Erster Wien-Titel: Thiem erfüllt sich Kindheitstraum

Dominic Thiem schlug in einem hochklassigen Finale den Argentinier Schwartzman. Er ist der erste Österreicher, der in Wien und Kitzbühel gewann.

Es ist ein Märchen. Mit einer Dramaturgie, die von keinem Schriftsteller besser verfasst hätte werden können. Dominic Thiem gewinnt in der Wiener Stadthalle. Auf dem Weg zum 16. Turniererfolg schlug der topgesetzte Lokal-Hero den starken Argentinier Diego Schwartzman 3:6, 6:4 und 6.3. Der 26-Jährige ist damit der dritte österreichische Sieger in der Stadthalle: Horst Skoff siegte 1988, Jürgen Melzer war 2009 und 2010 erfolgreich.

Thiem hat mit der Siegerprämie von rund 474.300 Euro die 20-Millionen-Marke an Preisgeldern geknackt. „Es war ein unglaubliches Spiel, ich kann es kaum in Worte fassen. Ein Kindheitstraum ist in Erfüllungen gegangen“, jubelte Thiem, kurz nachdem er auf dem Stadthallenboden lag und die „Dominic“-Schreie genoss. „Der Titel ist ein einziger Traum. Ich war vor 17 Jahren als Fan schon hier.“

Siegerehrung in der Wiener Stadthalle

Überraschung

Aller Anfang war nicht so toll, Thiem leistete sich einen Fehlstart und gab sein Aufschlagsspiel ab. Aber angetrieben von einem euphorischen Publikum gewann der Ranglisten-Fünfte acht Punkte in Folge. Also alles wieder gut? Nicht lange. Schwartzman, der im Laufe der Turnierwoche in Wien viele neue Fans gewonnen hat, gelang das Break zum 3:2.

Aber dieses Mal waren die Zuschauer auf Seiten von Thiem, auch wenn vereinzelt „Diego“-Rufe zu hören waren. Schwartzman gewann den ersten Satz. Aber die Dramaturgie der Woche hat gezeigt, dass dies nicht viel zu bedeuten hat. Schon gegen Fernando Verdasco und Matteo Berrettini hatte Thiem den ersten Satz abgegeben. „Ich bin überrascht, wie fehlerlos Schwartzman spielt. Dominic muss Zugriff auf das Match bekommen“, sagte Trainer-Vater Wolfgang Thiem nach dem unschönen Start mit einer Break-Orgie – Thiem gab drei Mal seinen Aufschlag ab.

Der wieselflinke Schwartzman setzte sein fehlerloses Spiel zunächst geduldig fort, Thiem wurde aber aggressiver und versuchte längeren Rallyes zu entgehen – mit dem Nachteil, dass er gelegentlich ungeduldig agierte. Das Publikum trieb den Niederösterreicher an, dieser konnte aber seine Breakchance bei 1:1 nicht nützen.

Es blieb zäh für Thiem. Noch. Als er das Break zum 5:4 holte und kurz darauf den Satz ausservierte, war die Stimmung euphorisch. Thiem spielte wieder mit den 9.600 Fans im Rücken, darunter KURIER-Kolumnist Marc Janko. Es kam zum Grande Finale. Gegen einen argentinischen Gegner, der fast alles erlief, der die Bälle so exzellent antizipiert wie nur sehr wenige Tennisprofis auf der ATP-Tour.

Lob vom Verlierer

Thiem nützte den dritten Breakball zum 1:0. Schwartzman kämpfte weiterhin, Thiem war aber der Herr auf dem Hallenplatz, der am Ende zum Heldenplatz wurde. Nach 2:25-Stunden Spielzeit durfte sich der Lichtenwörther frenetisch für seinen fünften Titel heuer feiern lassen. So viele Turniere hat heuer noch kein Spieler gewonnen. „Die Fans waren unvergesslich. Schade nur, dass ich einen guten Freund besiegt habe.“ Am Ende gab es „Diego-Chöre“. „Er war einfach zu gut“, gestand der 27-jährige Argentinier.

Thiem hat es also geschafft, gewann als erster Österreicher in Kitzbühel und in Wien. Und das im selben Jahr. Er ist allerdings nicht der einzige Österreicher, der zwei Turniere im Lande gewinnen konnte. Muster siegte in Kitzbühel (1993) und zwei Mal in St. Pölten (1994 und 1995). Es war ein Turnier, das auch ein bisschen wegen der nahen Glanzstoff-Fabrik nicht den feinsten Nachgeschmack hatte.

