Nach Streit mit Erdogan: Türkische Fußball-Legende am Boden

Hakan Sükür gewann mit Galatasaray Istanbul acht Meistertitel.
Hakan Sükür war einst ein gefeierter Held. Heute lebt der Stürmer im US-Exil, wo er mit Uber-Fahren über die Runden kommen muss.

Man stelle sich vor, man wäre in New York und würde nach einer anstrengenden Besichtigungstour auf dem Weg ins Hotel ein Taxi anhalten - und sieht am Lenker Hans Krankl sitzen. Oder Herbert Prohaska. Unvorstellbar, auch wenn man die USA für ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten hält. Wenn man allerdings aus der Türkei kommt, ist es durchaus vorstellbar, dass man durch eine US-Stadt von einer Fußball-Legende aus der Heimat kutschiert wird. 

In diesem Fall heißt Herbert Prohaska Hakan Sükür und dürfte einem breiteren Fußball-Publikum sogar bekannter sein als Österreichs Jahrhundert-Fußballer. Der "Löwe vom Bospurus", so nannten die Türken etwa zu Beginn des Jahrhunderts ihren besten Stürmer, ist heute weit weg vom Status des Volkshelden. Mit 48 Jahren lebt Sükür mittellos in den USA, muss sich seinen Lebensunterhalt mit Uber-Fahren und Bücherverkauf verdienen. 

 

Nach Streit mit Erdogan: Türkische Fußball-Legende am Boden

"Alles konfisziert"

Den "Abstieg" hat der Mann, der die türkische Nationalmannschaft 2002 sensationell zu Platz drei bei der WM in Japan und Südkorea geführt hatte, seinem Einstieg in die Politik zu verdanken. 2011 trat er in die AKP ein, die Partei des heutigen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. "Die Partei hat mich eingeladen, um von meiner Popularität zu profitieren", weiß Sükür heute. Dort legte sich der langjährige Star von Galatasaray Istanbul mit dem Falschen an - Erdogan höchstpersönlich. Nach dem Fußball-Skandal und Korruptionsberichten, die auch Sükür nach Außen getragen hatte, kam es zu einem offenen StreitSükür zog wenig überraschend den Kürzeren und musste sich aus der Politik zurückziehen. 

"Erdogan nahm mir alles", klagt der Ex-Fußballer nun in einem Interview mit der Bild-Zeitung. "Mein Recht auf Freiheit, das Recht, mich zu erklären, mich zu äußern, das Recht auf Arbeit. Ich habe in der Türkei Besitz im Wert von Dutzenden Millionen Dollar. Aber es wurde alles konfisziert."

Dem Druck, den man in seiner Heimat auf ihn ausübte, hielt der ehemalige Angreifer nicht stand und trat 2015 den Weg ins US-Exil an. "Die Boutique meiner Frau wurde mit Steinen beworfen, auf der Straße wurden meine Kinder belästigt. Nach jeder Äußerung, die ich gemacht habe, erhielt ich Drohungen", erzählt Sükür, dessen Eltern in der Türkei blieben. Das bereut er heute, denn sein Vater wurde kurz darauf eingesperrt, um später nur aufgrund einer Krebserkrankung entlassen zu werden. Der Prozess gegen ihn würde weiterlaufen. 

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Verräter-Vorwürfe

Sükür wird eine Beteiligung am Putsch 2016 vorgeworfen, den Erdogan dem islamischen Prediger Fethullah Gülen in die Schuhe schiebt. "Was soll meine Rolle denn gewesen sein? Können die auf eine Straftat hinweisen, die ich begangen haben soll? Nein. Es heißt nur 'Verräter' und 'Terrorist'", sagt der dreifache Familienvater und beteuert, kein Gülenist zu sein. "Ich habe nur Dinge getan, die in meinem Land legal sind, und zwar in aller Öffentlichkeit. Aber weil ich Hakan Sükür heiße, wurde ich benutzt, um die Gesellschaft einzuschüchtern."

Er sei "kein Feind der Regierung, nicht des Staats und nicht der türkischen Nation. Ich liebe unsere Fahne, unser Land." Auf die Frage, ob er eine Botschaft für Erdogan habe, antwortet der einstige Volksheld: "Kehre zurück zu Demokratie, Gerechtigkeit und Menschenrechten. Sei einer, der sich für die Probleme der Menschen interessiert. Werde zu dem Präsidenten, den die Türkei braucht."

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