Günter Kreissl: "Es ist nicht immer schlau, was ich mache"

Günter Kreissl: "Es ist nicht immer schlau, was ich mache"
Ein Gespräch mit dem Sportchef von Sturm Graz über Ehrlichkeit, Romantik und Geldgier im Business namens Fußball.

Am Ende seufzt Günter Kreissl. „Ich bin zu offen, ich sage zu viel.“ Der Sportchef von Sturm Graz hat sich beim Trainingslager in Belek Zeit für ein ausführliches KURIER-Interview genommen und einen tiefen Blick in sein Fußballer-Herz gewährt.

Die mittlerweile übliche Autorisierung erledigt der 44-jährige Wiener in der Halbzeit des Tests gegen Horsens. Kreissl steht zu seinem Wort, er will nur Kleinigkeiten ändern. In der Partie gegen die Dänen sieht er danach noch den Ausgleich zum 1:1 durch Hosiner.

KURIER: Sie üben einen intensiven Job aus. Welche Phase finden Sie angenehmer: Die Vorbereitung mit Gesprächen in Ruhe, aber auch hektischen Transferverhandlungen? Oder die Saison mit dem wöchentlichen Wettkampfmodus?

Günter Kreissl: An sich ist die Zeit der Vorbereitung angenehmer, wenn es nicht auch die Transferzeit wäre (lacht).

Die Liste der Namen Peter Stöger, Roman Mählich und Ihnen deutet darauf hin, dass Wiener Neustadt das ideale Sprungbrett zu einem größeren Verein ist. War das für Sie so?

Für mich schon, weil ich alle Bereiche kennenlernen durfte. Spielerscouting, Transfers abschließen, Pressemeldung schreiben, Mannschaftshotel aussuchen und nächstes Testspiel vereinbaren – das habe ich alles parallel gemacht. Es ist jetzt auch noch so, dass ich jede Pressemeldung vorab lese, weil kein Wort egal ist.

Sind Sie ein Perfektionist?

Ich bin in manchen Bereichen pingelig, aber nicht überall. Die Kommunikation des Vereins ist ganz wichtig. Ich hoffe, ich bin da für unseren sehr guten Pressesprecher Alexander Fasching nicht zu mühsam.

Im Frühjahr herrschte Euphorie, nach der Transferzeit ist die Stimmung umgeschlagen. Würden Sie im Nachhinein vorsichtiger kommunizieren?

Ja, wenn ich mir heute etwas vorwerfe, ist es, dass ich Euphorie betreffend der Kaderkontinuität geschürt habe. Es hat sich dann im Kader viel mehr verändert als wir wollten. Da hätte uns nur noch geholfen, gnadenlos Erfolg zu haben. Da wir weit oben waren, tut das Runterpurzeln auch stärker weh.

Sie haben vor einem Jahr Heiko Vogel ausgesucht. War der Trainerwechsel im November für Sie selbst ein Scheitern?

Ich habe mir diese Frage auch gestellt und sehe es nicht als Scheitern. In sieben Jahren in diesem Job war es meine erste Trainer-Freistellung. Es war für Heiko Vogel nach einem so dominanten und erfolgreichen Trainer wie Franco Foda eine extreme Herausforderung, und die hat er mit dem Cupsieg und dem Vizemeistertitel gemeistert. Im Herbst war aber ein Punkt erreicht, wo wir etwas ändern mussten.

Da Sie immer von der Qualität des Kaders überzeugt waren – wie wichtig war, dass Roman Mählich sofort Erfolg hatte, um nicht widerlegt zu werden?

Ganz wichtig. Ich habe mich gefragt: Ist unser Kader so viel schlechter als jene von St. Pölten und dem WAC, die weniger Geld ausgeben konnten? Und ich bin mir sicher, das ist er nicht!

Sind Transfereinnahmen das größte Wachstumssegment?

Wir haben uns nicht darüber definiert, aber es war zuletzt so. Viel schöner wäre es, über die Europa League Millionen zu verdienen.

Mit der Heimbilanz von zehn Niederlagen in Folge ist das aber kaum möglich.

(lacht) Das hat sich über mehrere Spieler-Generationen angesammelt, aber unsere Niederlagen im Sommer hatten damit nichts zu tun.

