Vierschanzentournee: Kraft springt in Oberstdorf aufs Podest

Stefan Kraft gelang zum Tournee-Auftakt ein Kraft-Akt.
Der Salzburger muss sich zum Tournee-Auftakt nur dem Japaner Kobayashi und dem Deutschen Eisenbichler geschlagen geben.

Wer Stefan Kraft vor sich hat, der erspart sich jeden Blick auf die Anzeigetafel oder in die Ergebnisliste. Der 25-Jährige ist ein schlechter Schauspieler und macht selten einmal gute Miene zum bösen Spiel. Was er denkt, das sagt er. Wie er sich fühlt, das sieht man ihm an.

Als Stefan Kraft in Oberstdorf seine ersten Trainingssprünge absolvierte und dabei nicht im Spitzenfeld gelandet war, war er noch mit versteinerter Miene durch den Auslauf gefahren. „Ich dachte mir nur: ,Hoppla, der ist ein bisschen verbissen.’“, bemerkte auch ÖSV-Cheftrainer Andreas Felder.

Es hatte also schon etwas zu heißen, als Stefan Kraft am Sonntag nach seinem Sprung im Finaldurchgang gar nicht mehr aufhörte, seine Fäuste sprechen zu lassen. Freilich nicht aus Wut, sondern aus purer Erleichterung über seinen ersten Podestplatz in diesem Winter.

Selbstvertrauen

„Das war auch einer meiner besten Sprünge in dieser Saison“, erklärte der Salzburger, nachdem er sich im zweiten Durchgang noch vom achten auf den dritten Platz verbessert hatte. „Endlich ist es einmal im Wettkampf besser gegangen als im Training. Das gibt viel Selbstvertrauen.“

Wenn Österreichs Springer zu Zeiten, in denen sie noch als Superadler gepriesen wurden, mit so einem Mannschaftsergebnis in die Tournee gestartet wären, dann wären in der Öffentlichkeit womöglich Begriffe wie Absturz, Debakel oder Flaute gefallen. Aber diese erfolgreiche Ära, in der Österreich von 2009 bis 2015 sieben Mal den Tourneesieger gestellt hat, ist und sollte auch nicht der Maßstab sein.

Verglichen mit den bisherigen Auftritten in dieser Saison war dieser Tourneestart in Oberstdorf ein Fortschritt. Mit dem dritten Rang von Stefan Kraft und dem zehnten Platz seines Teamkollegen Daniel Huber. Und dass vier Österreicher in den Punkterängen landen – zugegeben auch deshalb, weil bei der Tournee im ersten Durchgang der K.o.-Modus zur Anwendung kommt – ist in diesem WM-Winter auch noch nicht allzu oft passiert. „Das tut uns allen gut“, weiß auch Kraft. Immerhin hatten die Österreicher bis Oberstdorf nur einen Podestplatz und fünf Top-Ten-Ergebnisse vorzuweisen.

Einfach erklärt: die Vierschanzentournee

„Hungrig auf mehr“

Nicht einmal zwei Punkte liegt der Tourneesieger von 2014/’15 hinter dem japanischen Leader Ryoyu Kobayashi. Kraft hätte selbst nicht gedacht, dass er beim Auftakt schon dermaßen auf Tuchfühlung zu dem Saisondominator sein würde. „Ich wollte eigentlich nur um die Podestplätze mitspringen, aber der dritte Platz bedeutet nicht, dass ich nicht noch einmal aufs Stockerl will“, so Kraft. „Ich bin hungrig auf mehr.“

Für Cheftrainer Andreas Felder kommt die Leistungsexplosion des Doppelweltmeisters nicht überraschend. Schon nach seinem Quali-Sieg hatte er gemeint. „Er ist einer, der den Hebel umlegen kann.“

Vierschanzentournee: Kraft springt in Oberstdorf aufs Podest

Der Seriensieger war wieder einmal zu überflügeln

Es ist wieder an der Zeit für jene geflügelten Worte, die alle Jahre wieder in Oberstdorf in aller Munde sind. Nämlich dass noch nie ein Skispringer „in Oberstdorf die Tournee gewonnen hat, aber dass er sie dort verlieren kann.“

Diesen Spruch, der bei der 67. Auflage der Tournee längst in den Rang einer Gesetzmäßigkeit erhoben wurde, bekommen die Adler bei jeder Tournee aufs Neue eingebläut. Und inzwischen hat man fast das Gefühl, dass alles nur darauf wartet, dass auf der Schattenbergschanze der eine oder andere Stars bereits aus dem Tournee-Rampenlicht verschwindet.

