0:5 - Historische Abfuhr für die Bayern in Mönchengladbach
Historisches Pokal-Fiasko für den FC Bayern, magische Nacht für Gladbach: Inmitten einer heftigen Corona-Diskussion muss sich der abwesende Bayern-Coach Julian Nagelsmann zumindest einen Titel schon früh abschminken. Der Rekord-Pokalsieger wurde beim 0:5 (0:3) am Mittwochabend von einer entfesselten Borussia gedemütigt wie nie zuvor im DFB-Pokal und dabei sogar noch gnädig behandelt. Die höchste Pokalniederlage der Bayern überhaupt hätte sogar noch höher ausfallen können oder gar müssen.
Manu Koné (2. Minute), Ramy Bensebaini (15. und 21./Foulelfmeter) sowie der an allen fünf Toren beteiligte Breel Embolo (51. und 57.) sorgten für den ersten Pokalsieg Mönchengladbachs überhaupt gegen den alten Rivalen. Für die Borussia dürfte der denkwürdige Abend in die Vereins-Chronik eingehen. Nach einigen Rückschlägen zuletzt verzückte das Team von Trainer Adi Hütter den Anhang bei der Rückkehr der Fan-Massen vor 48.500 Zuschauern. „Oh, wie ist das schön“, schallte es durch den Borussia-Park.
Die Bayern dagegen waren ohne Nagelsmann von Beginn an komplett unterlegen. Mit dem Bundesliga-Tabellenführer gingen auch Nationalspieler Joshua Kimmich, der seit Tagen wegen seiner Nicht-Impfung gegen das Coronavirus im Mittelpunkt einer nationaler Debatte steht, und Weltmeister Lucas Hernández unter. Der französische Abwehrspieler erfuhr erst am Mittwoch, nun doch keine Haftstrafe wegen häuslicher Gewalt antreten zu müssen. Der Abend muss dem 25-Jährigen dann wie ein Horror-Trip vorgekommen sein.
Ein Beben im Stadion
Das Stadion zum Beben bringen, hatte Gladbachs Sportdirektor Max Eberl angesichts der stimmungsvollen Kulisse - so viele wie letztmals vor der Corona-Pandemie - als Ziel für den Klassiker ausgegeben. Dass der Borussia-Park gleich reihenweise in seinen Grundfesten erschüttert wurde, hatte sich Eberl aber kaum erträumen lassen. Denn die Gladbacher spielten sich regelrecht in einen Rausch, während die Bayern völlig neben der Spur standen. Mit dem 0:3 zur Pause waren die Gäste sogar noch gut bedient.
Keine Spielkontrolle, kein Biss, keine Ideen - dazu viele Wackler und haarsträubende Fehler, insbesondere des völlig indisponierten Neuzugangs Dayot Upamecano. Von der sonst so erdrückenden Dominanz war nichts zu sehen. Vielmehr war es eine Demütigung, die der Club nicht allzu oft in seiner ruhmreichen Klubgeschichte erlebt hat. Der positiv auf Corona getestete Coach Nagelsmann dürfte daheim in seiner Küche geradezu erschrocken ob des Auftretens gewesen sein.
Es war ein Abend zum Vergessen für das erfolgsverwöhnte Starensemble aus München, auch für Kimmich. Der Nationalspieler steht seit Tagen im Mittelpunkt einer heftigen Debatte in Deutschland, weil er eine Corona-Impfung bislang abgelehnt hat. „Joshua kennt die Haltung des FC Bayern. Wir können unseren Spielern nur empfehlen, sich impfen zu lassen“, hatte Vorstandschef Oliver Kahn in der ARD noch einmal betont, gleichzeitig aber auch angemahnt: „Das ist ein Gesundheitsthema, das berührt jeden Spieler in seiner Privatsphäre.“ Sportlich trat Kimmich in Gladbach nicht in Erscheinung und reihte sich in eine schwache Bayern-Mannschaft ein.
76 Sekunden bis zum Jubel
Es dauerte gerade einmal 76 Sekunden, als die Borussia das erste Mal jubelte. Koné eroberte den Ball gegen Alphonso Davies und schoss im Zusammenspiel mit Breel Embolo selbst zur Führung ein. Es war ein Wirkungstreffer, von dem sich die Münchner nicht erholten. Jonas Hofmann entwischte Upamecano und setzte den Ball frei vor Manuel Neuer neben das Tor (9.). Dann zwang Embolo den deutschen Nationalkeeper zu einer Parade (11.), ehe Zakaria das Tor knapp verfehlte (12.).
So fiel das zweite Tor fast folgerichtig. Nach einem Traumpass von Hofmann schlug Bensebaini eiskalt zu. Und der Algerier, gerade nach einer längeren Verletzungspause wieder genesen, war es auch, der beim Elfmeter keine Nerven zeigte. Bensebaini ist quasi Bayern-Experte, schon im Dezember 2019 hatte er beim 2:1 die Münchner mit zwei Toren abgeschossen. Zuvor hatte Lucas Hernandez den Gladbacher Embolo mit einem Tackling im Strafraum zu Fall gebracht. Die Frage "Foul oder nicht?" stellte sich nicht, da in der zweiten Pokalrunde noch kein Video-Schiedsrichter im Einsatz war.
Hernández hatte am Vormittag noch frohe Kunde aus Spanien erhalten. Der Weltmeister muss nicht ins Gefängnis, die spanische Justiz gab einer Berufungsklage des 25-Jährigen statt. Die sechsmonatige Haftstrafe wegen häuslicher Gewalt war schon 2019 von einem Strafgericht in Madrid verhängt worden.
Vielleicht waren es zu viele Themen, die die Bayern in den letzten Tagen beschäftigt hatten. Der Meister war jedenfalls nicht wiederzuerkennen. Ein Schüsschen von Serge Gnabry (35.) und eine gefährliche Aktion von Leroy Sané (43.) - das war es auch schon im ersten Durchgang.
Fehler, Fehler, Fehler
Nachdem die Münchner im zweiten Durchgang mit neuem Mut aus der Kabine kamen, machte Upamecano mit einem weiteren Fauxpas alles zunichte. Embolo bedankte sich mit einem fulminanten Schuss. Für Upamecano war danach Schluss, doch die Fehler endeten nicht. Denis Zakaria scheiterte frei vor Neuer (54.). Doch nur drei Minuten später klingelte es bei einem Schuss von Embolo wieder bei Neuer, der einen ähnlich fürchterlichen Abend erlebte wie beim 0:6 gegen Spanien vor knapp einem Jahr in der Nations League. Auf der Bayern-Bank wurden die Mienen lang und länger, danach ging es nur noch um Schadensbegrenzung.
„Das ist schockierend. Wir waren nicht da, haben in der ersten Halbzeit keinen Zweikampf gewonnen. Wir haben uns den Schneid abkaufen lassen. Es war ein kollektiver Blackout. Für mich ist das unerklärlich“, sagte Bayerns Sportvorstand Hasan Salihamidzic in der ARD.
„Wir haben die Bayern ein Stück weit an die Wand gedrückt“, sagte Gladbachs Sportchef Max Eberl und fügte hinzu: „Der Abend geht bestimmt in die Geschichte von Borussia Mönchengladbach ein.“ So ein Spiel müsse nun auch der Maßstab sein. „Der FC Bayern ist vielleicht die beste Mannschaft der Welt, das ist für uns ein Ansporn. Wir genießen den Abend“, ergänzte Embolo. ARD-Experte Bastian Schweinsteiger konnte den Auftritt seiner Ex-Mannschaft kaum begreifen: „Das darf Bayern München nicht passieren.“
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