Englische Ekstase und italienische Tränen

Von Fabio Tartarotti
Man könnte meinen, die Engländerinnen hätten einen Hang zum Dramatischen. Vielleicht haben sie auch einfach besonders große Freude am Sport und leisten bereitwillig Überstunden. Nachdem die Britinnen im Viertelfinale gegen Schweden eine späte Aufholjagd gebraucht hatten und sich erst im Elfmeterschießen durchsetzen konnten, nahmen sie sich auch im Semifinale gegen Italien wieder mehr als 120 Minuten Zeit, um den Finaleinzug zu fixieren. Mit Tränen im Gesicht mussten sich die Italienerinnen verabschieden, die das Team aus England zuvor schon an den Rande einer Niederlage gedrängt hatten.
Große Heldin der Lionesses ist die erst 19-Jährige Stürmerin Michelle Agyemang. Italien war in Minute 33 durch Barbara Bonansea in Führung gegangen und konnte diese bis in die Nachspielzeit der zweiten Hälfte halten – doch dann stach der Joker. Elf Minuten nach ihrer Einwechslung stand Agyemang im Strafraum goldrichtig und verwertete einen Nachschuss nach Parade der italienischen Torhüterin zum 1:1. Schon eine Runde zuvor war es Agyemang, die ihre Mannschaft mit einem späten Ausgleichstreffer in die Verlängerung rettete.
„Sie hat etwas Besonderes. Sie ist erst 19, aber sehr reif, sie hält den Ball wirklich gut. Wenn sie so weitermacht, hat sie eine sehr große Zukunft“, lobte Trainerin Sarina Wiegman die Offensivspielerin nach dem Spiel.
Entschieden wurde die Partie erst spät in der zweiten Hälfte der Verlängerung, nach einem kontroversen Elfmeter. Emma Severini und Beth Mead kämpften bei einer Flanke um die Positionierung im Strafraum, Letztere ging dabei zu Boden. Die Schiedsrichterin zeigte auf den Punkt – Elfmeter für England. Chloe Kelly verwandelte im Nachschuss (119.). England steht im Finale.

Tränenreicher Abschied von der EM für Cristiana Girelli und die Azzurre.
Große Enttäuschung, aber auch Frust über die Elfmeterentscheidung herrschte bei den Italienerinnen. „Sie haben sich gegenseitig festgehalten. War es ein Elfmeter? Ich weiß es nicht“, sagte Trainer Andrea Soncin, nachdem er eine Wiederholung der Szene gesehen hatte. „Meiner Meinung nach hat England den Sieg nicht verdient“, schäumte Mittelfeldspielerin Manuela Giugliano. Kapitänin Cristiana Girelli, die nach Krämpfen ausgewechselt werden musste, ließ ihren Tränen freien Lauf. Eine Reporterin reichte ihr ein Taschentuch, es half nur wenig. „Natürlich haben wir uns dieses Finale gewünscht, es hätte wirklich etwas Unglaubliches bedeutet.“
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