Im Jahr 2010 beginnt ein bereits 17-Jähriger beim kleinen Verein Union Wolfsbach und sagt, dass er sich auch ins Tor stellen würde. Angefangen hat der Schüler aus dem Ort bei der Reserve (U 23) des Letzten der 2. Klasse Ybbstal. Das ist die achte und letzte NÖ-Spielklasse. Zehn Jahre später ist dieser Tormann von Teamchef Foda auf Abruf fürs Nationalteam nominiert worden und darf sich sogar kleine Hoffnungen auf einen Platz im EM-Kader machen.
„Irgendwann kann ich es auch ins Team schaffen“, ist Martin Fraisl überzeugt. Wie das geht? Das ist die Geschichte von Österreichs ungewöhnlichstem Tormann.
„Ich komme vom Land und war nie bei einem Verein, als mich plötzlich mit 17 der Fußball gepackt hat“, erzählt Fraisl im KURIER-Gespräch. Von Wolfsbach ging es schnell bergauf, in die Landesliga. Geholfen hat ein Schulfreund, Markus Kaiblinger, der in Wieselburg dem Self-Made-Goalie nach Unterrichtsende Stunde um Stunde Bälle zugeschossen hat.
„Mit 19 hab’ ich mir ein neues Ziel gesteckt: Einmal ein Spiel in einer Profiliga bestreiten!“ Bereits mit 22 ist das 2014 für Wiener Neustadt gelungen. „Ich hab’ meine Ziele wieder nach oben korrigiert.“
Hilfreich war ein TV-Interview von Helge Payer. „Er hat gesagt, dass es im Osten mehrere aufstrebende Torhüter gibt, und seiner Meinung nach wäre Martin Fraisl noch über Hadzikic und Knoflach zu stellen.“ Daraufhin bekam Payer von Fraisl Post. „Ich hab’ ihn angeschrieben, so ist es dann zu unserer Zusammenarbeit gekommen.“ Rapids Ex-Tormanntrainer ist seither Fraisls Berater und Mentor.
Eine Zeit lang half ein Schutzhelm. „Ich hab’ nach einer Platzwunde damit auf eigene Gefahr gespielt. Wir sind vier Mal zu null geblieben, und ich hab’ dabei drei Elfer gehalten.“ Als Talisman blieb der Helm noch länger.
Umweg Rumänien
2018 entschied sich der 1,87-m-Mann, „all-in zu gehen“. Er wechselte nach Rumänien, zu Botosani. „Weil es aus Österreich als Tormann schwer ist, in eine bessere Liga zu kommen.“
Der rumänische Umweg führte schließlich nach Deutschland. Payers Freund Stefan Kulovits wurde auf den Aufsteiger aufmerksam. Dessen Klub Sandhausen war begeistert: Plötzlich hatte der Zweitligist eine Nummer eins, die kaum jemand kennt, die aber von den Experten gelobt wird.
Fraisl verrät, wie er den immensen Rückstand gegenüber Hunderten von Akademie-Goalies aufgeholt hat: „Ich wusste, dass ich zehn Jahre Trainingszeit nicht wettmachen kann. Deswegen hab’ ich mir für jeden Monat ein konkretes Ziel für mein Spiel gesetzt. Ich hab’ dann mindestens 60 Trainingseinheiten pro Monat absolviert, nebenbei sehr viele Videos von Top-Torhütern analysiert und auch stark an der mentalen Komponente gearbeitet.“
Neue Ziele
Außer Training gab es in Fraisls Leben eigentlich nur Training. Und heute, als einer aus dem erweiterten Teamkader? „Ich strebe nach dem Höchsten, es entscheidet aber das Tagesgeschäft.“
Ein neues Ziel gibt’s bereits: „Mit 30 würde ich gerne in der deutschen Bundesliga spielen. Am liebsten mit Sandhausen.“
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