Nach dem Koma zur WM: "Kniescheibe war in zwölf Teile zersplittert"
„Ich hab’ mir so zirka jeden Knochen gebrochen. Den Schädelknochen, die Halswirbelsäule, die Hüfte, das rechte Handgelenk – und die linke Kniescheibe ist in zwölf Teile zersplittert.“ Wenn man Rebekka Kalaydjiev zuhört, muss man schlucken. Kaum zu glauben, dass sie nur rund eineinhalb Jahre nach ihrem Unfall wieder am Basketball-Court steht und um einen Platz im Kader der Österreicherinnen für die 3x3-WM in Wien kämpft.
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Aber der Reihe nach. Bekki, wie sie ihre Freunde nennen, galt als eines der größten Basketball-Talente im Land. Nach der Matura ging sie nach Deutschland, ein Jahr später wagte die heute 23-jährige Wienerin 2018 den Sprung über den Atlantik. An der Southeastern University in Lakeland, Florida, wollte sie Geist und Körper fördern und fordern. „Ich habe meinen Bachelor in Psychologie gemacht“, erzählt sie stolz. Dazu spielte sie College-Basketball, gab ihr Debüt im österreichischen 5-gegen-5-Frauennationalteam und entdeckte ihre Liebe zum 3x3.
Unfall mit Folgen
Eine Bilderbuchkarriere – bis im September 2021 ein Autounfall in Florida alles verändern sollte. Gemeinsam mit Freunden war sie auf dem Weg vom Flughafen zurück zur Uni. Über das Unglück zu sprechen macht ihr nichts. „Kein Problem“, sagt sie und wirkt dabei cool. Vielleicht auch, weil sie gar nicht so viel darüber weiß. „Meine letzte Erinnerung ist, dass ich am Flughafen gewartet habe.“ Was danach passiert ist, weiß sie nur aus Erzählungen: „Ein anderes Fahrzeug ist auf unsere Fahrbahn gekommen. Mein Fahrer hat versucht auszuweichen, dann hat sich das Auto ein paar Mal überschlagen, ich bin zehn Meter aus dem Auto rausgeflogen und auf dem Kopf gelandet.“ Die nächste Erinnerung ist dann vier, fünf Tage später, dazwischen war Kalaydjiev im künstlichen Tiefschlaf. „Zuerst wusste ich nicht einmal, dass ich einen Autounfall hatte. Ich habe gedacht, ich bin vom Baum gefallen oder so.“ Bis ein paar Tage später eine Krankenschwester ins Zimmer kam. „Sie hat gesagt: ’Ah, du bist die, die zehn Meter aus dem Auto geflogen ist’.“ Das war der Moment, in dem die damals 21-Jährige begann, alles zu realisieren. „Ich bin in Tränen ausgebrochen.“
Neben Freunden, Teamkolleginnen und Trainern stand ihr auch die Familie in dieser schwierigen Zeit bei. „Meine Eltern und meine Schwestern sind rübergeflogen. Das war so wichtig, weil es mir Stabilität und Sicherheit gegeben hat.“
Zweifel, ob sie ihren geliebten Sport jemals wieder ausüben könne, hatte Kalaydjiev eigentlich nie: „Mein Coach hat mir erzählt, eines der ersten Dinge, die ich ihn gefragt habe, war, ob ich wieder Basketball spielen kann.“ Sie sei stets positiv geblieben: „Ich habe mir gesagt: ’Wenn ich es wirklich möchte, dann kann ich alles schaffen’.“
Die Knochen waren gebrochen, nicht aber der Wille der ehrgeizigen Wienerin. „Es läuft besser als erwartet“, berichtet sie. Seit Anfang Mai trainiert sie mit Österreichs 3x3-Team. Das Ziel ist, bei der Heim-WM in Wien ab 30. Mai zu spielen. Der Kader wird heute bekannt gegeben. Aber selbst, wenn es sich nicht ausgehen sollte, wird sie am Rathausplatz dabei sein: „Dann werde ich unsere Mädels und Burschen als Fan unterstützen. So ein Event in meiner Heimatstadt lass’ ich mir nicht entgehen.“
Master-Plan
Die Hoffnungen auf einen Platz im WM-Kader schraubt sie selbst nicht zu hoch: „Wir haben ein super Team, und ich bin halt gerade erst ins Training eingestiegen.“
Kalaydjiev will diesen Sommer unbedingt noch 3x3-Turniere spielen. Und dann? Im Herbst geht es zurück in die USA, wo sie ihren Master in Kinesiologie machen will. „Weil ich später Sportpsychologie machen möchte.“ Und sportlich? „Wenn alles nach Plan läuft, werde ich auch meine letzte Saison drüben am College spielen. Danach hab ich auf jeden Fall vor, in Europa ein paar Jahre zu spielen. Da muss ich dann auf meinen Körper hören, für welche Liga es sich ausgehen wird.“
Der Unfall hat ihr Leben verändert, hat sie verändert. Heute kann sie sagen: „Im Endeffekt hat es mich stärker gemacht, ich habe psychisch extrem viel gelernt.“ Natürlich frage sie sich manchmal, warum das ihr passieren musste. Aber in erster Linie sei sie „dankbar, dass ich hier stehen darf und wieder Sport machen kann. Ich hatte viel Glück im Unglück, es hätte viel schlimmer ausgehen können.“
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