Der ehemalige Vizekanzler (ÖVP) als neuer ÖFB-Chef über den Konflikt im Fußballverband, seine Ziele und den Wechsel seines Sohnes Alexander in die Spitzenpolitik.
Josef Pröll trägt zwar nicht mehr den Titel Präsident, sondern nur noch Aufsichtsratsvorsitzender. Als neuer Chef des ÖFB ist er dennoch der mächtigste Mann im heimischen Fußball.
KURIER:Herr Pröll, für Sie als neuer Chef des Fußballverbandes war es sicherlich ein besonderer Einstand, weil das Herren-Nationalteam vergangenen Samstag beim ersten Qualifikationsmatch für die Weltmeisterschaft gewonnen hat. Wie fühlt man sich da als neuer Präsident bzw. Aufsichtsratsvorsitzender auf der Zuschauertribüne?
Josef Pröll: Mein erstes Spiel in der neuen Funktion war das Match des Frauen-Nationalteams gegen Deutschland. Bei den Männern war es sicher ein Einstand, wie man sich ihn nur wünschen kann. Aber ich habe von Anfang an auch gesagt, dass der Trainer und die Mannschaft gemeinsam mit dem Sportdirektor für die sportlichen Erfolge zuständig sind. Meine Aufgabe ist es, den ÖFB voranzubringen, dort wieder Ruhe einkehren zu lassen, die Funktionäre auf allen Ebenen zu motivieren, dass wir gemeinsam an der Zukunft des Fußballs in Österreich arbeiten. An besagtem Samstag hat sich gezeigt, dass diese Aufgabenteilung funktioniert.
Blicken wir noch einmal zurück. Es war völlig überraschend, dass Sie plötzlich als künftiger Fußballpräsident nominiert worden sind, nachdem es unzählige Spekulationen rund um den neuen ÖFB-Chef gegeben hatte. Wie war das? Hat da jemand angerufen und gesagt, bitte mach das?
Ich habe jetzt lachen müssen, weil es für mich genauso überraschend war wie für alle anderen, die beobachtet haben, was da im ÖFB abgegangen ist. Ich war völlig überrascht, als vom Nominierungsausschuss ein eMail gekommen ist mit der Frage, ob ich es mir grundsätzlich vorstellen kann, dieses Ehrenamt zu übernehmen. Im ersten Moment hatte ich das gar nicht ernst genommen. Ich wurde dann um ein Gespräch gebeten, bei dem dann herausgekommen ist, dass ich tatsächlich auf der Wunschliste ganz oben stehe. Ich habe dann gesagt, ich will Einstimmigkeit und ein klares Bekenntnis dazu. Dann musste ich das natürlich mit meinem Arbeitgeber klären. Das habe ich gemacht. Und ich habe auch die Funktion des Landesjägermeisters nach 13 Jahren zurückgelegt.
Dabei war das immer Ihre Lieblingsfunktion.
Ja schon, aber ich bin als Landesjägermeister jetzt schon 13 Jahre im Amt und habe mit meinem Nachfolger Christoph Metzger schon vor Jahren besprochen, dass ich 2027 übergeben werde. Jetzt ist es halt wegen der ÖFB-Entscheidung zwei Jahre früher gekommen. Das ist okay. Ich bin keiner, der sich zumutet, ehrenamtlich mehr als eine Top-Funktion mit vollem Einsatz zu machen.
Bevor wir uns intensiver mit dem ÖFB auseinandersetzen: Waren Sie selbst Fußballspieler?
Ich bin über das, was man so im wöchentlichen Sport im Gymnasium mit dem Turnlehrer absolviert, nicht hinausgekommen. Wir haben damals natürlich öfters Fußball gespielt.
Ein Vereinsspieler waren Sie nie?
Nein, ich war nie in einer Vereinsmannschaft aktiv dabei, war dann aber als Fan leidenschaftlich bei der Wiener Austria. Das hat dazu geführt, dass mich Wolfgang Katzian 2011 gefragt hat, ob ich nicht in den Aufsichtsrat der Austria kommen will. Seitdem war ich in der Bundesliga unterwegs. Ich bin auf alle Fälle ein leidenschaftlicher Fußballfan.
Als Sie sich für den ÖFB entschieden haben, wussten Sie natürlich, dass Sie da ein Minenfeld betreten. Konflikte unter den Landespräsidenten, in der Geschäftsführung und zwischen manchen Landespräsidenten und Teamchef Ralf Rangnick. Hat Sie das nicht abgeschreckt?
Im Gegenteil, es hat mich eher animiert, etwas zu tun, was ich in meinem Leben, in der Politik und in der Wirtschaft immer beweisen musste: nicht hinzugehen, um etwas zu zerstören und auf einen Streit noch etwas draufzusetzen, sondern um die Menschen zusammenzuführen. Zu sagen: Liebe Freunde, wir haben ein gemeinsames Ziel. Zuerst einmal Ruhe zu schaffen und dann nach 28 Jahren für Österreich die WM-Teilnahme wieder zu ermöglichen. Und diesem Ziel ist vorerst alles unterzuordnen.
Sie bringen da natürlich einiges an Erfahrung mit. Als Vizekanzler und Finanzminister mussten Sie sich mit neun Landeshauptleuten auseinandersetzen, die alle ein starkes Ego hatten. Jetzt stehen Ihnen neun Fußball-Landespräsidenten gegenüber, die ebenfalls ein starkes Ego haben. Wie gehen Sie damit um?
Ich glaube, starke Egos bringen uns weiter. Ein Problem ist es nur, wenn diese starken Egos gegeneinander arbeiten, anstatt gemeinsam etwas auf den Boden zu bringen. Ich traue mir zu, sie dahin gehend zu motivieren.
