Ferrari streckt seine Fühler nach Amerika aus

2019 wird die Scuderia Corsa als neues Team die IndyCar-Saison bestreiten. Ferrari hat die Finger im Spiel.

Bei den 500 Meilen von Indianapolis im Mai 2018 stand ein ungewöhnlich anmutender Name mit auf der Teilnehmerliste: Scuderia Corsa. Am Steuer saß der routinierte Spanier Oriol Servia, der in der chaotischen Schlussphase durchaus Chancen auf einen Überraschungssieg hatte, am Ende aber nur den 17. Platz belegte. Dennoch, die erste Ausfahrt der Scuderia Corsa in der IndyCar-Serie war geglückt. Und der Weg für die Zukunft geebnet - einen Weg, den schon der verstorbene Ferrari-Boss Sergio Marchionne vorgezeichnet hatte.

Hinter dem italienischen Namen - der nichts anderes als "Rennstall" bedeutet - verbirgt sich ein 2012 von Giacomo Mattioli und Art Zafiropoulo gegründetes Motorsportteam. Mattioli ist der größte Ferrari-Händler der Welt, er betreibt unter anderem die Niederlassungen in Beverley Hills und im Silicon Valley. Zafiropoulo ist Geschäftsführer der Niederlassung im Silicon Valley. Kurzum: Das Duo Mattioli/Zafiropoulo ist Ferraris Arm in den USA.

Ferrari streckt seine Fühler nach Amerika aus

Schon der verstorbene Sergio Marchionne liebäugelte mit der IndyCar-Serie.

Kein Wunder also, dass ihre Bemühungen, einen Fuß in die Türe der IndyCar-Serie zu bekommen, durchaus argwöhnisch betrachtet werden. Ein einsatzbereites Team mit erfahrener Crew und zumindest einem routinierten Fahrer wäre eine herausragende Basis für einen werksseitigen Einstieg von Ferrari in einigen Jahren. Und ein solcher wäre wiederum ein ausgezeichneter Trumpf, wenn in zwei Jahren mit den Formel-1-Verantwortlichen verhandelt wird - denn Ferraris Vertrag bindet den Rennstall nur bis Ende 2021 an die Königsklasse, danach wird neu verhandelt. Die von Ferrari oft gespielte "Dann gehen wir eben in eine andere Serie"-Karte erhielte mit einem vorbereiteten IndyCar-Einstieg zusätzliches Gewicht.

Historisches Vorbild

Dieses Spiel hat schon einmal funktioniert. 1986 hatte Ferrari sogar schon einen Rennwagen vorbereitet - den 637. Enzo Ferrari war damals höchst unzufrieden mit den Plänen, dass die Motoren in der Formel 1 ab 1987 V8-Motoren sein müssten. Also gab der "Commendatore" einen Prototypen für den Einstieg in die CART-Serie - den Vorgänger von IndyCar - in Auftrag. Der 637 entstand in Kooperation mit dem erfahrenen Truesports-Team und deren Fahrer Bobby Rahal. Das Druckmittel war ausreichend - Ferrari durfte auch über 1986 hinaus seinen V6-Turbomotor einsetzen. Für den 637 hieß das, dass er in die Garage wanderte und später zum Testträger für Alfa Romeos neu entwickelten CART-Motor umfunktioniert wurde.

Bei der Scuderia Corsa ist von solchem politischen Geplänkel natürlich keine Rede. Im Fokus steht zuerst die Saison 2019, für die man sich mit der erprobten Mannschaft von Ed Carpenter Racing zusammengetan hat. Für Oriol Servia ist kein Platz mehr, der Spanier wird durch Ed Jones ersetzt. Der Brite kommt vom Chip Ganassi Racing Team, wird aber mit der Scuderia Corsa 2019 kein volles Rennprogramm bestreiten. Nur 13 der insgesamt 17 Rennen werden in Angriff genommen, ein Vollzeit-Programm ist frühestens 2020 ein Thema.

Bis dahin könnte Ferrari auch seinen eigenen Motor auf die Beine stellen. Aktuell kommen in den von Dallara (in Italien) entwickelten Einheits-Chassis 2,2-Liter-V6-Twin-Turbo-Motoren von Honda und Chevrolet zum Einsatz. Ab 2021 werden neue 2,4-Liter-Motoren zum Einsatz kommen, die rund 800 PS leisten sollen. Der Umstieg auf die neue Motorenformel könnte auch neue Hersteller anlocken, darunter - daraus machte schon Marchionne kein Geheimnis - auch Ferrari. Und sollte man im Haus der Roten Göttin in Maranello nicht glücklich mit der künftigen Ausrichtung der Formel 1 sein, dann hätte man - dank Giacomo Mattioli und Art Zafiropoulo - schon einen Fuß in der IndyCar-Serie.

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