Ein Flachländer als Weltmeister: "Meine Herkunft ist ein Vorteil"
Herzogenburg stellt zwar den ältesten noch bestehenden Fußballverein Niederösterreichs (gegründet 1899), aber ein Weltmeister in einer olympischen Wintersportart ist etwas Neues für die Stadt im Traisental mit einer Seehöhe von nur 229 Metern.
Dementsprechend groß wurde der Empfang von Jakob Dusek gefeiert: Der 26-Jährige gewann bei der WM in Georgien Gold im Snowboard-Cross, dazu im Mixed-Bewerb mit der Scheibbserin Pia Zerkhold Silber. Auf der Weiterreise zum Weltcup in Kanada legte er einen Stopp in seiner Heimat ein.
Im KURIER-Interview erklärt Dusek, wie ein Flachländer zur Nr. 1 werden kann und warum der Klimawandel seine Sportart bereits jetzt massiv bedroht.
KURIER: Wie groß ist der Nachteil, wenn ein Alpinsportler aus Herzogenburg kommt und nicht etwa aus dem Zillertal?
Jakob Dusek: Es ist kein Nachteil, aus Niederösterreich zu kommen. Wir haben super Skigebiete wie das Hochkar oder Annaberg. Okay, ich bin aus Herzogenburg 60 bis 90 Minuten dorthin unterwegs, aber seit drei Jahren lebe ich teilweise in Innsbruck. Und da brauche ich auch eine Stunde Anreisezeit, bis ich das Snowboard anschnallen kann. Ich sehe meine Herkunft sogar als Vorteil.
Warum?
Weil die Berge für mich keine Selbstverständlichkeit waren. Ich habe mich noch nicht daran sattgesehen. Wenn ich auf den Berg gekommen bin, war das jedes Mal eine Extra-Motivation fürs Training. Wer nicht in den Bergen lebt, liebt sie vielleicht noch mehr. Das war bei meinem Landsmann Benjamin Karl aus Wilhelmsburg wohl auch so.
Die Skigebiete in Niederösterreich kämpfen ums Überleben. Aber nicht, weil das Interesse fehlt, sondern wegen des Klimawandels. Haben Sie das im Lauf Ihrer Karriere bemerkt?
Ja, meine liebste Piste als Kind war die Gemeindealpe in Mitterbach, rauf mit dem Gipfel-Lift und gleich die steile, schwarze Piste mit dem unpräparierten Teil im Tiefschnee runter. Das war richtig geil, aber das geht kaum noch. Ich merke es auch beim Gletscher-Training: Der Schnee wird immer weniger, wir können live zuschauen. Das ist nicht schön.
Müssen Sie sich weniger Sorgen machen als ein Abfahrtsläufer, weil ihre präparierte Piste viel kürzer ist?
Nein, die Sorgen sind genauso groß. Wir brauchen sehr viel Schnee für den Bau der Pisten mit Steilkurven und Sprüngen, teilweise bis zu fünf Meter Schnee. Ein Skifahrer braucht nur einen Belag von rund 40 Zentimetern. Deswegen sind wir schon zu Weltcup-Rennen geflogen, um dann dort festzustellen, dass es sich für eine Piste nicht mehr ausgeht.
Sehen Sie größere Probleme auf Ihren Sport zukommen?
Ja, ganz eindeutig. Ich bin froh, dass ich nicht gerade anfange, sondern schon im Weltcup fahre. Der Weltcup wird sich in hochalpine Gebiete verlagern, aber auch dort wird der Schnee knapp werden. Deswegen finde ich Aktionen, wie von meinem guten Freund Julian Schütter, so gut. Ich habe als Neunter auf seiner Liste für Klimaschutz unterschrieben.
Tut es weh, wenn in einem Weltcup-Ort nur noch ein weißes Band Kunstschnee übrig ist und Sie daneben auf braune Wiesen blicken?
Die Freude ist nicht so groß wie beim Freeriden im Tiefschnee. Aber an solchen Tagen denke ich mir – auch wenn es bissl wehtut – das ist jetzt die Möglichkeit, meinen Beruf auszuüben. Das ist dann auch okay so, und ich blende das Rundherum aus.
FIS-Präsident Eliasch kann sich vorstellen, in ein paar Jahren auch in einer Halle in Saudi-Arabien Weltcup-Rennen zu organisieren. Was löst das in Ihnen aus?
Schwierig (denkt lange nach). Es ist irgendwie schade, weil wir eine Outdoor-Sportart betreiben, die in den Alpen das größte Interesse hervorruft. Aber vielleicht ist das eines Tages eine Möglichkeit, zu der ich sagen werde: Besser als gar nix.
Gibt es ein Highlight im Weltcup? Also ein Kitzbühel der Snowboard-Crosser?
So ein richtiges Kitzbühel haben wir nicht. Ich fahre am liebsten nach Cervinia in Italien. Dort habe ich mein erstes Rennen gewonnen und fahre immer stark, weil ich mich so wohlfühle: Viel Schnee und beim Boarden der Blick aufs Matterhorn – das ist einfach schön.
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