Thiems Topform ist kein Zufall. Auch nicht, dass er zu dieser Jahreszeit noch nie so gut war. „Es klingt komisch, aber die Erkrankung während der US-Tournee im August hat mir geholfen. Da bekam der Körper eine Ruhezeit“, sagt Thiem.

Erster Wien-Titel: Thiem erfüllt sich Kindheitstraum

Weiter verfeinert

Dass er jetzt am Höhepunkt steht, ist das Ergebnis jahrelanger harter Arbeit. Kein Zufallsprodukt. Mit Günter Bresnik hatte er über Jahre den besten Lehrmeister, immerhin zählt der Niederösterreicher zu den besten Trainern weltweit. Nach der Trennung von dem Altmeister hat der 26-Jährige unter Nicolas Massú und Wolfgang Thiem sein Spiel weiter verfeinert. Vor allem der Return und das Spiel am Netz wurden im Jahr 2019 verbessert.

Sieger war auch der österreichische Tennissport. Schon am Samstag waren in der Halle alle aus dem Häuschen. „Ich habe oft hier gespielt, aber so eine tolle Stimmung gab es noch nie. Vergleichbar war nur der Daviscup im Praterstadion 1990 gegen die USA“, sagt Ex-Profi Alexander Antonitsch. „Es ist einfach nur geil.“

Für Thiem geht es am Montag zum ATP-1000-Turnier in Paris-Bercy weiter. Danach wartet die vierte Teilnahme am prestigeträchtigen ATP-Finale der besten acht Profis. Kein einziger anderer Spieler außer Thiem war seit 2016 immer in London dabei. Der nächste Meilenstein.

ATP 500 - Vienna Open

Die bisherigen ATP-Titel und -Finali von Dominic Thiem:

ATP-Turniersiege (bisher 16/wenn nicht anders angegeben auf Sand):

2015 (3)
Nizza (439.405 Euro): Leonard Mayer (ARG) 6:7(8),7:5,7:6(2)
Umag (494.310 Euro): Joao Sousa (POR) 6:4,6:1
Gstaad (494.310 Euro): David Goffin (BEL) 7:5,6:2

2016 (4)
Buenos Aires (598.865 Dollar): Nicolas Almagro (ESP) 7:6(2),3:6,7:6(4)
Acapulco (1,551 Mio. Dollar/Hartplatz): Bernard Tomic (AUS) 7:6(6),4:6,6:3
Nizza (520.070 Euro): Alexander Zverev (GER) 6:4,3:6,6:0
Stuttgart (675.645 Euro/Rasen): Philipp Kohlschreiber (GER) 6:7(2),6:4,6:4

2017 (1)
Rio de Janeiro (2.858.530 Dollar): Pablo Carreno Busta (ESP) 7:5,6:4

2018 (3)
Buenos Aires (568.190 Dollar): Aljaz Bedene (SLO) 6:2,6:4
Lyon (561.345 Euro): Gilles Simon (FRA) 3:6,7:6(2),6:1
St. Petersburg (1,241.850 Dollar/Hartplatz): Martin Klizan (SVK) 6:3,6:1

2019 (5)
Indian Wells (8,359 Mio. Dollar/Hartplatz/Masters-1000): Roger Federer (SUI) 3:6,6:3,7:5
Barcelona (2,746 Mio. Euro): Daniil Medwedew (RUS) 6:4,6:0
Kitzbühel (586.140 Euro): Albert Ramos-Vinolas 7:6(0),6:1
Peking (3,515 Mio. Dollar/Hart): Stefanos Tsitsipas (GRE) 3:6,6:4,6:1
Wien (2.433.810 Euro/Hart): Diego Schwartzman (ARG) 3:6,6:4,6:3

Finali (bisher 8 verloren/wenn nicht anders angegeben auf Sand):

2014 (1)
Kitzbühel (485.670 Euro): David Goffin (BEL) - Thiem 4:6,6:1,6:3

2016 (2)
München (520.070 Euro): Philipp Kohlschreiber (GER) - Thiem 7:6(7),4:6,7:6(4)
Metz (520.070 Euro/Hartplatz): Lucas Pouille (FRA) - Thiem 7:6(5),6:2

2017 (2)
Barcelona (2,373 Mio. Dollar): Rafael Nadal (ESP) - Thiem 6:4,6:1
Madrid (6,408 Mio. Euro): Nadal - Thiem 7:6(8),6:4

2018 (2)
Madrid (7,191 Mio. Euro): A. Zverev - Thiem 6:4,6:4
French Open/Paris (39,197 Mio. Euro): Nadal - Thiem 6:4,6:3,6:2

2019 (1)
French Open (42,66 Mio. Euro): Nadal - Thiem 6:3,5:7,6:1,6:1

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