Und natürlich erwischte es in Oberstdorf auch diesmal wieder einige Hochkaräter der Skisprungszene. So qualifizierte sich der deutsche Olympiasieger Andreas Wellinger im Duell mit dem Österreicher Markus Schiffner nicht einmal für den Finaldurchgang. Und auch der Norweger Johann Andre Forfang, einer von nur vier Saisonsiegern, ließ in Oberstdorf schon so viele Punkte liegen, dass er sich den Gesamtsieg abschminken kann.

Knappe Abstände

Einer zeigte sich freilich unbeeindruckt von allen äußeren Einflüssen und auch vom Druck, der plötzlich auf ihm lastet. Ryoyu Kobayashi liefert derzeit Bestweiten wie am Fließband und vermutlich könnte man den Japaner in seiner aktuellen Hochform mitten in der Nacht wecken und er würde noch immer alle überflügeln.

Der Japaner gibt derzeit die Richtung vor im Skispringen und verkörpert wie kein anderer den Stil, der nach den vielen Materialadaptionen (engere Anzüge, kürzere Ski) notwendig geworden ist. Die Experten schwärmen gerade alle davon, wie makellos der 22-Jährige abspringt und wie schnell er in die Flugphase kommt. „Das war schon im Sommer zu sehen, dass er gewisse Dinge sehr gut umsetzt“, weiß Anton Innauer.

Auch in Oberstdorf lieferte Ryoyu Kobayashi wieder Anschauungsunterricht und wurde seiner Favoritenrolle gerecht. Allerdings bei Weitem nicht so eindrucksvoll wie zuvor bei seinen bisherigen vier Saisonsiegen.

Der 22-jährige Asiate hatte am Ende sogar Glück, dass er nach seiner Halbzeitführung überhaupt den Sieg einfahren konnte. Nach einem schwächeren zweiten Durchgang lag Kobayashi am Ende lediglich 0,4 Punkte vor dem deutschen Markus Eisenbichler.

Überhaupt sind die ersten vier der Gesamtwertung nur durch vier Zähler getrennt. Manche Stars wie der polnische Titelverteidiger Kamil Stoch (8.) haben zum Auftakt aber bereits knapp 15 Punkte Rückstand aufgerissen. Der deutsche Mitfavorit Karl Geiger (12.) liegt gar schon fast 20 Punkte zurück.

Ergebnisse vom Springen in Oberstdorf:

1.

Ryoyu Kobayashi (JPN)

282,3

(138,5/126,5)

2.

Markus Eisenbichler (GER)

281,9

(133,0/129,0)

3.

Stefan Kraft (AUT)

280,5

(131,0/134,5)

4.

Andreas Stjernen (NOR)

278,2

(132,5/131,0)

5.

Dawid Kubacki (POL)

269,8

(128,5/133,5)

6.

Piotr Zyla (POL)

268,3

(133,0/126,5)

7.

Robert Johansson (NOR)

268,0

(129,0/125,0)

8.

Kamil Stoch (POL)

267,6

(127,0/131,0)

9.

Timi Zajc (SLO)

266,0

(127,0/125,5)

10.

Daniel Huber (AUT)

265,2

(129,0/124,0)

11.

Roman Koudelka (CZE)

264,4

(126,0/129,0)

12.

Karl Geiger (GER)

262,9

(129,0/128,0)

13.

Stephan Leyhe (GER)

260,0

(125,5/125,0)

14.

Simon Ammann (SUI)

258,3

(125,0/126,0)

15.

Yukiya Sato (JPN)

255,0

(130,0/124,5)

16.

Richard Freitag (GER)

251,0

(123,5/122,5)

17.

David Siegel (GER)

250,2

(121,5/122,0)

18.

Peter Prevc (SLO)

247,5

(120,5/122,5)

19.

Killian Peier (SUI)

241,2

(123,0/119,0)

20.

Jewgenij Klimow (RUS)

240,6

(124,0/117,0)

21.

Pius Paschke (GER)

240,3

(120,0/116,5)

22.

Antti Aalto (FIN)

240,0

(120,0/118,0)

23.

Wladimir Zografski (BUL)

239,1

(125,0/118,0)

24.

Constantin Schmid (GER)

226,6

(119,0/113,0)

25.

Johann Andre Forfang (NOR)

226,3

(125,0/110,0)

26.

Jakub Wolny (POL)

225,4

(116,0/117,0)

27.

Michael Hayböck (AUT)

214,6

(118,5/109,0)

28.

Viktor Polasek (CZE)

210,8

(119,0/109,0)

29.

Naoki Nakamura (JPN)

208,8

(118,0/108,0)

30.

Markus Schiffner (AUT)

208,4

(119,5/107,0)

U.a. nicht für den 2. Durchgang qualifiziert: 35. Philipp Aschenwald (AUT) 122,5 m/114,2 Punkte - 39. Andreas Wellinger (GER) 114,5 m/109,6 Punkte - 48. Manuel Fettner (AUT) 104,5/92,1

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