Hütter: „Kein Nachteil, dass ich weiß, wie man Meister wird“

Hütter: „Kein Nachteil, dass ich weiß, wie man Meister wird“
Warum für den Vorarlberger Adi Hütter Trainer Titel mit Young Boys Bern wertvoller sind als das Double mit Salzburg.

Als Young Boys Bern das letzte Mal Schweizer Meister wurde (Saison 1985/1986), war Adi Hütter 16 Jahre alt und spielte im Nachwuchs von Altach. An das letzte Double des Traditionsvereins (1958) können sich ohnehin nur mehr die älteren Semester erinnern. Allein das erklärt schon die aktuelle Fußball-Euphorie in der Schweizer Hauptstadt.

Adi Hütter ist mit den Young Boys gerade dabei, Geschichte zu schreiben. Im Cup steht der Klub im Endspiel (gegen FC Zürich), in der Meisterschaft liegen die Berner zehn Runden vor Schluss 13 Verlustpunkte vor Serienmeister FC Basel.

Am Ostermontag könnten die Young Boys im direkten Duell den nächsten großen Schritt Richtung Meistertitel machen. „Man spürt die Euphorie in der Stadt. Man spürt, dass die Fans daran glauben, dass es diesmal gelingen wird“, sagt Adi Hütter. Ein ehemaliger Nationalteamkollege konnte sich zuletzt selbst ein Bild von der Aufbruchstimmung in Bern und der Arbeit des Vorarlbergers machen. Didi Kühbauer durfte eine Woche lang Hütter bei jedem Training, jeder Besprechung und Analyse begleiten. „Das hat mir getaugt, dass er zum Hospitieren nach Bern gekommen ist. Gerade einer wie Didi hätte sicher auch andere Vereine aussuchen können. Das zeigt mir auch, dass unsere Arbeit hier gewürdigt wird“, meint Hütter.

KURIER: Herr Hütter, ist Ihr Verein jetzt der Favorit auf den Meistertitel?

Adi Hütter: Es geht nicht darum, ob wir Favorit sind. Wir sprechen jedenfalls seit Winter klar und auch öffentlich aus, dass wir Meister werden wollen und im Idealfall das Double holen. Wenn man in 23 von 26 Runden auf Platz eins gelegen ist und im Cupfinale steht, dann darf man sich diese Ziele setzen. Ich möchte in der Liga so schnell wie möglich den Sack zumachen. Wir haben es in der eigenen Hand.

Aus Ihnen spricht der pure Optimismus.

Ich bin jetzt nicht einer, der mutwillig auf die Euphoriebremse steigt. Wir haben uns die gute Stimmung, diese Überzeugung und Sicherheit über Monate hart erarbeitet. Warum soll ich jetzt zerstören, was wir aufgebaut haben? Man kann sich das eh selbst ausrechnen, wenn man die Tabelle anschaut. Der FC Basel steht unter Druck und ist gezwungen am Montag zu gewinnen. Ich weiß nur, dass wir gegen Basel seit sechs Spielen ungeschlagen sind. Wir schauen gar nicht mehr nach links und rechts, sondern konzentrieren uns auf unsere Leistung.

Hilft Ihnen in der jetzigen Phase der Meisterschaft, dass Sie mit Salzburg schon einmal Meister geworden sind?

Es ist sicher kein Nachteil, dass ich schon weiß, wie man Meister wird und worauf es ankommt. Ich würde die beiden Geschichten trotzdem nicht vergleichen. Die Situation bei Young Boys ist ganz eine andere.

Inwiefern?

Schon die Ausgangslage ist anders. Wenn du bei Salzburg Trainer bist, dann wird der Titel erwartet. Mit Salzburg das Double zu gewinnen ist sicher einfacher als das mit den Young Boys zu erreichen. Dafür muss man sich nur vor Augen führen, dass der letzte Meistertitel vor 32 Jahren gewonnen wurde.

Heißt das, die Leistung mit Young Boys hat für Sie persönlich einen größeren Wert. Immerhin sind Sie seit fast drei Jahren dort, in Salzburg waren Sie nur eine Saison.

Ich bin damals in einer erfolgreichen Phase zu Salzburg gekommen. Roger Schmidt hat mir eine sehr gute Mannschaft überlassen, die nicht großartig verändert werden musste. Das heißt jetzt nicht, dass das Double ein Selbstläufer war, es war wichtig, das zu bestätigen. Aber eines ist auch klar: In Österreich bist du als Red Bull Salzburg immer der Favorit.

