Karl Daxbacher kämpfte 1978 umsonst gegen Anderlecht, „das 0:4 im Europacupfinale war die bitterste Pleite“
Am Samstag feiert die Austria-Legende den 70. Geburtstag. Daxbacher spricht über die unerwartete Karriere, schmerzhafte Trainer-Rauswürfe und den Kampf gegen Rechtsextremismus.
Vor seinem 70. Geburtstag hat Karl Daxbacher eine neue Hüfte bekommen. Es ist nicht die einzige Erinnerung an eine außergewöhnliche Karriere mit insgesamt 20 Titeln. Der Niederösterreicher aus Statzendorf war als Spieler und Trainer ein Erfolgsgarant.
Über alle Vereinsgrenzen wird der Parade-Austrianer als stolzer Vertreter von menschlichen Werten geschätzt, sein Spitzname „Sir Karl“ bleibt auch in der Pension bestehen.
KURIER: Ist die Hüfte die größte Sorge zum 70er?
Karl Daxbacher: Ich hab keine Sorgen (lacht). Vor elf Jahren wurde die eine Hüfte operiert, jetzt die zweite – das ist die Abnützung nach über 1.000 Partien mit meinem intensiven Spielstil. Die intensive Reha mit 60 Einheiten läuft jetzt auch gut. Nur die Bandscheiben-OP direkt nach dem Karriereende führe ich auf damals falsche Trainingsmethoden zurück.
Blicken Sie auf eine erfüllte Karriere zurück?
Ja. Ich hätte ja gar nicht geglaubt, dass es für die Austria reicht und gedacht, dass sie mich nach einem Jahr zurück nach Krems schicken. Losgegangen ist es 1971 nach meinem Transfer mit dem Intertoto-Cup gegen Kaiserslautern. Wir waren nach 20 Minuten 0:3 hinten und nach 25 Minuten bin ich ausgetauscht worden. Aber ich war dann so ehrgeizig, dass ich mich übers Training reingekämpft habe.
Teamchef Stastny holte Sie bereits 1972 ins Team.
Das hat viele überrascht, ich hätte auch nicht mit sieben Einsätzen gerechnet. Plötzlich wurde ich sogar „der junge Hanappi“ genannt. Aber ich war kein Wunderkicker wie Herbert Prohaska. Er ist über den Platz geschwebt. Früher hab ich gesagt: Meine erste Hüft-OP ist das Ergebnis der Drecksarbeit hinter ihm. Vor Kurzem hatte Herbert auch so eine OP – vielleicht, weil er meinen Fehlpässen so oft nachlaufen musste (lacht).
Sie verfolgen den Fußball noch intensiv. Wo am liebsten? Im Austria-Stadion, bei den Amateurvereinen in Ihrer Heimat, oder daheim vor dem TV?
Am liebsten bin ich bei der Austria, weil ich im Legendenklub meine früheren Kollegen treffe. Es kann ja so schnell gehen: Drazan, Köglberger, Riedl – sie alle sind nicht mehr da. Ich schau aber auch gerne Fußball im TV.
Ziemlich viele, das größte Interesse habe ich nach wie vor für unsere Bundesliga. Am liebsten schau’ ich den Mannschaften von Pep Guardiola zu. Ich bin seit jeher ein großer Fan von ihm. Deswegen war auch mein Thema für die UEFA-Pro-Lizenz „One-Touch-Fußball im Spiel und Training“.
Sie haben elf Titel als Spieler geholt, wurden als Trainer Cupsieger mit der Austria und stolze acht Mal Meister. Welcher war der wichtigste Titel für Sie?
Der Cupsieg 2009 hat den höchsten Wert, auch weil es die Austria war. Der schwierigste und deswegen wertvollste Titel ist aber der Aufstieg mit dem SKN 2016. In der Vorsaison waren sie im Abstiegskampf – ich bin gekommen, ohne viele Neue zu holen, und wir haben den an sich stärkeren LASK unter Trainer Glasner mit einem Punkterekord abgehängt. Das war auch eine Genugtuung, weil ich ein Jahr vorher beim LASK rausgeflogen bin.
Welche Niederlage war abseits vom verlorenen Europacupfinale 1978 die bitterste?
Das weiß ich nicht, weil ich immer nur an das Positive denke. Grundsätzlich ist für einen Austrianer jede Niederlage gegen Rapid besonders schmerzhaft. Am meisten wehgetan haben mir die Rauswürfe als Trainer.
... wie 2002 in St. Pölten, als Sie mit dem neu gegründeten SKN den zweiten Meistertitel in Folge gefeiert haben ...
