Guru, Gambler, Grantscherm, Gemütsmensch: Das war Ernst Happel
Ernst Happel mit Enkerl Christina.
„Das Schicksal mischt die Karten“, erkannte Schopenhauer, „und wir spielen.“ Klingt wie die Lebensphilosophie Ernst Happels, einer der genialsten Vor- und Nachdenker seines Fachs. Ein Schopenhauer jenes grünen Rasens, den er, samt Spielfiguren, auch auf seinem Nachtkastl aufgebreitet hatte, falls ihm, noch im Traum, eine taktische Finesse ereilen sollte. Ob nun Pressing, Abseitsfalle oder Offensivzauber – „er war einfach seiner Zeit voraus“, so die deutsche Legende Netzer.
Auch Lichtgestalt Beckenbauer stellte sich selbst versonnen in Happels Schatten: „Alles, was ich als Teamchef erreicht habe, basiert auf dem Wissen, das er mir mitgegeben hat. Danke.“ (siehe rechts).
„Es ist schön, dass er mehr als 30 Jahre nach seinem Tod noch so präsent ist. Als Kinder haben wir noch nicht wirklich überrissen, wie groß sein Ikonenstatus ist“, strahlt Enkelin Christina Happel (siehe unten). Zum Gedenken an das „Jahrhundertereignis“ wird sie am kommenden Samstag (29. November) sein Grab am Hernalser Friedhof (Feld 1, Nr. 238) besuchen und schmücken.
Ernst Happel beim Kartenspiel
Von Triumphen ...
Ein „Glorienschein“ für einen Grantscherm? Nun: Er hatte zweifellos Charme, Charisma und Schmäh, ja sogar gehörig Selbstironie. „Mei’ mieselsüchtige Mimik“, gestand er, „hat mi Millionen kost’.“ Wie das? „Ganz ehrlich – wer will scho mit so an schiach’n Schädel a Werbung machen?“
Happels sportliche Triumphe im Telegrammstil: 25 Titel in vier Ländern (2 x Meistercup, 1 x Weltpokal, Heiligenstatus in Den Haag, Lüttich, Brügge, Rotterdam und Hamburg), Vize-Weltmeister (mit Niederlande 1978), schon als Kicker gottbegnadet (3. WM-Rang 1954), ewig verliebt in Ball und Risiko, Champion im „100-m-Über-die-Hürden-Gehen“, Dauerqualmer, Cognac-Schwenker, Casinohasardeur.
Als sein intimster Kumpel (seit der Rapid-Jugend), Goalie „Tiger“ Zeman, 1991 starb, sagte „Aschyl“ den „Schwarze-Katz“-Tipplern im Ottakringer Café Ritter ohne Wimpernzucken: „Und i bin der Nächste.“
A Ministrant war ich mein Leben lang net. Ich lebe das Risiko, ich liebe das Risiko.
Legende, Raucher, Spieler
... bis zur Tragödie
Am 14. November 1992, um 17.17 Uhr, starb Ernst Happel im 67. Lebensjahr in der Uniklinik an Lungenkrebs. Dabei hätte er gute Chancen auf ein viel höheres Alter gehabt. „Er unterschätzte die frühe Diagnose und wollte partout nicht für die notwendige Therapie pausieren“, weiß seine Enkelin Christina. Happel, der Getriebene, der nach Österreich heimgekehrt war, um nicht im Ausland „totzugehen“, absolvierte schwerst gezeichnet das 5:2 seines Teams gegen Israel – ein letzter Auftritt an einem Spielfeldrand, zwei Wochen vor dem Ende. Dabei hatte er die Hymnen „versäumt“, weil er sein Kappel hätte abnehmen müssen: „Da täten die Aasgeier mi mit der Chemo-Glatz’n fotografieren – den G’fall’n tua i eahna sicher net.“
Obwohl: Das emotionale Finale gab es noch vier Tage danach beim 0:0 Österreichs (in Nürnberg) gegen Deutschland. Da lag das Kappel 90 Minuten lang auf der Bank. Nicht nur die Fußballwelt zieht seither immer noch den Hut vor ihm.
Kurz nach Happels Hochzeit (1952) mit Elfriede ( 1996) kam Ernst jun. (72), dessen Kicker-Karriere trotz Talents bald endete. Auch Enkel Philipp (44), heute Etihad-Manager in Abu Dhabi, ließ sich nicht zum „nächsten Happel“ drillen. Nur Enkelin Christina (43, Tochter Lea, 7) blieb als Sky-Reporterin am Ball. Heute, als Marketingchefin einer Agentur, hält sie „Opa Hamburg“ dankbar in Erinnerung: „Einmal hat er mir zu Weihnachten eine riesige Stoffente gekauft. Er war ein Traum.“
Frauenschwarm
KURIER-Sportredakteur Karl Koban ( 1998) erlebte Happel jahrzehntelang hautnah: „Die Frauen sind ihm nachgerannt – er hatte ein Gspür, wie man sie behandelt.“ Spätestens ab den 1970ern galt der Grundsatz, den einst sein Kartenspezi Wurmerl prägte: „Familie und Privatleben hat er immer strikt getrennt.“
Vermächtnis
In Brügge, Lüttich und Hamburg lebte Happel mit einer Annemarie, die sich nach der Trennung just in der Bildzeitung ausweinte, in Innsbruck und Wien stand ihm Veronika bis zum letzten Atemzug zur Seite. Scheidung war nie ein Thema. Seine letzte Partnerin wusste das vom ersten Tag an. „Bei zwei Anlässen“, hatte ihr der um den Kontakt zu den Enkelkindern Bangende mitgeteilt, „bist nicht dabei: Zu Weihnachten und zu meinem Begräbnis.“
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