Die ÖSV-Herren und die Sehnsucht nach Abfahrtskristall

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Seit 2012 hat kein ÖSV-Abfahrer den Weltcup gewonnen, Vincent Kriechmayr soll’s nun richten.

Wenn man Vincent Kriechmayr noch vor einem Jahr nach seinem Job gefragt hätte, dann wäre er niemals auf die Idee gekommen, sich als Abfahrer zu bezeichnen. Nach der Berufsauffassung des Oberösterreichers verdient sich einer, der einfach nur flott eine Speedpiste runter rast, noch lange nicht den Titel eines Abfahrers. „Du darfst dich erst Abfahrer nennen, wenn du auch einmal eine Abfahrt gewonnen hast“, meinte Kriechmayr noch während der letzten Saison. „Sonst bist du ein Brauser.“

Insofern ist der 27-Jährige jetzt endlich angekommen im elitären Kreis der echten Abfahrtshelden. Seit dem Weltcupfinale in Åre , bei dem Kriechmayr den lang ersehnten ersten Erfolg in der Königsdisziplin einfahren konnte – übrigens zeitgleich mit Matthias Mayer – kann sich jeder brausen gehen, der den Sohn einer Belgiern als „Brauser“ abtut.

Durchbruch

Die österreichischen Trainer haben in Vincent Kriechmayr ohnehin schon immer einen Mann mit enormem Potenzial und künftigen Winnertypen gesehen. Allein war der Oberösterreicher in der Vergangenheit oft Opfer seiner Fahrweise geworden, die der 27-Jährige selbst gerne als „aggressiv“ bezeichnete, die Betreuer sprachen sogar davon, dass er mitunter zu „ungestüm“ oder gar „hirnlos“ unterwegs gewesen sei.

Spätestens im vergangenen Winter ist Kriechmayr aber endgültig der Durchbruch gelungen. Erst als Siegertyp, später dann auch als Abfahrer. Seinem ersten Weltcuperfolg im Super-G von Beaver Creek ließ er beim Weltcupfinale in Åre einen Doppelpack (Siege im Super-G und in der Abfahrt) folgen und am Ende der Saison war Kriechmayr im Weltcup in beiden Speeddisziplinen sogar bester ÖSV-Läufer. „Das waren auf meiner To-do-Liste die ersten Hakerl, aber ich will noch mehr Erfolge.“

Reifeprozess

Dem Aufstieg des Bauernsohnes liegt auch ein langer Reifeprozess zugrunde. „Ich bin in der Vergangenheit immer zu verbissen gefahren“, weiß Kriechmayr, „ich habe erst lernen müssen, dass es leichter von der Hand geht, wenn man lockerer an die Sache herangeht. Dann gehen auch die Ski schneller.“

Im ÖSV-Training gibt der 27-Jährige mittlerweile zusammen mit Super-G-Olympiasieger Matthias Mayer das Tempo vor. Und die beiden sind aus heimischer Sicht wohl auch die großen Hoffnungsträger auf eine Trophäe, die von Präsident Peter Schröcksnadel abwärts alle beim Verband gerne wieder einmal gewinnen würden. Die Abfahrtskugel, der Lohn für den Meister in der Königsdisziplin, hat beim ÖSV seit jeher einen besonderen Stellenwert, allerdings ist der letzte österreichische Erfolg in der Weltcupwertung bereits sehr viele Jahre her (Klaus Kröll 2011/’12).

„Die Abfahrtskugel muss das Ziel sein“, sagt Andreas Puelacher vor der ersten Saisonabfahrt am Samstag in Lake Louise (20.15 Uhr, live ORFeins). Schon am Mittwoch überprüfen die Abfahrer im ersten Trainingslauf ihre Form. Die vergleichsweise einfache Piste in Lake Louise zählt jetzt nicht unbedingt zu den erklärten Lieblingsstrecken von Vincent Kriechmayr, dessen technische Vorzüge eher auf anspruchsvollen, steilen und kurvigen Abfahrten zur Geltung kommen. „Ich bin sicher kein Wundergleiter, aber auch da will ich den nächsten Schritt machen.“

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