Phänomen Haaland: Ein Naturereignis zieht über Salzburg
„Was für eine Nacht!!! Du brauchst einen Hattrick? Ruf mich an ...“ Mit einem Augenzwinkern kommentierte Erling Håland seinen Traumeinstand in der Champions League auf Instagram. Drei Tore steuerte der Norweger zum 6:2 der Salzburger im ersten Gruppenspiel der Königsklasse gegen Genk bei.
Wie ein Naturereignis ist der 19-Jährige über Salzburg gekommen. Seine Torquote ist unheimlich. Zum vierten Mal im erst neunten Saisonspiel erzielte er Dienstagabend drei Tore. Insgesamt hält er bei 17 Saisontreffern. In jeder Partie hat er getroffen – außer bei Rapid.
Aber in diesem Spiel bereitete er das wichtige 1:0 perfekt vor. Und zeigte eine weitere Qualität. Håland ist nicht nur Vollstrecker, sondern auch Einfädler. Das unterscheidet ihn von vielen anderen Torjägern, von denen viele nicht nur auf dem Fußballplatz Egoisten sind.
Das ist im völlig fremd. Er hat schon mehrmals ein Auge für den besser positionierten Mitspieler bewiesen. Als er etwa in St. Pölten ungehindert auf das Tor zulief, legte er noch für Takumi Minamino auf, der statt ihm den Ball ins leere Tor schießen durfte. Für einen Torjäger ist so ein Verhalten ungewöhnlich – genauso wie die Tatsache, dass er zwar die ersten beiden Elfmeter der Salzburger in dieser Saison verwertete, seither allerdings seinen Kollegen den Vortritt lässt.
Einpeitscher
Eine andere Qualität stellte er auch gegen Genk unter Beweis. Nachdem er nach 102 Sekunden das 1:0 erzielt hatte, legte er einen Jubelauf über das halbe Spielfeld hin. Die 28.000 Salzburg-Fans animierte er zu noch lauteren Begeisterungsstürmen. „Das war das beste Gefühl, das ich jemals hatte“, erklärte er.
Als Håland im August 2018 von Salzburg verpflichtet worden war, war das nur eine Randnotiz. Aber Insider wussten bereits, dass er die fünf Millionen Euro, die Red Bull an Molde BK zahlte, wert sein würde. Schon damals waren viele Topklubs an ihm interessiert gewesen.
Håland und sein Vater hatten sich aber für Österreichs Meister entschieden. Und das aus einem Grund: In Salzburg bekommen junge Spieler auf sehr hohem Level eine Chance. Positive Beispiele wie Sadio Mane oder Naby Keita, die beide mittlerweile beim Champions-League-Sieger FC Liverpool spielen, lockten den Norweger.
Für den Shootingstar ist Alf-Inge Håland auch Wegbereiter. Der 46-Jährige hat große Erfahrung im Fußballbusiness, hat er doch selbst eine erfolgreiche Karriere hinter sich gebracht. Zehn Jahre stand er in England bei Nottingham, Leeds und Manchester City unter Vertrag. Deshalb wurde sein Sohn im Juli 2000 in Leeds geboren.
Aber Alf-Inge Håland hat auch die Schattenseiten des Fußballs erlebt. 2001 endete für ihn eine jahrelange Privatfehde mit Roy Keane nach einer Brutalo-Attacke des Manchester-United-Stars mit einer so schweren Verletzung, dass er mit nur 29 Jahren aufhören musste. Der Ire, der in seiner Biografie den Duellen mit Håland ein Kapitel widmete, gab zu, dass er seinen Kontrahenten gezielt verletzen wollte. Keane wurde fünf Spiele gesperrt und musste 150.000 Pfund Strafe zahlen.
Die Karriere seines Sohnes plant Alf-Inge Håland stabsplanmäßig. Wie sein Vater begann Erling bei Bryne. Schon mit 15 debütierte Håland in der 2. Liga Norwegens und wechselte danach zum Erstliga-Spitzenklub Molde, der damals von Ole Gunnar Solskjær betreut wurde. Der aktuelle Manchester-United-Trainer verhalf ihm mit 16 zum ersten Einsatz in Norwegens Topliga. Spätestens da war klar, dass er ein Spieler ist mit dem Rüstzeug für eine außergewöhnliche Karriere.
