Es ranken sich viele Geschichten um den ersten Marathonlauf der Neuzeit vor exakt 124 Jahren bei den
Olympischen Spielen in Athen. Etwa jene, dass der spätere Sieger
Spyridon Louis auf halber Strecke in ein Gasthaus eingekehrt sein soll, um sich mit einem Glas Wein zu stärken und um den Gästen zu versichern, alle noch vor ihm liegenden Läufer überholen zu wollen.
Diese Erzählung sei eine Legende, klärte Jahrzehnte später sein Enkel auf. Richtig sei, dass Spyridon Louis von seinem zukünftigen Schwiegervater zehn Kilometer vor dem Ziel ein Glas Cognac gereicht bekam.
Fakt ist jedenfalls, dass Spyridon Louis am 10. April 1896 zum Nationalhelden
Griechenlands wurde.
Um exakt 14 Uhr gingen die 17 Läufer in der Gemeinde Marathon an den Start. Die Strecke folgte jenem Weg, den der historische Bote Pheidippides im Jahr 490 v. Chr. gelaufen sein soll, um den Sieg über die Perser zu verkünden.
Gastgeber Griechenland stand zu diesem Zeitpunkt noch ohne Leichtathletik-Medaille da, und auch den Marathon dominierten die vier ausländischen Athleten: Zuerst führte Arthur Blake (USA). Aber der Mann aus Boston war ein Spezialist für die Mittelstrecken, und nach 23 Kilometern stieg er aus. Dann war der Franzose Albin Lermusiaux vorne, der wenige Tage davor Dritter über 1.500 Meter geworden war.
Die Zuschauer feierten ihn schon als Sieger – doch dann brach er zusammen. Die Führung übernahm
Edwin Flack aus Australien. Doch auch der 23-Jährige kollabierte. Als ihm ein Zuschauer zu Hilfe kam, schlug Flack im Delirium zu. Er wurde disqualifiziert. Der Ungar Gyula Kellner, der als einziger Ausländer diese Distanz schon einmal gelaufen war, lief zwar vorne mit, konnte das Tempo aber nicht halten.
Lauf des Lebens
Nun war der Weg frei für Spyridon Louis. Der 23-jährige Bauernsohn setzte sich ab und lief als erster im neu erbauten Panathinaiko-Stadion von
Athen ein. 70.000 Zuschauer riss es von den Sitzen, auf den letzten Metern wurde er von Kronprinz Konstantin und Prinz Georg begleitet. Nach 2:58:50 Stunden und zirka 40 Kilometern überquerte Louis die Ziellinie. Der Jubel schlug in Ekstase um, als sieben Minuten später mit Haralambos Vasilakos auf Rang zwei ebenfalls ein Grieche landete. Als Dritter wurde der Grieche Spyridon Belokas gefeiert. Doch bald stellte sich heraus, dass er Teile der Strecke mit einer Kutsche gefahren war – und der Ungar Kellner erbte doch noch Rang drei.
Spyridon Louis wurde zum Idol. Für den Sieg bekam er, wie damals noch üblich, eine Silbermedaille. Eine Dame schenkte ihm unmittelbar nach dem Rennen eine goldene Uhr, ein Beamter 20.000 Drachmen. Beim König hatte er einen Wunsch frei. Louis wählte ein Pferd und einen neuen Anhänger für seine Arbeit. Der Olympionike bekam eine kleine Rente und in seinem Heimatort ein Stück Land geschenkt. An einem Laufbewerb nahm er nie wieder teil. Spyridon Louis starb 1940.
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