nehmen, die sie nicht so gut verstehen, hätten mich vielleicht bis zu einem gewissen Punkt gebracht und dann gedacht: "Na ja, das ist ziemlich gut. Das reicht. Niemand erwartet mehr." Aber wegen seines Respekts für Callas und seines Verständnisses für Oper war früh klar, dass wir dieses Medium nicht verfälschen würden. Und das ist der einzige Weg, einen Film über Oper zu machen. Dazu kommt, dass er an mich glaubte, was ich selbst nicht immer tat.

Opernsang und Selbstzweifel: Angelina Jolie im Gespräch über Maria Callas

Angelina Jolie als Maria Callas

Was überraschte Sie am meisten bei der Recherche?

Dass sie nicht besonders gut sehen konnte. Wenn man sich ihre Brille ansieht – es gibt definitiv Bilder von ihr, auf denen sie sie trägt – dann sieht man, dass die Gläser sehr dick waren. Es sagt so viel über sie als Künstlerin aus, oder? Denn als sie sehr jung war und ans Konservatorium kam, konnte sie nicht einfach sagen: "Ich kann den Komponisten nicht sehen. Ich kann das nicht sehen. Ich brauche meine Brille." Sie musste sagen: "Mir geht’s gut. Ich kann das." Und auch später musste sie umso mehr auswendig lernen. In einem Interview sagt sie ganz beiläufig: "Ich kann den Komponisten nicht sehen." Das bedeutet, dass sie wahrscheinlich auch den Schauspieler auf der anderen Seite der Bühne oder dessen Mimik nicht erkennen konnte. Was sie tun musste, um die Menschen davon zu überzeugen, dass sie da oben auf der Bühne mühelos alles geben konnte und dass sie es genauso gut konnte wie jeder andere, war fast wie ein Zaubertrick.

Was hat Sie in Bezug auf Ihr eigenes Gesangstalent überrascht?

Dass ich nicht so schlecht bin, wie ich dachte. Oft weiß man ja gar nicht, was man kann, weil man es nie ausprobiert hat, oder weil einem irgendwer gesagt hat, dass man es ohnehin nicht probieren sollte. Ich hatte großes Glück, Menschen zu haben, die mir halfen, meine Stimme zu finden. Das war für mich sehr emotional. Und beängstigend. Aber was für eine unglaubliche Erfahrung – eine Karriere zu haben und dann in dieser Phase meines Lebens plötzlich etwas zu entdecken, das mich als Künstlerin in Angst versetzt. Es ist ein Geschenk, wieder einmal nicht sicher zu sein, ob ich etwas kann, und so hart arbeiten zu müssen, um es zu schaffen. Und dabei von Menschen umgeben zu sein, denen ich vertraue – die mich auffangen würden.

Wie viel Prozent des Gesangs im Film stammt von Callas, und wie viel von Ihnen?

Offensichtlich, wenn Callas in voller Stimme singt, dann ist es ihre. Es ist größtenteils sie. Ich meine, es gibt Teile von mir, aber es ist hauptsächlich sie. Ich hatte die Arien in einem winzigen Kopfhörer im Ohr, und niemand sonst am Set hörte etwas außer meiner Stimme. Ich machte eine Art Sprechgesang.

Sie konnten logischerweise nicht mit Maria Callas sprechen, aber welche Verbindung haben Sie zu ihr innerlich aufgebaut?

Ich liebe diese Frau wirklich. Wenn ich sie höre, ist es, als wäre sie eine Freundin. Und wenn Menschen sagen, dass sie traurig waren, als sie starb, dann fühle ich das sehr stark – denn am Ende ihres Lebens, und in so vielen Momenten ihres Lebens, fühlte sie sich allein. Sie hatte keine Mutter. Sie hatte niemanden, der sich um sie kümmerte, der für sie da war. Als sie nicht mehr auf dem Höhepunkt ihrer Karriere war, waren die Kritiker furchtbar grausam zu ihr. Sie starb wahrscheinlich, ohne je zu denken, dass es einmal einen Tag geben würde, an dem Menschen so voller Bewunderung und Liebe über sie sprechen würden. Und das macht mich traurig für sie.

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