Franz Beckenbauer ist tot: Der Fußball hat seinen Kaiser verloren

Es gibt sie, die Zauberer, die Ikonen, die Legenden, die Meister ihres Metiers, das uns so viel Freude bereitet.
Aber nur wenige wurden geadelt. Und nur einem kam die Ehre zuteil, seinen Namen mit Kaiser zu schmücken.
Franz Beckenbauer war der Inbegriff des Adels in der langen Geschichte des Fußballs. „In tiefer Trauer teilen wir mit, dass mein Mann und unser Vater Franz Beckenbauer am gestrigen Sonntag im Kreise seiner Familie friedlich eingeschlafen ist“, teilte die Familie am Montag mit. Gezeichnet von einem turbulenten Leben, in der sich der Glanz langsam mit der rauen Gegenwart vermischte – so lange, bis nichts mehr vom Damals blieb.
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„Die Schweden sind keine Holländer, das hat man ganz genau gesehen.“
Franz Beckenbauer
„Ich bin immer noch am Überlegen, welche Sportart meine Mannschaft an diesem Abend ausgeübt hat. Fußball war’s mit Sicherheit nicht.“
Nach einem Bayern-Spiel
„Ja gut, am Ergebnis wird sich nicht mehr viel ändern, es sei denn, es schießt einer ein Tor.“
Fußball-Weisheit
„Ich habe einen Stammbaum machen lassen: Die Wurzeln der Beckenbauers liegen in Franken. Das waren lustige Familien, alles uneheliche Kinder. Wir sind dabei geblieben.“
Über seine Familie
„Wissen Sie, wer mir am meisten leid tat? Der Ball.“
Nach einem Spiel von Deutschland
„Irgendeiner muss ja in dem Land was tun, wenn alle immer nur klagen, dass der Nachwuchs fehlt.“
Nach der Geburt seines fünften Kindes
„Das war müder Rumpel-Fußball, der streckenweise in Misshandlung des Balles ausartete.“
Bei der EM 2000
„Ich denke, das gehört zum Leben dazu, dass man an den Punkt kommt, an dem man nachdenkt, dass das Leben endlich ist: Wann ist es so weit, dass du entschwindest?“
Vor seinem 75. Geburtstag
Für die Nachwelt wird der Zauber bleiben. Vom zweifachen Weltmeister, vom eleganten Libero, vom Spielgestalter, vom Chef – vom Kaiser. Vor gar nicht langer Zeit, kurz vor seinem 70. Geburtstag am 11. September 2015, wurde eine Studie veröffentlicht, die beinahe unheimlich klang: 98,2 Prozent der befragten Deutschen kannten Franz Beckenbauer. Eigentlich jeder. Der Kaiser selbst war damals schon untergetaucht. In der Schweiz. Zuletzt lebte er in Salzburg.
Dabei gab es damals die Vorwürfe zur Vergabe für die WM 2006 in Deutschland noch nicht, die den gebürtigen und leibhaftigen Münchner weitere Wunden in die Seele brannten (die Verfahren wurden eingestellt). Aber bereits im Juli 2015 hörte ein Stück auf, im Kaiser zu leben. Stephan Beckenbauer, einer seiner Söhne und wie sein Freund und Sportfunktionär Fedor Radmann schrieb, der „beckenbauerigste“ aller (weil er selbst Profi war), verlor den Kampf gegen den Krebs. Damit starb auch ein Teil im Kaiser selbst.

Beckenbauer mit dem WM-Pokal 1974
Signale
Die Folgen fraßen sich in seinen Körper, Anfang Juli 2023 kamen die Weltmeister aus dem Jahr 1990 rund 33 Jahre nach dem großen Triumph alle in Bayern zusammen, doch einer fehlte. Es brauchte keine Wortspenden eines Lothar Matthäus, wie schlecht es ihm ginge. Sein Fernbleiben war Signal genug.
Er hat Deutschlands Fußball bewegt. Vielleicht sogar mehr noch als die legendäre Weltmeistermannschaft 1954. Weil die Medien des damals durch den Krieg stark in Mitleidenschaft gezogenen Landes neue Helden suchten. Beckenbauer brauchte man nicht suchen. Er spielte sich sofort in die Herzen der Fans. Schon 1966, als seine Eleganz (damals noch im Mittelfeld) bei der WM in England faszinierte, ein Stern begann zu glühen, der mit der verlorenen Finalniederlage gegen die Gastgeber nicht erlosch, sondern in den Folgejahren richtig aufging.

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Vor allem bei den Bayern. Das oft zitierte „Mir san mir“-Prinzip wurde erst beim Triple 2013 groß in die Welt „nausgschrian“, in Wahrheit fand es in den glorreichen 1970ern ihren Ursprung. Da waren sie die goldenen Helden des heißen Tanzes vom Weißwurst-Äquator. Dreimal gewannen die Münchner den Europapokal der Landesmeister (1974 bis 1976), drei Meisterteller wurden in dieser Ära in die Stadt an der Isar gebracht (1972 bis 1974).
Selten hörte man in den vergangenen Jahren etwas von Beckenbauer, doch als ein alter Wegbegleiter starb, war es für ihn selbstverständlich, Emotionen nach außen zu tragen. „Auch wenn man schon seit Langem die Nachricht fürchten musste: Sie trifft mich wie ein Schock.“ Gerd Müller, sein Spezi, nicht nur in guten Tagen, war vorausgegangen. Der Bomber, mit dem Beckenbauer 1974 den Weltmeistertitel holte und so ein Stück Ewigkeit im Gastgeberland Deutschland schuf, weil man im Endspiel ausgerechnet Erzfeind Niederlande besiegte. Und mit dem er zwei Jahre zuvor auch der EM-Titel holte.

Beckenbauer als Bayern-Präsident
Der Name Kaiser
Da war Beckenbauer längst zum Kaiser gekrönt worden. Wer ihn tatsächlich geadelt hatte, ist bis heute unklar. Einer Version zufolge beschrieb die Bild-Zeitung den damaligen Bayern-Spieler am 10. Juni 1969 in Anlehnung an Müller, den „Bomber der Nation“ als „Kaiser der Nation“. Oder hat doch Österreich etwas damit zu tun? Nach einem Freundschaftsspiel der Bayern bei der Austria posierte Beckenbauer 1971 neben einer Büste des ehemaligen Habsburger Kaisers Franz I. in der Wiener Hofburg. Ein Fressen für die Medien.
Beckenbauer brauchte nicht posieren, brauchte sich nicht verstellen, war menschlich greifbar. Als Teamchef, als Fußballer, aber auch als Funktionär.
Nach Diego Maradona (2020) und Pelé (2022) verliert die Fußballwelt wieder einen ganz Großen.
Einen Kaiser.
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