Und was ist man mit den Young Boys in der Schweiz?

Mit YB gehst du sicher nicht als Favorit in die Saison. Deswegen ist die Arbeit hier in Bern auch höher einzuschätzen und höher zu bewerten. Schon allein deshalb weil wir gegen den absoluten Krösus der Liga vorne sind. Aber ich denke da auch an die Entwicklungen der letzten Jahre. Wir haben die Mannschaft praktisch jedes Jahr verändert und verjüngt. Und was mich daneben auch freut: Die Zuseher sind begeistert darüber, wie wir spielen. Die ganze Schweiz honoriert das, und das macht es dann auch interessanter. Wie schießen im Schnitt 2,2 Tore pro Match. Die Berner wollen kein Team sehen, das sich hinten einigelt, auf Konter spielt und hofft, dass aus einer Standardsituation ein Tor fallen könnte. Und deshalb noch einmal: Wenn wir das mit dem Titel schaffen sollten, würde das für mich persönlich noch einen höheren Stellenwert haben, als das Double in Österreich.

Verspüren Sie auch eine Form von Stolz? Immerhin sind Sie bald der Berner Trainer mit der längsten Amtszeit in diesem Jahrtausend?

Ich bin stolz auf das, was wir hier bewegt haben. Und ich sage ganz bewusst: Wir. Denn ich als Einzelner hätte das nicht bewerkstelligen können. Als ich 2015 nach Bern gekommen bin, habe ich gesagt, dass ich nicht glücklich bin, Trainer von Bern zu sein, sondern dass ich es vielmehr als Privileg und Ehre empfinde, diesen Traditionsverein trainieren zu dürfen. Glücklich bin ich erst dann, wenn ich Titel gewinne. Aber wissen Sie, worauf ich wirklich stolz bin?

Verraten Sie es!

2015 waren sieben von zehn Trainern in der Super League Ausländer. Stand heute bin ich der einzige Trainer, der kein Schweizer ist. Auf das bin ich schon stolz, dass ich mich in der Schweiz durchgesetzt habe. Die Fans sind jahrelang enttäuscht worden, und wenn wir denen etwas zurückgeben könnten, würde mich das sehr glücklich machen.

Ist Adi Hütter heute ein anderer Trainer als noch in Österreich?

Ich habe in der Schweiz sicherlich extrem viel dazugelernt und mich weiterentwickelt. Auch weil ich mich weiterentwickeln wollte. Wir haben zum Beispiel Spieler in der Mannschaft, die drei bis vier Sprachen sprechen. Hier kommen noch mehr Kulturen zusammen als seinerzeit in Salzburg. Diese vielen verschiedenen Charaktere unter einen Hut zu bringen, das war eine Herausforderung und hat mich reifen lassen.

Und sonst?

Ich denke, dass ich sicherlich ruhiger geworden bin. Und ich bin überzeugt, dass ich heute weniger Fehler mache. Als junger Trainer triffst du sicher manchmal falsche Entscheidungen. Du hast auch eine andere Sozialkompetenz und eine bessere Kommunikation, wenn du einmal zehn Jahre im Geschäft bist. In meinen ersten Trainerjahren war ich zu impulsiv und habe manchmal zu emotional reagiert. Heute bin ich sachlicher, nüchterner und souveräner. Das geht aber auch gar nicht anders. Bei so einem großen Verein wie Young Boys Bern schauen die Leute auf dich und hören auf das, was du sagst. Als Trainer bist du der Mensch, der extrem in der Öffentlichkeit steht und eine wichtige Figur in der Außendarstellung abgibt.

Apropos Außendarstellung. Glauben Sie, dass Sie Sich durch Ihre erfolgreiche Arbeit in der Schweiz interessanter gemacht haben?

Wenn du es als Trainer schaffst in Österreich das Double zu holen und es dir dann noch gelingt, in der Schweiz einen Titel zu holen, dann denke ich schon, dass das registriert und auch honoriert wird. Wenn wir etwas erreichen, dann wird mein Ansehen steigen. Und was danach passiert, kommentiere ich jetzt auch gar nicht. Mein Ziel ist es sicher, irgendwann einmal auch den nächsten Schritt zu gehen. Aber mir gefällt es sehr gut in Bern, Fakt ist, dass ich bis 2019 Vertrag habe.

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