Dennoch müssen Sie jetzt Personalentscheidungen treffen. Es gibt derzeit zwei Geschäftsführer, in Zukunft ist nur einer vorgesehen.
Ich kenne diese Strukturreform, weil sie auch Bestandteil meiner Auswahl war. Also weg von einem Präsidium hin zu Aufsichtsratspositionen. Mir ist es auch egal, ob ich jetzt Präsident oder Aufsichtsratsvorsitzender bin. Es müssen die Dinge für den ÖFB erledigt werden, im Breitensport und im Spitzensport etwas weiterzubringen. Das gilt auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es gibt derzeit zwei Geschäftsführer, Thomas Hollerer und Bernhard Neuhold. Mit ihnen habe ich intensive Gespräche geführt. Beide haben hervorragende Qualitäten, jeder für sich. Jetzt geht es darum, ein Team für die Zukunft zu schmieden, da erhält jeder seine Chance.
Trotz der Konflikte, die es zwischen den beiden gegeben hat?
Ich gehe nicht hin und sage, ich weiß alles besser. Es stehen alle auf dem Prüfstand. Was ich sehe, ist eine durchaus energievolle Arbeit für die Zukunft. Und ich werde mit meinen Kollegen im Aufsichtsrat bewerten, wie wir entsprechend weiter vorgehen. Jeder bekommt seine Chance, und das ganz fair und objektiv. Da sind Zurufe von außen – sowohl aus der Medienlandschaft als auch aus dem Funktionärsbereich oder anderen Bereichen – nicht hilfreich. Ich höre zu, ich beobachte, ich fordere auf der operativen Ebene Ergebnisse ein. Danach werden wir eine Entscheidung treffen.
Wie gut ist Ihr Verhältnis zu Teamchef Rangnick?
Als klar war, dass ich nominiert werde, habe ich ein Gespräch mit dem Teamchef geführt. Noch bevor ich gewählt war. Wir haben uns in Eisenstadt getroffen und uns viel Zeit genommen. Ich glaube, wir haben uns durchaus auf einer persönlichen, menschlichen Ebene gefunden, weil ich unbelastet an meine Aufgabe herangehe. Ich habe auch mit David Alaba als Teamkapitän telefoniert und ihm gesagt, dass ich daran interessiert bin, Vorwürfe aus der Vergangenheit hinter mir zu lassen, weil diese nichts mit mir zu tun haben. Beide Gespräche haben sich ausgezahlt. Unser Teamchef ist sehr direkt und offen, das bin ich auch. Ich glaube, wir spüren, dass wir uns aufeinander verlassen können.
Sind Sie auch ein ÖFB-Chef, der dem Trainer sagt, wie er seine Mannschaft aufstellen soll?
Da habe ich in der Politik etwas Spannendes erlebt: Ratschläge von der Bande, von außen können wirklich wehtun. Wüsste ich es besser als der Trainer, wäre ich Teamchef. Aber das tue ich bei Weitem nicht, ganz im Gegenteil. Er hat seine sportlichen Freiheiten und sein Ziel, an dem er gemessen wird. Da liegt es nicht an mir, die Aufstellung zu kommentieren. Ich habe anderes zu erledigen – eine ordentliche Finanzbasis und eine Struktur für den österreichischen Fußball hinstellen.
Zum ausführlichen Interview mit ÖFB-Boss Josef Pröll
Machen wir noch einen Abstecher in die Politik. Was haben Sie sich gedacht, als Ihr Sohn Alexander Ihnen mitgeteilt hat, dass er in die Politik geht? Sie selbst haben viele Höhen, aber auch viele Tiefen in der Politik kennengelernt. Haben Sie ihm nicht abgeraten?
Nein. Ich halte es als Staatsbürger für sehr spannend, dass Menschen in die Politik gehen. Mein Sohn kommt stark von der Organisationsseite, hat Wirtschaftsrecht studiert und schon eine Firma gehabt. Das sind die Parameter, die mich sicher machen, dass ich kein Urteil zu fällen habe, weil er mit und ohne Politik in Zukunft ein gutes Leben führen können wird. Er ist ein selbstbewusster junger Mann.
Jetzt ist er sogar in der Regierung. Als ehemaliger Vizekanzler – geben Sie ihm da manchmal auch Tipps?
Wir reden ganz, ganz wenig über Politik, weil wir uns sehr wenig sehen, seit er mitten im Geschehen ist. Außerdem bin ich jetzt 15 Jahre weg von der Politik. Damals war Politik noch viel langsamer. Heute ist der Druck von außen ganz anders. Etwa durch die sozialen Medien. Meine Tipps aus der Vergangenheit wären da fehl am Platz.
Sie haben nie den Reiz verspürt, in die Politik zurückzukehren?
Überhaupt nicht. Ich war neun Jahre in der Politik, in drei Regierungen. Ich habe vieles erlebt, Erfolge gehabt, aber auch Fehler gemacht. Ich möchte diese Zeit überhaupt nicht missen. Aber ich sehe jetzt die Vorteile einer Managementposition, abseits der Medien und des öffentlichen Drucks viel ruhigere und klarere Entscheidungen treffen zu können. Ich bin weiterhin ein sehr politischer Mensch, Politik ist mir nicht wurscht. Aber ich könnte mich in diesen neuen Strukturen, dem starken medialen Fokus und dem Tempo, das dadurch heute notwendig ist, nicht wohlfühlen.
Zur Person Der Niederösterreicher Josef Pröll (56)war von 2003 bis 2011 für die ÖVP in der Bundesregierung. Von 2008 bis 2011 war er auch ÖVP-Parteiobmann. Seit 2011 ist er Vorstand des Raiffeisen-Mischkonzerns LLI.
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