Eine EM ohne Alaba? Chirurg spricht über Verletzung des ÖFB-Stars

Eine EM ohne Alaba? Chirurg spricht über Verletzung des ÖFB-Stars
Chirurg Christoph Resinger über Kreuzbandrisse im Fußball, die Rehabilitationsdauer und die Häufung, der schweren Verletzung.

Dr. Christoph Resinger (fussballdoc.at) hat mit Kreuzbandrissen Erfahrung. Der Mediziner ist auch Arzt des ÖFB-Unter-21-Teams und spricht über die Verletzung von David Alaba.

KURIER: Alaba hatte keinen Fremdkontakt. Wieso ist sein Kreuzband gerissen?

Christoph Resinger: In mehr als 50 Prozent sind es Non-contact-Verletzungen. David hat schon Hunderte Male so attackiert. Wahrscheinlich gab es in dieser Millisekunde eine neuromuskuläre Dysfunktion, eine Fehlfunktion im Bewegungsablauf inklusive muskulärer Ansteuerung.

Eine EM ohne Alaba? Chirurg spricht über Verletzung des ÖFB-Stars

David Alaba, Dr. Christoph Resinger

Wie kommt man zu einer schnellen Diagnose?

Wenn das Bein nach innen kippt, also bei einer Hüftabduktion, das Knie in eine X-Bein-Stellung geht und der Fuß nach außen rotiert, dann ist das ein typischer Kreuzband-Mechanismus. Dazu ist wichtig, was der Spieler beschreibt. Hat er ein Geräusch gehört oder Instabilität verspürt? Das Wichtigste ist trotzdem die Bildgebung durch ein MRT, nur die kann sagen, was es an Begleitverletzungen gibt.

Weil Kreuzbandriss nicht gleich Kreuzbandriss ist?

Mehr noch: Es ist keiner gleich. Ganz selten gibt es isolierte Kreuzbandrisse. Meistens ist auch der Meniskus, das Seitenband oder der Knorpel betroffen. Dadurch wird es komplex. Das Kreuzband kann auch am Oberschenkel, in der Mitte oder am Unterschenkel reißen. Je nach den Begleitumständen richtet sich die OP-Methode.

Beim Kreuzbandriss heißt es oft, der Spieler fällt sechs Monate aus. Wenn dem so ist, könnte sich die EM für Alaba ausgehen?

Sechs Monate sind das untere Limit. Davor ist das Risiko für eine Wiederverletzung zu groß. Es gibt Spieler, die sind funktionell nach sechs Monaten so gut wie andere nach zwölf. In speziellen Situationen kannst du das Risiko eingehen und nach sechs Monaten einsteigen. Wenn der Spieler einen super Muskel hat, alle Tests besteht und das MRT-Bild gut ist. Es gibt viele Faktoren, die eine Rolle spielen, wie etwa der unmittelbare postoperative Verlauf oder die Erstversorgung. Wobei die bei Real auf dem allerhöchsten Level ist. Ebenso die Reha-Bedingungen mit Top-Therapeuten. Alles, was es am Markt gibt, kommt dort zur Anwendung. Trotzdem bleibt es eine schwere Verletzung und jeder Körper reagiert individuell.

Prognosen sind demnach also nicht sinnvoll?

Richtig. Wenn man etwas Positives beitragen will, dann nimmt man den Druck raus. In Amateurligen heißt es oft: Nach sechs Monaten geht’s wieder und wenn es dann wieder reißt, heißt es, die OP oder die Reha waren schlecht. Das ist falsch. Der Spieler ist fit, wenn er alle Reha-Schritte erfolgreich abgeschlossen hat und die Funktion wiederhergestellt ist. Trotz Verbesserung der OP-Methoden und der intensiven Forschung ist es in den vergangenen Jahren nicht gelungen, die Rate von neuerlichen Rissen dramatisch zu reduzieren. Das ist allen ein Dorn im Auge.

Warum ist das so?

Das Spiel ist schneller und athletischer geworden. Ein Profi hat heute bis zu 1.400 Richtungswechsel pro Partie.

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