Digitaler Entzug in den Bergen: Snowboarden wie früher

Tief verschneite Hänge wurden zur beeindruckenden Kulisse
Freeride-Weltmeisterin Manuela Mandl spricht über ihren Film und ihren persönlichen Weg auf den Gipfel.

Wer kennt das nicht? Der Blick schweift über das Smartphone, der Finger wischt ins Leere. Kaum ist das Telefon in der Hand, hat man auch schon wieder vergessen, wonach man eigentlich suchen wollte.

Manuela Mandl schafft es immer wieder, sich diesem Zwang zu entziehen. Im Film „Die Ruhe nach dem Sturm“, der beim Freeride-Filmfestival präsentiert wird, geht es auch um dieses Thema. „Nach dem Weihnachtstrubel haben wir versucht, wieder runterzukommen“, erzählt die Wienerin. Also schenkten die beteiligten Skifahrer und Snowboarder einander alte Tastenhandys und gingen in zwei Campingbussen auf Tour.  

Digitaler Entzug in den Bergen: Snowboarden wie früher

Manuela Mandl packt das Tastenhandy aus

Digitaler Entzug

Geplant war eine Reise zu verschneiten Gipfeln in Italien. Doch es kam der Nordstau – und jede Menge Schnee in Österreich. „Also sind wir geblieben und haben uns einschneien lassen.“ Heraus kamen fantastische Aufnahmen von tief verschneiten Hängen und Sportlern mit jeder Menge Spaß. „Es hat extrem gutgetan, das Smartphone nicht ständig anzuschauen und nicht auf den Social-Media-Kanälen zu sein“, erinnert sich Mandl. Die Abende wurden mit Gesellschaftsspielen verbracht, gekocht wurde mit lokalen Zutaten. Der digitale Entzug forderte auch ein Umdenken. Mandl erklärt: „Es ist faszinierend, wie sich unsere Sicht auf die Welt in den vergangenen Jahren verändert hat. Für den Wetterbericht haben wir wieder das Radio benutzt. Und zum Navigieren haben wir Karten verwendet.“

Gezeigt wird der entstandene Film am Mittwoch in Innsbruck, danach tourt das Freeride-Filmfestival durch Deutschland und die Schweiz, ehe es nach Wien (14. November), Salzburg (17. November), Graz (18. November) und Dornbirn (19. November) geht.

Digitaler Entzug in den Bergen: Snowboarden wie früher

Für Manuela Mandl schließt sich damit ein Kreis. „Es ist heuer das zehnte Filmfestival. Ich kann mich noch erinnern, als ich vor zehn Jahren bei der ersten Auflage im Wiener WUK vor der Bühne gesessen bin. Damals habe ich bei der Tombola ein paar Tage Aufenthalt in Gastein gewonnen. Jetzt stehe ich selbst auf der Bühne.“

In diesem Zeitraum hat sich viel getan. Aus der Architektur-Studentin wurde eine Freeride-Weltmeisterin. Das Studium ist fast fertig, nur die Master-Arbeit fehlt noch. „Der Beruf Snowboard-Profi ist ein Ganzjahresjob geworden“, begründet die Wienerin die Uni-Pause. Keine Sekunde habe sie es bisher bereut, diesen Weg eingeschlagen zu haben. „Ich benötige wenig Geld und Ressourcen. Dieser Abschnitt in meinem Leben ist mir mehr wert als ein höheres Einkommen.“ Jetzt hat Mandl ein WG-Zimmer in Innsbruck. Ihre Wiener Bleibe hat sie vermietet.

Der Beginn am Dachstein

Begonnen hat alles mit einem Wochenendhaus der Familie im Ennstal. Jedes Wochenende saß Manuela Mandl im Zug in Richtung Dachstein. „Mit 14, 15 Jahren habe ich einige Burschen aus der Gegend kennengelernt. Sie haben mir Abfahrten über 1.000 Höhenmeter gezeigt. Da lernt man richtig viel.“ Das Freeriden wurde schließlich zum Hochleistungssport. „Ich bin komplett zufrieden, wie sich der Sport entwickelt hat. 2018 war ich so entspannt, dass ich die Tour gewonnen habe“, begründet sie. Mit dieser Einstellung will sie auch in die kommende Saison gehen.

Digitaler Entzug in den Bergen: Snowboarden wie früher

Das Risiko, das die Athleten eingehen, wenn sie sich fast senkrechte Hänge hinunterwerfen, sei durch sehr gute Vorbereitung „einschätzbar. Wir sehen uns die Hänge stundenlang, manchmal tagelang an. Für den Zuschauer sieht es kopflos aus, was wir da machen, aber sie sehen ja auch nicht die lange Vorbereitungszeit – das Training und die Ausbildung im Bereich der alpinen Sicherheit. Klar, wir pushen uns schon, aber niemand nimmt volles Risiko. Das wäre ja dumm.“ Und idealerweise hilft ihr beim Snowboarden auch die Erfahrung aus ihrem Studium: „Das dreidimensionale Vorstellungsvermögen kommt mir beim Besichtigen der Hänge zugute.“

Nach dem Telefonat mit dem KURIER legt Manuela Mandl das Smartphone beiseite und freut sich auf die nächste „Screen-Diät“. Dabei schnappt sie sich das Tastenhandy von den Dreharbeiten – und macht sich wieder auf den Weg in die Berge.

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