Ein Leben mit der Formel 1: KURIER-Autoren erinnern sich

Ein Leben mit der Formel 1: KURIER-Autoren erinnern sich
Vor dem 1.000. Rennen am Sonntag blicken fünf Menschen aus dem Medienhaus auf persönlich prägende Momente zurück.
  • Guido Tartarotti ist langjähriger KURIER-Kolumnist und Kabarettist

Es muss 1976 gewesen sein. Ich hatte Erstkommunion. Danach fuhr die Klasse zu einem „gemütlichen Nachmittag mit Spiel und guter Laune“ nach Klein Mariazell, was für mich wie eine gefährliche Drohung klang. Ich ging lieber nach Hause und sah fern. Niki Lauda fuhr.

Ich lernte die Formel 1 zu einer Zeit kennen, als sie noch rund um die Idee gebaut war, dass Menschen miteinander um die Wette fahren, indem sie einander überholen, und zwar auf der Straße, nicht beim Reifenumwuchten. Das Wort DRS-Zone war noch nicht erfunden, geschaltet wurde mit Schaltknüppel, es gab oft zehn Rennsieger pro Jahr oder mehr, vier, fünf, sechs Fahrer konnten die WM gewinnen, und die Rennstrecken sahen noch nicht aus wie aus der Playstation.

Mir sind heute die Rennen unbeschreiblich fad, dennoch schau ich immer zu. Ich habe das einmal so gelernt: Sonntag ist Formel 1. Jetzt komme ich nicht mehr davon los, und für Klein Mariazell ist es zu spät. (Niki Lauda schied aus, und die Moni, erfuhr ich später, hat  im Bus gespieben.)

++ ARCHIVBILD ++ NIKI LAUDA WIRD 70

Lebende Legende: Niki Lauda

  • Karoline Krause-Sandner ist Redakteurin in der Außenpolitik

"Berger bewegt den Kopf.“ Mein Bruder und ich als Kinder gebannt vor dem Fernseher, Heinz Prüller hörbar beunruhigt, der Ferrari des Tirolers Sekunden zuvor noch in Flammen.

Jedes Rennen haben wir uns angeschaut. Vor oder nach dem sonntäglichen Mittagessen bei den Großeltern. Berger war unser Held. Senna, Prost (hihi), Mansell und Alesi waren aber auch hoch im Kurs. Keine Autobahnfahrt ohne kindliche Moderation von der Rückbank. Kein Überholmanöver vom Papa – der zu unserem Stolz auch noch Gerhard heißt – blieb unkommentiert. Der Dialekt des Tiroler Rennfahrers wurde bei jeder Gelegenheit nachgeahmt, bei jedem seiner Motorschäden war unsere Enttäuschung riesig.

Und dann der Unfall 1989 in Imola. Ich war fünf, die Momente sind vielleicht meine erste TV-Erinnerung.  Unser Held war mit seinem Auto in die Mauer bei der Tamburello-Kurve gekracht, lag regungslos mit seinem roten Anzug auf der Trage. Zum Glück ging alles gut aus, aber vergessen werde ich diese Minuten nicht.

  • Wolfgang Winheim schreibt seit 1966 für den KURIER-Sport

Im Gegensatz zu 16 Olympischen Spielen und neun Fußball-Weltmeisterschaften  reichte es für mich   nie zur journalistischen Qualifikation für die Formel 1. Ich durfte nur   die vom legendären  Helmut Zwickl  telefonisch und später per Fax übermittelten  Berichte mit Titeln  versehen. Oft wurden es Nachrufe.

Am  5. September 1970 – die Telefonverbindung mit  Italien war ausgefallen – stand ich vor dem Fernschreiber, der wegen einer Eilmeldung aus Monza zu ticken begann. Für Jochen Rindt war der Lotus zum rasenden Sarg geworden. Der Tag blieb unvergessen wie der 1. August 1976. Als mich die Redaktion um acht  Uhr früh  des  Olympia-Schlusstages in Montreal  wissen ließ: „Deine  Schlussbilanz hast für’n Mistkübel g’schrieben. Die Reichsbrücke ist eing’stürzt. Und der Lauda is’ verbrennt.“ 

Im Sommer 1982 ersuchte mich der Tiroler  Abfahrtsweltmeister  Harti Weirather  über einen Tiroler namens Gerhard Berger wohlwollende Zeilen  zu  veröffentlichen, „weil mein Freund in der Formel 3 narrisch guat fahrt und Sponsoren  braucht“.

Ein Leben mit der Formel 1: KURIER-Autoren erinnern sich

Posthum Weltmeister: Jochen Rindt 1970

  • Sandra Baierl leitet das Karrieren- und Immo-Ressort

Fügungen brachten mich, relativ Formel 1 unbeeindruckt, zu solchen Rennen. Spielberg und Monaco, auch in    Deutschland war ich,  Hockenheim oder Nürburgring, ich weiß nicht mal mehr, wo.

Bei so einem Spektakel dabei zu sein, schafft im Freundeskreis viel Anerkennung. Formel 1, das ist eine eigene große Sache: überall  aufgeregte Männer, die angestrengt den Autos nachschauen; sportlich schicke Frauen, viele machen die  Begleitung, manche  sind echte Fans. Spannend ist, wie wenig man tatsächlich vom Rennen sieht: draußen auf der Tribüne sausen die Autos vorbei, unfassbar laut, es ist schwierig zu erkennen, wer diese Autoschlange gerade anführt.  Aber mit einem VIP-Ticket kann man im klimatisierten Nobelclub sitzen und das  Ganze auf dem Fernseher verfolgen, dabei gut essen und  gut trinken. Fast wie zu Hause, nur mit deutlich mehr Aufwand.

Ich weiß heute nicht mehr, wer damals der große Sieger war. Aber das spielt auch keine Rolle: Die Formel 1 ist ein  Zirkus. Und im Zirkus gibt es auch keinen Sieger, nur Atmosphäre.

  • Philipp Albrechtsberger ist der für Motorsport zuständige Redakteur im KURIER

Rennen Nummer 831. Großer Preis von Deutschland, Hockenheim, 25. Juli 2010. Felipe Massa hat alles im Griff, der Sieg wird ihm dennoch aus den Händen gerissen. Sein Ferrari-Teamkollege Fernando Alonso soll/muss gewinnen. Weil Stallorder damals (wieder/noch) verboten war,  waren es offiziell die Reifen, die Massa langsamer werden ließen. Die anschließende Siegerpressekonferenz wird zur Farce – und daher zum großen Schauspiel.

Es sind Momente wie diese, die die Formel 1 auch heute noch  einzigartig machen. Die Rennserie ist wie das wahre Leben: viel zu oft unfair und vorhersehbar, aber manchmal eben auch aberwitzig und herzzerreißend.

Von Sebastian Vettel, deutscher Lokalmatador und Dritter des Rennens, wollte an jenem Sonntag kaum jemand etwas wissen. Das sollte sich ein paar Wochen später ändern. Vettel gewann im letzten Saisonrennen seine erste Weltmeisterschaft. Favorit Alonso verlor den Titel, weil sich ausgerechnet seine Ferrari-Crew verspekulierte. Gerechtigkeit? Auch das gibt es in der Formel 1. Manchmal.

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