Zweiklassengesellschaft in Wimbledon

In Wimbledon gibt es Rekord-Preisgelder. Zu hinterfragen sind die Summen für Erstrunden-Niederlagen.

Schauplatz Wimbledon. Ab Montag schlägt die Elite auf dem heiligen Rasen auf. Sonntag in zwei Wochen werden die Sieger im Einzel gekürt. Der beste Herr erhält wie auch die beste Dame umgerechnet 1,87 Millionen Euro (alle Beträge sind brutto, Anm.).

Schauplatz Tanger. Heute wird dort der Turniersieger ermittelt. Preisgeld: 4300 Euro.

Schauplatz Sharm el Sheik. Der Gewinner des dortigen Future-Turniers darf sich über 1000 Euro Preisgeld freuen. Damit hat er die Reisekosten fast abgedeckt.

Stimmen die Dimensionen noch?

Ja. Zumindest, wenn es um die Früchte harter Arbeit geht. Und nicht nur, weil (zumindest) bei den Herren über drei Gewinnsätze gespielt werden muss. Sondern, weil in Wimbledon einfach die Besten am Start sind, die ebenfalls jahrelang die harten Mühlen des Aufstiegs auf sich nehmen mussten.

Jedoch: Das Geld für eine Erstrundenniederlage hätte man besser anlegen können. Sowohl für Herren und Damen gibt dafür umgerechnet fast 27.500 Euro. Eine Summe, die sich eventuell Qualifikanten verdienen, nicht aber Sportler, die nach zwei Stunden Arbeitsnachweis schon wieder die Heimreise antreten können. Und hier liegt das Problem: Viele Spieler reisen halb verletzt an, nur um Startgeld zu kassieren – und nehmen damit fitten Spielern einen Platz im Hauptbewerb weg, die wegen ihres Ranglistenplatzes knapp nicht qualifiziert sind. Das gilt vor allem für Spieler, die gerade noch in den Hauptbewerb rutschen. Denn es geht eben immerhin um fast 27.500 Euro ...

Jürgen Melzer (Leistenbruch) und Tamira Paszek (Oberschenkelprobleme) sind ebenfalls noch angeschlagen. Allerdings treten sie weniger des Geldes wegen an. Für die beiden besten Österreicher, die um Platz 30 in der Rangliste stehen, geht es um Punkte, aber auch um nette Erinnerungen. Paszek stand in den beiden vergangenen Jahren jeweils im Viertelfinale, Melzer ist sogar dreifacher Wimbledon-Champ (Doppel, Mixed, Junioren).

Bis die jungen Spieler dort sind, müssen sie extrem hart arbeiten, enorme Entbehrungen auf sich nehmen, den harten Weg über Future- und Challenger-Turnieren auf sich nehmen, über die dritte und zweite Ebene und sind dabei abhängig von Sponsoren und der Großzügigkeit der Verbände. Denn mit kleineren Turnieren kann man kein Geld machen. Beispiel: Österreichs größtes Talent, der 19-jährige Niederösterreicher Dominic Thiem, steht zwar bereits auf Platz 276 in der Weltrangliste, hat aber in diesem Jahr umgerechnet erst 4.862 Euro verdient. Das sind im Monat 810 Euro. Fazit: Als Tennisspieler kann man nur überleben, wenn man Top 100 ist.

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