Wie wichtig ist Ihnen als Wert die Ehrlichkeit?

Sehr wichtig. Es ist aber nicht immer gesund, in diesem Business an der Ehrlichkeit festzuhalten.

Wäre es nach den Erlebnissen im Sommer nicht besser, sich etwas anzupassen?

Das finde ich nicht erstrebenswert. Unser Erfolg in der vergangenen Saison war so ehrlich erarbeitet, das war nicht zu überbieten. Und es war wahnsinnig schön. Was dann passiert ist, war schade, aber ich will mich deswegen nicht verbiegen lassen.

Was ist denn dann Ihr Plan B?

Vielleicht mache ich das noch fünf oder zehn Jahre, bleibe aufrichtig und höre dann auf. Ich habe eine tolle Familie mit zwei Kindern, die viele Opfer bringen müssen, weil ich so viel arbeite. Um das klarzustellen: Ich bin nicht amtsmüde. Aber die aktuellen Entwicklungen sind extrem geldgetrieben.

Ist daran das Geld oder der Charakter schuld?

Die Auswirkung von Geld auf den Charakter. Zu mir sagen viele: Du würdest doch auch weggehen, wenn du mehr Geld verdienen kannst. Nein, mache ich nicht!

Sie haben lukrativere Angebote abgelehnt?

Ja, sowohl bei Wiener Neustadt als auch bei Sturm. Viel mehr als gut verdienen geht eh nicht. Okay, sehr gut verdienen. Aber mir ist es lieber, wenn ich Überzeugungen und Werten nachgehen kann. Ich kann mich mit Sturm sehr gut identifizieren, das ist vom Grunde her ein erdiger Arbeiterverein, kein abgehobenes Luxusprodukt.

Günter Kreissl: "Es ist nicht immer schlau, was ich mache"

Sind Sie einer der letzten Romantiker im Fußball-Business?

Vielleicht (lacht). Es ist nicht immer schlau, was ich mache. Ich mag auch diese Figuren in der Literatur wie Don Quijote.

Ist der Fußball schlimmer als die Gesellschaft oder ein Abbild dieser?

Ich wäre geneigt zu sagen, er ist schlimmer. Aber das ist nicht fair, weil ich nur im Fußball Einblick habe. Was ich so höre, ist es in Führungspositionen der Wirtschaft aber ähnlich.

Wenn Sie Enttäuschungen erleiden: Wie lange brauchen Sie, um wieder durchzustarten?

Vielleicht einen Tag. Dann kämpfe ich um die bestmögliche Alternative. Denn der Erfolg ist alternativlos. Ich kann mit vielen Überlegungen oder einem guten Interview nichts gewinnen. Am Ende zählt nur das Ergebnis auf dem Feld.

Wann neigen Sie eher zu Fehlern: Im Erfolgsfall oder wenn es rundherum Probleme gibt?

Grundsätzlich macht dich Stress fehleranfälliger. Ich versuche, Fehler nicht zwei Mal zu machen. Am ehesten passieren sie wegen fehlender Erfahrung.

Jetzt wissen Sie, dass lautstarke Kritik wie an Schiedsrichter Heiß auch im Stadioninnenraum von den TV-Mikrofonen aufgenommen wird ...

... genau. Das war ein Fehler, ich geniere mich aber nicht wahnsinnig dafür, weil keine Schimpfwörter dabei waren. Was ich gemacht habe, ist jede Woche in ganz Europa an der Outlinie gegenüber Schiedsrichtern zu hören. Aber ich habe daraus gelernt.

Alle freuen sich über die Spannung durch die Ligareform mit der Meistergruppe. Ist sie auch ein Stress-Beschleuniger?

Ja. Ich habe noch nie erlebt, dass so viele Fans die Auslosung von mehreren Klubs auswendig kennen, weil sie die Punkte bis zur Teilung nach Runde 22 hochrechnen. Das ist aus Sicht der Liga voll aufgegangen, aus neutraler Sicht ein Erfolg, für uns ist es aber ein Stressfaktor. Und daran sind die größeren Vereine Rapid, Austria und Sturm selbst schuld.

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