Nach dem Wien-Aus: Was die Tennis-Fans Dominic Thiem noch zutrauen

"Wir sind jedes Jahr da. Aber dass Dominic Thiem heuer wieder dabei ist, freut uns besonders", sagen Ulrike und Lena, die extra aus dem Burgenland in die Wiener Stadthalle angereist sind. Sie kamen eine Stunde später auf ihre Rechnung und sahen obendrein einen Spieler, der vor Kurzem die Nummer eins der Welt war. Gemeint ist Thiems Gegner, der Russe Daniil Medwedew. Jetzt ist er zumindest die Nummer eins der Erste Bank Open mit ihren rund 9.500 Fans, die für eine volle Halle sorgten.
Thiems Spiel war zu Beginn berauschend, dann immer mehr ernüchternd. Am Ende siegte Medwedew klar mit 6:3 und 6:3.
Starker Beginn
Thiem bot begleitet von einem enthusiastischen Publikum bis zum 3:3 dem Weltklassemann ein sensationelles Spiel, schaffte perfekt den Spagat zwischen defensivem und offensivem Spiel und punktete immer wieder mit sehenswerten Winner-Schlägen. Doch Medwedew blieb cool und wartete geduldig auf Chancen, die er im siebenten Game bekam.
Mit seinem ersten Doppelfehler kassierte Thiem das Break. Medwedew wiederum wehrte mit einem Service-Winner eine Breakchance uncharmant ab. Dann riss der berühmte Faden. Und Medwedew bewies, dass er noch Punkte für das ATP-Finale braucht und erlief fast alle Bälle. Im zweiten Satz gelang dem 26-Jährigen das Break zum 3:1.
Wie aber nahmen die Zuschauerinnen und Zuschauer in der Stadthalle die Auftritte ihres Tennis-Stars wahr?

Der Tenor war einhellig. "Thiem spielt auf einem hohen Niveau, aber die Konstanz fehlt noch", sagte Ex-Profi Stefan Koubek. Landsmann Thiem braucht noch ein paar Punkte auf die Top 100, er will sich jetzt erst einmal einen "schlauen Turnierplan für dir nächsten Wochen" erstellen.
Die Fans kamen in erster Linie, weil sie Fans vom Tennis sind, nicht nur wegen Thiem. "Wir haben seit längerem Achtelfinalkarten, da wussten wir ja noch nicht, dass Thiem spielt", sagt Rene, der aus dem Burgenland anreiste und damit ähnlich denkt, wie die anderen Gäste. Zumindest sah er, dass die Partie vor Thiem relativ zügig beendet wurde – und mit einer Sensation: Der Russe Andrej Rublew, Nummer drei des Turniers, musste sich dem Bulgaren Grigor Dimitrow 3.6 und 4:6 geschlagen geben. Weniger gefallen hat den Fans, dass Rublew in gewohnter Manier fluchte.
Thomas und Babsi aus Schützen im Burgenland sind richtige Thiem-Fans. "Wir lieben generell Tennis, aber Thiem besonders", sagt Babsi. Sie glauben, dass Thiem auch bald wieder in die Spitze kommt. "Vor zwei Wochen hätte ich es nicht gedacht, jetzt bin ich überzeugt", sagt Thomas.

Skeptiker
Was den Vorstoß in die Weltspitze betrifft, sind andere Fans eher skeptisch. "Ich glaube nicht, dass er es noch einmal in die Top Ten schafft", sagt Lena. Diese sind für den Wiener Daniel zwar denkbar, nicht aber ein Grand-Slam-Titel. "Als Patriot würde ich es mir wünschen, realistisch betrachtet, kann ich es mir nicht vorstellen."
"Top 30 packt er, es weiter nach vor eher nicht", sagt Rene. Für Jens aus dem steirischen Voitsberg ist es zumindest wichtig, dass er wieder Feuer entfachen kann. "Am Dienstag gegen Tommy Paul war es sensationell von der Stimmung her. Zur Dramaturgie passte es, dass er zudem gewann.“ Das Publikum war auch am Donnerstag wieder sensationell. Zumindest heuer muss es sich einen neuen Liebling suchen. Aber eben – die meisten sind wegen des Tennissports hier.
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