Eingewöhnungszeit
In Salzburg musste sich Håland aber erst hinten anstellen. Im November 2018 war er zu Red Bull gestoßen. Trainer Marco Rose setzte auf andere Stürmer wie Munas Dabbur oder Fredrik Gulbrandsen. Der Norweger kam nur zu Kurzeinsätzen, wurde langsam an die Red-Bull-Spielweise gewöhnt. Im Mai zeigte Håland bei seinem ersten Einsatz von Beginn an gleich auf. Gegen den LASK erzielte er ein herrliches Tor.
Im Sommer schrieb er international Schlagzeilen. Bei der U-20-WM in Polen erzielte er in einem Spiel neun Tore – beim 12:0 Norwegens gegen Honduras. Auch Dienstag hat Håland Geschichte geschrieben. Er ist der erste Spieler überhaupt, der bei seinem Champions-League-Debüt in der ersten Spielhälfte drei Tore erzielen konnte. Er ist dazu der jüngste Spieler überhaupt, dem drei Treffer vor der Pause gelungen sind. Und er ist nach Raul und Wayne Rooney der drittjüngste Spieler sowie der vierte U-20-Spieler in der Champions-League-Historie, dem dieses Kunststück in einer Partie gelang.
In Salzburg steht Håland bis 2023 unter Vertrag. Dass er so lange in Österreich bleibt, ist ausgeschlossen. Die Frage ist nur mehr, wann er wieder gehen wird. Schon im Winter? Oder nächsten Sommer? Oder doch erst später? Sein Vater war jedenfalls vergangenes Wochenende in Leipzig. Ob der deutsche Red-Bull-Klub der nächste Zwischenschritt vor dem Wechsel zu einem ganz großen Klub wird oder ob er diesen Schritt direkt wagt, wird sich zeigen. Eines lässt sich aber schon sagen: Für Salzburg waren die fünf Millionen Euro Ablöse eine in jeder Hinsicht gewinnbringende Investition.
„Erling ist ein Phänomen. Er wird ein ganz, ganz Großer“
„Er ist ein guter Mensch, alle in der Mannschaft lieben ihn“, erzählte Salzburg-Trainer Jesse Marsch nach der Drei-Tore-Gala seines Shootingstars Erling Håland in der Champions League gegen Genk. Und egal, welcher Salzburger auf den Norweger angesprochen wurde, das Lob war gigantisch.
„Erling hat immer ein Lächeln auf den Lippen. Wir haben viel Spaß mit ihm. Und er treibt alle an. Das ist außergewöhnlich für einen erst 19-Jährigen. Er ist gut für die Mannschaft und die Mannschaft ist gut für ihn“, erklärte Marsch.
Als der US-Amerikaner in der Pressekonferenz nach dem 6:2-Kantersieg gegen Belgiens Meister gefragt wurde, wie er Håland in drei Worten beschreiben würde, änderte der US-Amerikaner seine Gepflogenheit. Statt wie sonst auf Deutsch antwortete Marsch auf Englisch: „Positive! Energetic! Electrifying!“ Übersetzt: „Positiv! Energisch! Elektrisierend!“
„Er hat unglaubliche Fähigkeiten in allen Belangen. Er hat die Größe, die Wucht, das Dribbling, die Technik, einen Top-Abschluss – und er ist erst 19 geworden, also er wird sich auch noch entwickeln. Und er hat die richtige Einstellung“, meinte Zlatko Junuzovic.
Auch Innenverteidiger Andre Ramalho wusste nur Positives über den Hünen aus Norwegen zu berichten: „Erling ist wirklich eine Maschine, ein richtiges Monster, mit seiner Wucht. Er verdient das ganze Lob, er arbeitet sehr hart dafür und versucht in jeder Trainingseinheit, sein Bestes zu geben“, erzählte der Brasilianer. „Wenn er so weitermacht, hat er eine große Zukunft vor sich. Er gibt immer 1.000 Prozent und versucht, Tore zu schießen. Er hat enorm viel Qualität, aber was ihn besonders macht, ist seine Mentalität.“
Auch Ramalhos Abwehrpartner Maximilian Wöber kam aus dem Schwärmen nicht hinaus: „Ich habe noch nie einen Stürmer mit dieser Größe gesehen, der so eine Ballbeherrschung hat. Erling ist ein Phänomen. Er bleibt immer am Boden, er wird ein ganz, ganz Großer.“
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