... und dann musste ich trotz des Aufstiegs in die Ostliga gehen, weil ich angeblich nicht mit Talenten arbeiten kann und ohne Viererkette spielen lasse. Sie haben mich als Hinterwäldler hingestellt. Ich bin dann zu den Austria Amateuren und bin mit lauter Jungen plus Viererkette in die 2. Liga aufgestiegen. In St. Pölten haben sie nicht verstanden, dass man sich ans Spielermaterial anpassen sollte. Was bringt mir eine hochmoderne Spielanlage, wenn ich einen für diese Liga sehr guten, aber langsamen Libero habe?
wurde am 15. April 1953 in St. Pölten geboren, ist vierfacher Vater sowie vierfacher Großvater. Der gelernte Elektriker aus Statzendorf arbeitete auch als Plattenverkäufer und nach der Karriere als Pächter von zwei Tankstellen
Der Spieler
kam 1971 von Krems als Offensivgeist und wurde bei der Austria zum defensiven Mittelfeldspieler. In 14 Jahren gab es sieben Meistertitel, vier Cupsiege und den Einzug ins Europacupfinale 1978
Der Trainer
wurde 2009 mit der Austria Cupsieger und insgesamt acht Mal Meister: 2001, ’02, ’16 mit
St. Pölten; 2005 mit Austria II; 2013, ’14 mit dem LASK und 2018 mit Wacker
Auch bei der Austria wurden Sie negativ überrascht ...
... im Skiurlaub. Bei der 100-Jahr-Feier wurde ich noch als Tabellenführer gefeiert. Dann sind uns fast alle Innenverteidiger ausgefallen, die letzten Spiele vor Weihnachten haben wir verloren. Ich bin mit meinem Trainerteam nach Flachau gefahren. Dort ruft plötzlich Thomas Parits an und sagt: „Du bist nicht mehr Trainer. Deinem Co. Sepp Michorl kannst du das auch gleich ausrichten.“ Ich hab’ geantwortet: „Sag es ihm selbst“ und hab’ aufgelegt. Die Austria hat dann im Frühjahr sogar die Europacup-Qualifikation verspielt.
Wirklich böse sind Sie aber nur bei Ihrem zweiten Rauswurf als Meistermacher beim SKN geworden, oder?
Ja, da war ich haaß. Der Verein hat an alle Mitglieder Einladungen verschickt, um bei einem Fan-Abend meinen Rauswurf nach dem Aufstieg in die Bundesliga zu erklären – und hat übersehen, dass ich auch noch Mitglied war. Ich habe mich als Gast im Publikum zu Wort gemeldet und die Mitglieder über die Lügen des Vereins und von Sportchef Schinkels aufgeklärt. Dann hab’ ich unter dem Jubel der Fans die Veranstaltung vorzeitig verlassen.
Sie waren immer ein Mann der klaren Worte, haben sich gegen Nazi-Symbolik im Austria-Fanblock ausgesprochen und überlegt, deswegen die Mannschaft nicht aufs Feld zu schicken. War das mit dem Verein abgesprochen?
Nein, überhaupt nicht – und ich hab’ mich dann auch nicht getraut. Wir hätten mit den Regeln von damals wohl 0:3 verloren und der Verein hätte mich gefragt, ob ich ganz geworden deppert bin. Im Rückblick bin ich der Meinung, ich hätte zumindest sagen können: „Ich setze mich nicht mehr auf die Bank, solange bei unserer Austria Rechtsradikale ihre Transparente aufhängen“.
Leiden Sie unter der neuen schwarz-blauen NÖ-Landesregierung?
Ja! Ganz schwer. Das geht mir massiv gegen den Strich, ich bin in solchen Fragen heikel – und das muss auch kein Geheimnis sein.
Denken Sie mit Ihren 70 Jahren auch noch an die Teilnahme bei Demos oder andere Protestmaßnahmen?
Ich nicht – das macht eine meiner vier Töchter. Sie engagiert sich für die Flüchtlingshilfe und geht regelmäßig gegen Rechtsradikalismus auf die Straße.
Im Magazin „Ballesterer“ haben Sie erzählt, dass Sie als Plattenverkäufer gearbeitet haben, selbst Klassik sowie Free Jazz hören und Hans Krankl Ihr Kunde im Plattenladen war. Sie waren damals doch schon mehrfacher Meister und Teamspieler?
Ja, aber wir haben alle gearbeitet. Ich war froh, dass ich körperlich nicht mehr so drangekommen bin wie davor als Elektriker. Erst rund um das Europacupfinale sind wir dann alle Profis geworden. Heute wär’ in so einem Geschäft bissl mehr los, wenn ein aktueller Meister Musik verkauft ...
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