Sophia Flörsch: "Und dann habe ich gewartet, was passiert"
Ein Stück Metall im Rücken und eine Narbe am Hals - mehr erinnert nicht mehr an den Horrorcrash von Sophia Flörsch. Die Bilder vom wilden Unfall der deutschen Rennfahrerin vor einem Jahr in Macau gingen um die Welt. Nach einer Kollision war Flörsch mit ihrem Boliden durch die Luft gesegelt und schließlich mit 276 km/h frontal in den Fangzaun und eine Kameraplattform gekracht.
Dass die 18-Jährige diesen Unfall überlebt hat, gleicht einem Wunder. Die Nachwuchspilotin brach sich den siebten Halswirbel und bekam bei einer elfstündigen Operation eine Titanplatte eingesetzt. An diesem Wochenende kehrt Flörsch nach Macau zurück und startet im Formel-3-Rennen. "Macao ist wirklich kein Problem, das ist meine Lieblingsstrecke“, sagt die Deutsche, die immer noch große Rennfahrer-Ambitionen hat. „Ich bin 18 und kann tun, was ich will. Die Mama kann mich nicht aufhalten.“
Wie geht es Ihnen, wenn Sie die Bilder von Ihrem Unfall sehen?
Es ist immer noch ein Schock. Weil das Video superschlimm ist. Aber ich habe schon lange damit abgeschlossen.
Fiel das auch leichter, weil Ihnen keine Schuld am Unfall zugesprochen wurde?
Das ist für einen Sportler schon beruhigend. Vor allem, weil auch andere Menschen verletzt wurden. Mir fiel ein Stein vom Herzen, als der Automobil-Weltverband FIA festgestellt hat, dass ich keine Schuld habe und dass ich nichts anders hätte machen können. Ich hatte einfach viel Pech.
Sie hatten auch viel Glück.
Es war viel Pech, dass der Unfall überhaupt passiert ist. Aber ab dem Zeitpunkt hatte ich dann nur noch Glück.
Woran erinnern Sie Sich?
Es ist alles da, weil ich immer bei Bewusstsein war. Es geht ja alles so schnell, bei 275 km/h hat man keine Zeit zum Nachdenken. Ich hab’ die Hände vom Lenkrad genommen und gebremst, das macht man instinktiv. Und dann habe ich gewartet, was passiert. Für mich hat es sich wie ein normaler Unfall angefühlt. Der halt zur Folge hatte, dass ich danach ins Krankenhaus musste.
Sie reden erstaunlich pragmatisch über Ihren Unfall.
In den ersten Wochen war das noch anders. Aber nachdem ich wieder alles machen kann wie zuvor und ich weiß, dass ich bald schon wieder im Auto sitzen kann, bin ich sehr positiv. Das war ein Stein, der mir in den Weg gelegt wurde, zugegeben ein sehr großer, aber ich bin mit Glück drübergesprungen.
Sie haben den Unfall nicht nur heil überstanden, sondern sind jetzt auch berühmt.
Der Unfall ist um die Welt gegangen, dadurch kennen mich jetzt sehr viele Menschen, die mich vorher nicht gekannt haben. Und viele werden immer an den Unfall denken, wenn sie mich sehen. Ich wollte diese Bekanntheit nicht durch einen Unfall erreichen, durch einen Erfolg wäre es mir lieber gewesen. Was ich aber nicht will: Dass ich das Mädchen mit dem Unfall bin. Man muss das nicht dramatisieren.
Sie waren vier, als Sie das erste Mal im Kart saßen. Wie waren damals die Reaktionen?
Am Anfang haben das viele meiner Freunde nicht verstanden. Wenn du als Mädchen mit Motorsport überhaupt nichts zu tun hast, dann versteht das auch keiner. Je internationaler das geworden ist, je öfter ich in der Zeitung war, desto besonderer wurde das. Die Jungs fanden das sowieso immer cool, für die war es immer etwas Besonderes, mit einer Freundin über Autos reden zu können.
Bekamen Sie denn auch blöde Sprüche zu hören?
Na klar, aber wenn, kam das eher von den Konkurrenten. Und das war vor allem noch im Kartsport. Ich glaube, meine Eltern haben da deutlich mehr mitbekommen. Mich hat das nie belastet.
Hatten Sie das Gefühl, als Mädchen belächelt zu werden?
Natürlich wird man am Anfang irgendwie belächelt, weil das keiner glauben kann. Aber sobald sie mich dann fahren gesehen haben, war das vorbei. Jetzt kennt man mich, jetzt weiß man, dass ich schnell bin. Deshalb respektiert man mich auch. Aber das ist doch überall so, wenn wer Neuer auftaucht. Am Anfang denkt man sich oft: ,Wer ist das jetzt? Was will die hier?‘
Wie schwer hat es eine Frau überhaupt im Motorsport?
Als Zwölfjährige verstehst du oft nicht, warum manche dir nicht vertrauen und es dir nicht zutrauen. Heute verstehe ich das besser. Du musst als Frau selbstbewusster auftreten und dich sicher mehr beweisen als ein Junge. Das ist der ausschlaggebende Punkt. Sponsoren wollen noch mehr sehen als von einem Mann. Weil es halt leider in der Vergangenheit schon Frauen im Motorsport gegeben hat, die es nicht geschafft haben. Es ist dann doch ein Macho- und ein Männersport. Es gibt zwar genug, die eine Frau in der Formel 1 haben wollen. Aber es gibt auch immer noch genug Leute, die das nicht mögen.
Wo liegen denn die Vorzüge einer Frau im Motorsport?
Dem Auto ist es grundsätzlich egal, ob eine Frau oder ein Mann hinter dem Lenkrad ist. Ich denke, dass wir Frauen im Auto überlegter handeln. Nicht ganz so testosterongesteuert. Ich glaube auch, dass Frauen ruhiger, systematischer und zielstrebiger vorgehen.
Wie würden Sie überhaupt Ihren Fahrstil beschreiben?
Viele sagen, dass ich sogar oft übers Limit gehe und die Brechstange heraushole. Das habe ich im Kartsport gelernt, nämlich zu überholen und mich durchzukämpfen. Mir macht das auch sehr viel Spaß. Deswegen freue ich mich auch, wenn ich wieder fahren darf.
Welche Ziele haben Sie?
Langfristig ist die Formel 1 mein Ziel, diesen Traum habe ich, seit ich klein bin. Aber das ist leider noch sehr weit entfernt.
Abschließend: Sind Frauen die besseren Einparker?
Da kann ich von mir jetzt nicht sprechen. Ich kann nicht so gut einparken. Aber da man auf der Rennstrecke immer vorwärts fährt und ich dort auch nicht einparken muss, ist Rückwärtsfahren nicht so meine Stärke.
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