Kult, Drama und Bier: Wie St. Pauli wieder den Aufstieg vergeigte

Kult, Drama und Bier: Wie St. Pauli wieder den Aufstieg vergeigte
Der Zweitligist braucht für den Aufstieg in die deutsche Bundesliga wohl ein Wunder. Zu Besuch beim Kultklub aus Hamburg.

Es braucht ein Wunder. Schon wieder. Der Kultklub FC St. Pauli hat es höchstwahrscheinlich vergeigt. Wieder einmal. Oder verpennt, wie die Bild-Zeitung Hamburg meinte. Lange Zeit sah der Klub in der laufenden Zweitliga-Saison wie ein Aufsteiger in die deutsche Bundesliga aus, nun müssen die Hamburger die letzten zwei verbleibenden Spiele unbedingt gewinnen, um überhaupt noch eine kleine Chance zu wahren. Am Samstag (20.30 Uhr) geht es zu Schalke, ebenfalls Traditionsklub und Aufstiegsaspirant.

An die Hoffnung, die bekanntlich zuletzt stirbt, klammert sich bei St. Pauli fast niemand mehr. Nicht nach dem 1:1 gegen Nürnberg, als eine Rumpftruppe in der 92. Minute den Ausgleich kassierte und sämtliche Träume platzten. "Wir haben 1:1 verloren", meinten nicht nur die Spieler, sondern auch die Fans. Jene treuen Anhänger, die dem Klub den Kultstatus verpasst haben.

Friedlich die Stimmung vor dem so wichtigen Spiel, voller Vorfreude tummelten sich fast 30.000 Anhänger vor dem Millerntor, Totenköpfe, wohin man blickte.

Auf Kappen, Shirts, Hoodies oder als Tattoos auf oder unter der Haut. Karten für das Spiel gegen Nürnberg gab es schon lange keine mehr. "Aufstiegsspiel." Der Schwarzmarkt florierte einen Steinwurf von der Reeperbahn entfernt. Knapp vor Anpfiff lagen unzählige Kartons mit der Aufschrift "Suche Karte" auf dem Boden.

Kult, Drama und Bier: Wie St. Pauli wieder den Aufstieg vergeigte

Pferde und Bier

Die Polizeipferde hatten im Gegensatz zu ihren österreichischen Artgenossen sehr wohl ein Einsatzgebiet, aber nichts zu tun. Horst Hrubesch, eigentlich HSV-Legende, wurde im Trubel vor dem Stadion entdeckt und musste minutenlang Foto-Wünsche erfüllen. In Hamburg gilt "Astra" nicht als Corona-Impfung, vielmehr soll das kultige Bier in den kleinen bauchigen Flaschen die Stimmen ölen. Die Stimmen sorgten auch für beste Stimmung.

Kult, Drama und Bier: Wie St. Pauli wieder den Aufstieg vergeigte

Wieder einmal am Millerntor. Die Fans wussten um die vielen Corona-Ausfälle in der Mannschaft und die Not, lauthals versuchte man die Truppe nach vorne zu schreien, ohne dabei aber den Gegner zu beflegeln. Im Gegenteil, vor Anpfiff wurde sogar die Nürnberg-Hymne gespielt, niemand pfiff. Danach wurde für die Seenotrettung geworben, Regenbogen-Fahnen wurden geschwenkt, Banner gehisst. AC/DC plärrte aus den Lautsprechern, ein Confetti-Regen ging nieder.

Als St. Pauli durch einen schmeichelhaften Elfmeter in Führung ging, war das Millerntor das Zentrum der Glückseligkeit. Die Wucht der Fangesänge überstieg aber bei weitem jene der Mannschaft in die Offensive. Und so kam, was kommen musste bei einem Kultklub. Das Drama. Der Ausgleich in der Nachspielzeit war wie ein Stecker, der plötzlich aus der Dose gezogen wurde.

Fassungslos

Stille. Fassungslosigkeit als Ausdruck der Erkenntnis, dass es wieder einmal nicht gereicht hat für den Aufstieg. Ausgerechnet in der entscheidenden Phase der Saison wütet Corona im Pauli-Kader, fällt der Österreicher Guido Burgstaller, bester Torschütze des Vereins, verletzt aus.

Die Enttäuschten blieben höflich: "An die Gäste aus Nürnberg – kommt gut nach Hause." Oder auf die Reeperbahn, wohin es Fans beider Klubs zog. Kult, Drama, Bier. Unterm Strich bleibt immer der Kiez, der Ort des kurzfristigen Trosts.

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